Löschorgie droht: Bundestag beschließt Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Seite 2: Maas wie "Kai aus der Kiste"

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Eigentlich hätte darüber diskutiert werden müssen, was die "vergiftete Debattenkultur" mit der Gesellschaft mache, meinte die Grüne Renate Künast. "Wir müssen digital wie analog mit Meinungsfreiheit umgehen, dafür reicht dieses Gesetz nicht." Bußgeldtatbestände allein seien zu wenig. Der "Reiz zu löschen" sei nach wie vor zu groß, die Gesellschaft müsse sich gemeinsam für die Würde des Menschen einsetzen, postulierte die Ex-Verbraucherministerin. Auch das Verfahren sei unangemessen gewesen: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sei plötzlich nach Ostern "wie Kai aus der Kiste mit einem Gesetz gekommen", das "helles Entsetzen" ausgelöst und erst mühsam habe nachgebessert werden müssen.

Maas räumte ein, dass die seit zwei Jahren kontrovers geführte Debatte schwierig gewesen sei und die Grundwerte Freiheit und Gleichheit auf dem Spiel stünden. Aber nichts sei schlechter als nichts zu tun, da die Hasskriminalität im Internet in den vergangenen zwei Jahren um über 300 Prozent gestiegen sei. Hass-Postings und "verbale Verrohung" sind laut dem Justizminister der wahre Angriff auf die Meinungsfreiheit. Es gehe daher um eine Grundsatzentscheidung für das digitale Zeitalter: "Wir müssen Recht und Gesetz auch endlich im Netz durchsetzen." Niemand stehe darüber, auch nicht Facebook und Twitter.

Nadine Schön empörte sich im Namen der CDU/CSU-Fraktion, dass die Anbieter virtueller Communities jahrelang die Hände in den Schoß gelegt und leere Versprechen gemacht hätten und daher der gesetzgeberische Handlungsdruck gestiegen sei. Nun werde den Menschen zu ihrem Recht verholfen. Beim "leisesten Zweifel" an der Strafbarkeit eines Inhalts könnten sich die Betreiber an ein Selbstregulierungsgremium wenden wie beim Jugendmedienschutz. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) lobte, das Gesetz könnte eine Blaupause sein für andere Länder, sodass die eingezogene Struktur der Selbstkontrolle ein ganz wichtiges Element in der Auseinandersetzung auch mit den "Diktatoren dieser Welt" sei. (anw)