Mythos Leica: 100 Jahre Kleinbildfotografie

Seite 5: Der Mythos lebt weiter

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Eine Leica war immer etwas Besonderes, keine andere Kameramarke hat einen ähnlichen Nimbus. Mal war man bahnbrechend innovativ, mal bemittleidenswert trantütig: Die lange Historie der Leica-Kameras ist voller Überraschungen und Leica hat allen verpassten Chancen zum Trotz in letzter Sekunde immer wieder die Kurve gekriegt. Manchmal bedarf es eben einer drohenden Insolvenz, um die erstarrten Strukturen eines Traditionsherstellers aufzubrechen. Damals wie heute ist die Fotografie zumindest mit den Leica-Topmodellen ein besonderes Erlebnis. Keine andere Kameramarke schafft es, derart hochwertig anmutende Fotowerkzeuge herzustellen. Da kann man schon mal auf das ein oder andere moderne Feature verzichten.

Die Leica T ist die erste Leica Systemkamera mit Autofokus.

(Bild: Leica)

Manchmal verändert sich die Wahrnehmung einer Kamera auch im Laufe der Zeit. Ein Beispiel: Eine bei ihrer Markteinführung bahnbrechende Kamera wie die Minolta Dynax 7000i ist aus heutiger Perspektive ein seelenloser Plastikbomber den die Entwicklung gnadenlos abgehängt hat. Wer braucht heute noch per Chipkarten nachrüstbare Motivprogramme für Porträts und Landschaften? Auch das Minolta-Kameragehäuse im typischen 80er-Jahre Design weckt keine Begeisterung mehr, von den eher wackligen Autofokus-Objektiven ganz zu schweigen. Die gleich alte Leica R5 ist hingegen auch nach heutigen Maßstäben noch eine schöne Kamera, deren satte Wertigkeit von den wenigsten aktuellen Kameras erreicht wird. Dass sie technisch nicht perfekt ist, kann man verschmerzen. Hochwertige Automatikuhren sind rein von der Ganggenaugigkeit auch jeder billigen Quartzuhr unterlegen. Trotzdem hat man an einem edlen Breitling-Chronographen mehr Freude, als an an einer Digitaluhr.

Mit der neu eingeführten Leica T bricht Leica derzeit gleich mit mehreren Traditionen. Es handelt sich um eine – nach Leica-Maßstäben, versteht sich – bezahlbare Systemkamera. Sie hat zwar nur einen Bildsensor im APS-C Format, dafür ist sie aber auch sehr viel günstiger als als die Leica M. Außerdem hat die Leica T nun einen Autofokus und zieht endlich in diesem wichtigen Punkt mit der japanischen Konkurrenz gleich. Damit hat Leica erstmalig eine Systemkamera im Angebot, die die Chance hat, einen größeren Marktanteil zu erobern. Manche sprechen gar von der Volks-Leica, auch wenn knapp 3000 Euro für die Kombination aus Gehäuse und Objektiv immer noch viel Geld sind . Auch mit 100 Jahren Tradition auf dem Buckel ist Leica also immer noch für eine Überraschung gut. (sts)