Fahrbericht: Honda NC750S mit DKG
Die NC750S DCT mit Doppelkupplungsgetriebe kann vollautomatisch schalten, zwingt aber nicht dazu. Die fehlenden Zugkraftunterbrechungen sind bei jeder Gangart ein Gewinn und die Schaltstrategie ist ĂĽber die Jahre gereift
- Gernot Goppelt
Ganz taufrisch ist sie nicht mehr, die Honda NC750 S DCT, aber nach mehreren Updates immer noch auf der Höhe der Zeit. Höchst praktisch ist nach wie vor die „Tankattrappe” mit großem Staufach. Für einen Zweitagesausflug mit Übernachtung reicht das locker, zum Verstauen von Tiefkühlpizza weniger, obwohl der darunterliegende Motor nur milde anheizt. Zur letzten größeren Überarbeitung bekam die NC unter anderen einen kompakteren Endschalldämpfer, LED-Beleuchtung und zusätzliche Sportprogramme für das Doppelkupplungsgetriebe.
Beim ersten Kennenlernen dachte ich, die NC ist schon ein ziemliches Schiff mit ihren 227 kg (mit manueller Schaltung 217 kg). Praktisch fühlt sie sich leichter an: Durch den tief unter der Sitzbank liegenden Tank und den Twin mit fast liegenden Zylindern liegt der Schwerpunkt niedrig. Rangieren und Schieben machen keine allzu große Mühe. Dabei helfen übrigens zwei stabile Handgriffe neben der Sitzbank, die so praktisch sind wie die ganze NC. Draufsetzen – passt, auch wegen der relativ niedrigen Sitzhöhe von 790 mm.
Fahrbericht: Honda NC750S mit DKG (13 Bilder)

(Bild: Gernot Goppelt)
Funktioniert einfach
Vielleicht trägt das geschickt verteilte Gewicht sogar etwas zum stabilen Fahreindruck bei, es liegt aber wohl eher an der nicht übermäßig in Richtung Handlichkeit getrimmten Geometrie und der gelungenen Feder-Dämpfer-Abstimmung. Die Gabel spricht allenfalls bei höherfrequenter Beanspruchung minimal unruhig an, verarbeitet aber ansonsten Querfugen und schlecht geflickte Straßen gut. Noch mehr beeindruckt hat mich das hintere Federbein, dessen Dämpfung zwar viel Komfort bietet, aber längeres Nachschwingen kaum zulässt. Nichts an diesem Fahrwerk ist besonders aufwendig, aber es funktioniert verlässlich und unaufgeregt.
Das gilt auch für den Motor, der seit dem Modelljahr 2018 etwas freier hochdrehen darf. Bis dahin lief er knapp über der Nenndrehzahl von 6250/min bei 6500/min geradezu irritierend in den Begrenzer, nun darf er bis 7500/min jubeln. In Verbindung mit dem DCT wird das Verharren am Begrenzer zwar ohnehin vermieden. Aber etwas mehr Bandbreite ist einfach harmonischer, auch wenn der Twin schon von unten heraus gut zieht. Mit seinen 270 Grad Hubzapfenversatz erinnert er akustisch tatsächlich ein wenig an kleine Guzzis, allerdings frei von deren spürbarem Missmut beim Hochdrehen.
Die NC750 S DCT ist nicht besonders sportlich, sie ist auch nicht „retro”, da gibt es kein Klimbim, außer vielleicht die teilweise eingefärbte Sitzbank, die nicht wirklich mit dem Lack korrespondiert. Dennoch: besonders in der Farbkombination schwarz mit metallic-braun (Graphite Black / Pearl Brown) wirkt die NC unaufgeregt zeitlos. Es kommt halt drauf an, was man von einem Motorrad erwartet: Für mich geht es nur um gemütliche Kurzausflüge, die Gegend erkunden, Schnellfahren interessiert mich nicht. Je mehr Freiheit mir das Motorrad lässt, die Umgebung wahrzunehmen, umso besser.
Dynamisches Doppelkuppeln
Das ist wohl auch der Grund, warum zur NC750S das Doppelkupplungsgetriebe so gut passt. Es nimmt Komplexität aus der Fahraufgabe, entzieht allerdings auch ein Stück Kontrolle. Deutlich wird das in ganz wenigen Situationen, in denen man gerne die Kupplung einsetzen würde, beispielsweise um in Kurven beim Schalten Lastwechsel zu kontrollieren. Das geht halt nicht. Andererseits sind die Lastwechsel der NC so gering, dass dieses Problem im Alltag praktisch nicht auftritt. Das ist nicht bei jedem Motor in dieser Preisklasse so, ich denke etwa an den ansonsten genialen 700er-Twin (Test) von Yamaha.
Das Doppelkupplungsgetriebe ist übersichtlich aufgebaut: eine Antriebswelle, aufgeteilt in Hohl- und Kernwelle mit jeweils drei Zahnrädern, dazu eine Abtriebswelle mit sechs Zahnrädern als Gegenstück, fertig. So schön im Zweiwellenaufbau in die Länge gebaut ist das bei Autos oft nicht möglich, weil es aufgrund der höheren Drehmomente dann einfach zu lang würde, zumindest bei quer eingebauten Antrieben. Bei der NC sieht man es nur am etwas längeren Kupplungsgehäuse durch die zweite Kupplung – beide sind hintereinander angeordnet und nicht, wie im Automobilbereich bei Front/Querantrieben gängig, ineinander verschachtelt.
Schalten mit Seitenwechsel
Etwas ungewöhnlich ist die Schaltstrategie, dafür noch einmal ein kurzer Ausflug ins Grundsätzliche. Anders als bei Automatikgetrieben mit Planetenradsätzen ist der Gangwechsel beim DCT in zwei Phasen aufgeteilt: Auf der passiven Getriebeseite mit offener Kupplung wird zunächst ein Gang synchronisiert, ein Losrad wird also durch Bilden einer formschlüssigen Verbindung zum Quasi-Festrad. Es ist zunächst in Wartestellung, denn noch wird das Drehmoment über die die andere Getriebeseite übertragen. Das eigentliche Schalten aus Fahrersicht erfolgt dann durch gegenläufiges Öffnen und Schließen der Kupplungen, sodass der vorgewählte Gang nun aktiv wird. Die nun passive Seite kann wiederum einen Gang für den nächsten Seitenwechsel vorbereiten.