Verkehrsexperte: Neuer US-Präsident kann Rassismus mit Verkehrspolitik bekämpfen

COVID hat den US-ÖPNV in die Krise gestürtzt. Joe Biden möchte mit elektrischen Bussen und mehr Angebot gegensteuern. Autonome Autos lassen auf sich warten.

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Joe Biden sitzt in einem Amtrak-Großraumwagen

Joe Biden (Archivbild) ist Eisenbahn-Fan und möchte als US-Präsident in deren Infrastruktur investieren.

(Bild: Weißes Haus/David Lienemann (gemeinfrei))

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"Mehr Videobeweise von Polizeigewalt bedeuten nicht, dass es mehr Polizeigewalt gibt." Polizeigewalt in den USA gebe es schon lange, nur hätten zu viele weiße US-Amerikaner den Betroffenen nicht geglaubt, sagte Pete Gould, Mobilitätsberater in Washington, DC, in einem Interview mit heise online. Das ändere sich gerade, weil es nun eine Flut an Videos gibt.

Pete Gould hat bei Uber, im Verkehrsministerium und im Repräsentantenhaus gearbeitet, bevor er 2016 das Verkehrsberatungsunternehmen Catapult Policy Strategies gegründet hat.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Zwar habe es über die Jahrzehnte mehrmals öffentliche Entrüstung gegeben, etwa nach dem Blutigen Sonntag im März 1965, als State Trooper Alabamas friedliche Teilnehmer eines Trauermarsches für ein Opfer von Polizeigewalt vor laufenden TV-Kameras attackierten, oder nachdem Polizisten des Los Angeles Police Department 1991 den Autofahrer Rodney King verprügelten und ein Unbeteiligter den Vorfall filmte.

Doch erst die videodokumentierte Ermordung George Floyds im Mai 2020 in Minneapolis habe in den USA zu einer nachhaltigeren Diskussion über institutionalisierten Rassismus geführt. Dazu beigetragen habe auch die neue Politiker-Generation, die mit den US-Wahlen 2018 zu Amt und Würden gekommen ist. "Der Unterschied ist deren Aufmerksamkeit für Rassenungerechtigkeit, und dass sie wissen, dass das alle Lebensbereiche und Einrichtungen durchzieht", erläutert Gould, "Buchstäblich bis hinunter auf die Straßen und Autobusse".

So war der Bogen zur Verkehrspolitik gespannt: "Warum kommen die Busse gar nicht oder seltener in armen Stadtvierteln als in reichen Gegenden? Warum ist die Luftqualität in armen Vierteln schlechter?"

Für Gould ist die von Politikern beider US-Parteien etablierte Verkehrspolitik Ausweis institutionalisierten Rassismus' und anderer Ungerechtigkeiten. Die Klimadebatte ist eine vergleichsweise junge Facette. Tatsächlich ist das Angebot öffentlicher Verkehrsmittel in ärmeren US-Stadtteilen meist schlechter als in reicheren. Weil in den USA oft die Innenstädte ärmer sind, leiden Wenigbetuchte häufiger unter hoher Verkehrsbelastung als Wohlhabende.

Immerhin konnten die USA die Feinstaubbelastung in den vergangenen 40 Jahren deutlich reduzieren, in reichen wie in armen Regionen. Auch die absoluten Unterschiede in der Feinstaubbelastung sind gesunken. Relativ gesehen ist die Feinstaubbelastung in ärmeren Gebieten aber immer noch höher als in bessergestellten. Und immer wieder wurden neue Autobahnen quer durch Armenviertel gebaut.

Neuerdings gibt es Gouverneure und Verkehrsminister mehrerer Staaten, die sich zu Black Lives Matter bekennen, bestätigt Gould. "Aber dann verbreitern sie die Autobahn und reißen wieder ein Armenviertel ein. Der Unterschied ist, jetzt stehen Leute auf und weisen darauf hin, dass sich das mit 'Black Lives Matter' nicht vereinbaren ließe." Mit umweltfreundlicherer Verkehrsstrategie wolle Biden nicht nur Umwelt- und Verkehrspolitik betreiben, sondern auch Gräben zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe verkleinern helfen.