GoPro-Konkurrenz, Luxus-Leica und Drohnenurteil – die Fotonews der Woche 43/2024

Die neue Insta360 kann vieles, was GoPro noch immer nicht kann, und fĂĽr gewerbliche Fotos von Kunstwerken gibt es nun Rechtssicherheit.

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Die Leica M Edition 70 mit Platinbeschichtung.

(Bild: Leica, Bearbeitung: heise online)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Nichts darf man mehr. Zu diesem kindlichen Schluss könnte man kommen, wenn man das Urteil des Bundesgerichtshofs über Drohnenfotos nur oberflächlich zur Kenntnis nimmt. Denn gerade um Fotos, die nicht von der Oberfläche gemacht wurden, geht es darin. Die ganze Geschichte haben wir bereits im Detail berichtet, daher hier nur soviel: Wer von Kunstwerken, die sonst nicht ohne weiteres sichtbar wären, kommerziell genutzte Fotos macht, muss die Rechteinhaber an den Einnahmen beteiligen.

Im konkreten Fall ging es um einen Reiseführer, für den handwerklich durchaus gute Bilder per Drohne gemacht wurden. Die Fotografen beriefen sich auf die Panoramafreiheit, die der BGH jetzt nicht stark, sondern eben nur ein bisschen eingeschränkt hat. Ähnliche Urteile gelten schon lange auch für Paparazzi-Shots mit der Leiter über die Hecke und sonstige Verrenkungen. Man sollte die Bedingungen wirklich genau lesen, die grobe Faustregel lautet: Wenn die Kunst das Hauptmotiv ist, darf man keine besonderen Hilfsmittel verwenden. Nur das, was auch der Amateur mit der Kamera in der Hand – und nicht am Himmel – auch sehen würde, ist von der Panormafreiheit gedeckt.

Solche höchstrichterlichen Urteile sind ebenso wie bei der unseligen Fototapete heute unumgänglich, denn Urheber- und Nutzungsrechte müssen mit technischen Entwicklungen Schritt halten. Noch vor 20 Jahren waren professionelle Luftaufnahmen viel teurer und aufwendiger, als sie das heute per Drohne sind. Und auch die Sportfotografie und insbesondere das Filmen von athletischer Action hat sich durch Technik enorm verändert, Stichwort: GoPro.

Die kleinen Actioncams sind zwar schon lange synonym für die Geräteklasse, aber gerade nach dem Straucheln von GoPro mit den letzten Generationen geben die Mitbewerber nicht auf. Die neue Insta360 Ace Pro 2 ist da, zumindest nach den technischen Daten, im Moment der heißeste Herausforderer. Für 450 Euro gibt es vor allem den bewährten Klappbildschirm, der beim Video-Selfie für viele schnell unverzichtbar ist. Aber eben auch 8K-Auflösung, drei Mikros und allerlei KI-Schnickschnack.

Spott ist hier angebracht, denn das Filtern von Windgeräuschen oder das Entfernen eines Selfie-Sticks – in dem Fall per App – basieren zwar auf Mustererkennung – das ist ein Teil von künstlicher Intelligenz –, mussten aber bisher nicht mit dem Hype-Schlagwort vermarktet werden. Besonders gespannt sein darf man auf "PureVideo", das bei wenig Licht klare Bilder ergeben soll. Vielleicht ist da der KI-Chip, den die neue Ace besitzen soll, wirklich ein großer Fortschritt. Denn diese Filterfunktionen für Bildrauschen sind auch bei ausgewachsener Desktop-Software eine der überzeugendsten fotografischen Anwendungen von KI.

Mit solchen kleinen Plastikkameras will, wir bemühen mal ein Klischee, der Connoisseur einer Leica natürlich nichts zu tun haben. Der gibt lieber soviel wie für fünfzig Exemplare einer Insta360 aus, um die "Leica M Edition 70" in die Vitrine stellen zu können. Da es bei 250 Geräten bleiben soll, ist diese Kamera mit Platinbeschichtung trotz technischer Raffinesse eher Wertanlage als Arbeitswerkzeug.

Leica feiert mit der Sonderausgabe die Premiere der Leica M vor 70 Jahren, und noch heute sehen fast alle Kameras des deutschen Herstellers so aus wie dieses ikonografische Modell. Und viele, viele andere sind mindestens an dieses Design einer Messsucher-Kamera angelehnt. Eines muss man den Wetzlaern lassen: Gerade weil das ein teures Sammlerobjekt für Fans und vielleicht Spekulanten ist, wird der Vertrieb fair gestaltet. Man muss sich nach bisherigem Stand nicht wie bei etwa Supersportwagen bewerben oder Glück mit einer Vorbestellungswebseite haben. Die Leica M Edition 70 soll erst 2025 in einigen Leica-Stores vertrieben werden, also vermutlich so mit Hingehen und Kreditkarte-Durchziehen. Wenn die denn 22.500 Euro hergibt. Falls Sie Weihnachtsgeschenke von einem echten Leica-Fan erwarten sollten: Die könnten 2024 vielleicht etwas kleiner ausfallen als erhofft.

Unsere Empfehlung für einen Long Read zum Wochenende ist diesmal ein PDF, das man erst per Eingabe der Mailadresse bestellen muss. Ja, das US-Unternehmen Aftershoot rückt das nicht anders raus, Spam haben wir nach der Bestellung nicht bemerkt. Etwas großspurig bezeichnet steckt in dem Dokument der "2024 Photography Industry Report", etwas vom Marketing befreit ist das eine Umfrage unter gut 500 Berufsfotografen, welche die Software des Unternehmens einsetzen. Die ist unter anderem für KI-gestützte Bildauswahl nach Kriterien wie Schärfe, Gesichtsausdruck von Personen et cetera nützlich, also: für umfangreiche Bildserien.

Entsprechend ist auch die Gruppe der Nutzer, vorwiegend auf Hochzeiten, Porträts und Events spezialisierte Fotografen aus den USA. Wie die so arbeiten, kann auch den (Semi)-Profi hier beruhigen: Meist zwei, eher vier Wochen vergehen von Shooting bis Lieferung, und pro Auftrag kommen ein paar Tausend Bilder zusammen. Über die die Hälfte gibt dann mehr als Tausend Bilder ab – ob das für den Kunden sinnvoll ist, darf man getrost bezweifeln. Aber den Ruf nach "so viele Fotos wie möglich, wir suchen selber aus" hört man auch hierzulande immer öfter. Eher beruhigend, weil Old School, ist, wie die Fotografen an Aufträge kommen. Social Media wird hier mit 86,6 Prozent am häufigsten genannt, direkt dahinter ist aber die gute, alte Mundpropaganda mit 85,9 Prozent. Wer empfohlen wird, hat also immer noch mehr vom kreativen Beruf.

(nie)