Gutachten zu 5G-Patenten: "Nicht vorhersehbare" Risiken für Automobilindustrie

Seite 2: Kommunikationsindustrie trifft Automobilindustrie

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Ein Intel-5G-Modem, das es nie gab: Die Technik gehört jetzt Apple.

(Bild: Intel)

Huawei selbst weist darauf hin, dass es derzeit mehr Patentlizenzgebühren zahlt als einnimmt: So habe das Unternehmen seit 2015 mehr als 1,4 Milliarden US-Dollar an Patentlizenzgebühren, aber über 6 Milliarden US-Dollar für die Nutzung patentierter Technologien an andere Unternehmen bezahlt. 80 Prozent dieser Lizenzgebühren seien an US-Unternehmen gezahlt worden.

In dem Patentpool zeigt sich auch ein bekannter Technologieriese: So hat Apple im vergangenen Sommer für schätzungsweise eine Milliarde US-Dollar das 5G-Portfolio von Intel erworben. Intels Portfolio weist die meisten Vorwärtszitate auf, was seine hohe technische Relevanz wiederspiegelt: Die Patentanmeldungen anderer Unternehmen mussten Intels Patentportfolio als "Stand der Technik" zitieren. Ebenfalls im Sommer übernahm Apple das Start-up Drive.ai, das an Techniken für das autonome Fahren arbeitet. Damit könnte sich Apple künftig als Lieferant für technische Infrastrukturen für das autonome Fahren positionieren.

Samsung, InterDigital und Sharp verfügen nach Intel über die höchsten Durchschnittswerte von Vorwärtszitaten. Die größten Patentfamilien mit Gewichtung nach Ländergröße zeigen das internationale Marktpotenzial. Hier weisen Intel – vor der Übernahme der Patente durch Apple – sowie Qualcomm die größten Patentfamilien auf.

Die Autoindustrie zähle zu den ersten Sektoren außerhalb der Computer- und Smartphone-Welt, in der die 5G-Technik eine zentrale Rolle spielen wird. Problematisch ist hier, dass die Lizenzierungspraktiken für Patente in der Automobilbranche sich von der Kommunikationsbranche erheblich unterscheiden. Deshalb finden derzeit eine Reihe gerichtlicher Auseinandersetzungen statt.

Umstritten ist dabei nicht nur die Höhe der Lizenzbeiträge, sondern auch die Frage, wer eine Lizenz für SEPs erwerben muss. Patentinhaber haben das Wahlrecht, bei wem sie ihre Gebühren geltend machen wollen. Anstatt bei den Zulieferern anzusetzen, die etwa das Mobilfunk-Modul herstellen, wenden sie sich direkt an die Automobilhersteller. Damit wächst die Basisgröße, auf der sich die Lizenz- oder im Streitfall die Schadensersatzforderungen beziehen.

Bisher vertreten die Automobilhersteller die Auffassung, dass ihre Zulieferer die Patentfragen klären müssen. Doch die Patentinhaber wie Nokia, Ericsson, Qualcomm oder Broadcom bestehen darauf, die Höhe der Lizenzgebühren nicht an den Komponenten, sondern am Endprodukt zu bemessen. In der Telekommunikationsbranche werden Lizenzen nämlich prozentual an dem Verkaufswert des Telefons berechnet. Derzeit werden rund ein Dutzend Patentrechtsverfahren zwischen dem Telekommunikationsausrüsters Nokia und dem Automobilbauer Daimler auf den unteren gerichtlichen Instanzen verhandelt.

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II. Patentkrieg: Deutschen Autoherstellern droht der Produktionsstopp

Wenn Patentverwerter mit einer Unterlassungsklage drohen, sind Unternehmen meist gezwungen, schnell zu handeln. Gerade bei Unternehmen mit Massenfertigung können so unverhältnismäßig hohe Lizenzgebühren erzwungen werden, da Produktionsstillstände sehr teuer werden können. Derzeit werden vor den Gerichten auch Klagen des Patentverwerters Conversant und Sharp verhandelt. Sie gehören wie auch Nokia dem Patentpool Avanci an, der sich bereits mit Volkswagen und BMW vertraglich geeinigt hat. Daimler lehnt die Konditionen bisher ab. Avanci bietet einen Lizenzbetrag an, der unabhängig vom Wert des Endgeräts ist. Damit zahlt ein Kleinwagenhersteller für die Nutzung der Lizenzen pro Fahrzeug aber dieselbe Gebühr wie ein Hersteller hochpreisiger Oberklassewagen.

Im Januar hat das Bundesjustizministerium einen Gesetzesentwurf "zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts" vorgelegt, über den der Bundestag noch in diesem Jahr entscheiden soll. Es soll den Unterlassungsanspruchs bei Patentverletzungen im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit klarstellen. Außerdem soll es Verletzungsverfahren vor den Zivilgerichten und der Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht (BPatG) synchronisieren.

Daimler, Continental und andere Beschwerdeführer haben sich bereits im vergangenen Jahr an die Bundesregierung und die für Wettbewerbsfragen zuständige EU-Kommission gewandt. Sie wollen klären lassen, wie für Telekommunikations-Standards essenzielle Patente in der Automobilindustrie zu lizenzieren sind. Die EU-Kommission hat bisher keine förmlichen Ermittlungen eingeleitet. (vbr)