Formiat statt Wasserstoff: Fester Brennstoff aus CO₂

MIT- und Harvard-Forschende stellen Salze der Ameisensäure aus Kohlendioxid her. Die Effizienz des neuen Verfahrens: rekordverdächtig.

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(Bild: NicoElNino/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Mit einem neuartigen, besonders schlanken Verfahren verwandeln MIT- und Harvard-Forschende Kohlendioxid in Salze der Ameisensäure. Diese "Formiate" sind bisher vor allem als Enteiser für Flugzeuge bekannt, sie taugen aber auch als Energieträger. Die festen, zudem recht umweltfreundlichen Salze können einfacher gespeichert und transportiert werden als Wasserstoff und bei Bedarf in einer Brennstoffzelle zur Strom- und Wärmeproduktion genutzt werden.

Mit ein paar Tricks ließen sich die weißen Salzkristalle in einem Schritt weniger als bisher und sehr effizient herstellen, berichtete das Team kürzlich im Fachblatt Cell Reports. Der Kohlenstoff aus dem Treibhausgas werde dabei fast ohne Verluste in die Formiate eingebaut.

Die Grundidee, Kohlendioxid in höherwertige Chemikalien und Treibstoffe umzuwandeln, ist nicht neu. Doch in der Regel erfolgt dies in drei Schritten, die viel Energie verschlingen: Das Gas wird üblicherweise mithilfe von geeigneten Feststoffen oder Flüssigkeiten aus Abgasen oder der Umgebungsluft gezogen, anschließend mit Wärme aus den jeweiligen Medien wieder herausgetrieben und erst dann chemisch, elektrolytisch oder mithilfe von Bakterien in Rohstoffe für die Chemieindustrie verwandelt.

Wohin mit dem CO2?

Das US-Team spart nun den energieaufwändigen zweiten Schritt schlicht ein. Die Forschenden fangen das Kohlendioxid in einer Natrium- oder Kalilauge, wo es als Hydrogenkarbonat – eine Substanz wie in Backpulver – vorliegt und wandeln dieses direkt in die Zielchemikalie Formiat um.

Dazu führen sie elektrische Energie in einer Elektrolysezelle hinzu, die ähnlich wie eine Batterie aufgebaut ist. An einem Pol, der Anode, wird Wasser zu Sauerstoffgas und positiv geladenen Wasserstoffionen zersetzt. Die Wasserstoffionen wandern durch eine Membran zum Gegenpol, der Kathode, wo sie sich mit dem Hydrogenkarbonat und Elektronen zu Formiat verbinden. Das Salz muss dann nur noch abgetrennt und getrocknet werden. Die Energie für alle Prozessschritte sollte natürlich aus klimafreundlichen Quellen stammen, betonen die Erfinder der Methode.

Der Aufbau der Elektrolyseur-Konfiguration.

(Bild: Shuhan Miao, Harvard Graduate School of Design)

Wie gut die Formiatproduktion gelingt, prüften die Forschenden mit einem Labor-Prototypen vom Format einer Toastbrotscheibe, unter anderem mithilfe von spektroskopischen Methoden. Sie stellten fest, dass mehr als 95 Prozent des eingesetzten Kohlendioxids in die gewünschten Salze überführt werden können. Das sei deutlich mehr als bei anderen Verfahren, betont Ju Li, Professor am MIT und einer der Autoren der Studie. Die sogenannte Kohlenstoffeffizienz liege In der Regel um 10 Prozent, für die Kommerzialisierung sei eine Effizienz über 80 Prozent gefragt.

Für die hohe Effizienz sorgt offenbar ein recht stabiler pH-Wert im neutralen Bereich. Er verhindere, dass sich aus Kohlenstoff unerwünschte Nebenprodukte bildeten, heißt es in der Publikation. Zur Stabilität des pH-Werts während des Prozesses trägt danach unter anderem eine Zwischenlage in der Membran bei, die aus Glaswolle besteht und mit einer Hydrogenkarbonat-Lösung getränkt ist. Der Labor-Prototyp lief bei Raumtemperatur und moderaten Drücken, etwa fünfmal so hoch wie der Druck der Atmosphäre – und mehr als 200 Stunden ohne Effizienzverluste.

Für die Anwendung des potenten Verfahrens hat das Team schon große Pläne: Die Salze könnten "in großen Stahltanks gespeichert werden, über Jahre oder gar Jahrzehnte", so Zhen Zhang, der Hauptautor der Studie. Bei Bedarf könnte das Salz dann in Wasser aufgelöst und in einer Brennstoffzelle zur Strom- und Wärmeproduktion genutzt werden. Eine entsprechende Brennstoffzelle haben die Forschenden ebenfalls schon entwickelt und im Labor erfolgreich getestet.

Würden Elektrolysezelle, Speicher und Brennstoffzelle miteinander kombiniert, stünde ein neuartiges klimafreundliches System zur Stromversorgung zur Verfügung, sagt Zang. Die Salztanks könnten zum Beispiel unter der Erde oder auf dem Dach von Wohnhäusern Platz finden. Sie ließen sich in Zukunft aber nicht nur für einzelne Gebäude oder Gemeinden nutzen, sondern auch für Fabriken sowie für Strom- und Wärmenetze, so der Forscher.

Die Vision des Teams ist eine "Formiat-Wirtschaft", in der die Ameisensäure-Salze quasi als "fester Wasserstoff" fungieren, heißt es aus dem MIT. Bis dahin ist es allerdings noch ein Stück Weg. Erst muss sich zeigen, wie gut die Methode im größeren Maßstab funktioniert.

(anh)