Nationales Bildungspanel: Soziale Medien störend, Jungs mehr von sich überzeugt
Digitalen Kompetenzen erlangen Jugendliche nicht einfach während der Nutzung sozialer Medien, legt ein neuer Bericht dar. Sie seien mitunter sogar störend.
Die ständige Begleitung des Alltags mit Technik und insbesondere die Nutzung von sozialen Medien führt nicht zwangsläufig zu mehr Kompetenzen im Bereich der digitalen Medien. Das macht eine neue Auswertung von Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) deutlich.
So haben Forschende vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe und vom IPN Kiel festgestellt, dass eine zu intensive Nutzung sozial-interaktiver Dienste sogar zu einer insgesamt geringeren digitalen Kompetenz bei Jugendlichen führen kann. Auch habe sich bei der Auswertung der Daten gezeigt, dass männliche und weibliche Jugendliche im Alter zwischen 15 und 18 Jahren zwar nahezu die gleichen Kompetenzwerte für digitale Medien erreichen, Mädchen ihre Fähigkeit aber weiterhin als wesentlich geringer einstufen, als die ebenfalls befragten Jungen.
Motivation für Nutzung wichtig
Um die eigentlichen ICT-Kompetenzen (ICT= information and communication technologies) zu erlangen, müssten Schülerinnen und Schüler aus Sicht von Dr. Timo Gnambs vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe und Dr. Martin Senkbeil vom IPN Kiel aus einer anderen Motivationslage heraus agieren. Die Forschenden sprechen vom Gegensatz zwischen sozial-interaktiven und instrumentellen Nutzungsmotiven.
Soziale Medien würden häufig zur Unterhaltung, Zerstreuung und Ablenkung und oft auch schnell nebenbei genutzt. Das sei wenig anspruchsvoll und könne zugleich ein großer Störfaktor sein.
Nur noch kurz mit der Welt chatten
Senkbeil kritisiert insbesondere die Gewohnheit der Nebenbei-Nutzung: "Soziale Online-Medien werden von den Jugendlichen häufig parallel zu schulischen Aufgaben genutzt. Dieses Multitasking beeinträchtigt jedoch Verstehens- und Lernprozesse und im Ergebnis sehen wir insgesamt geringere ICT-Kompetenzen."
Die gezielte Informationssuche bei einer Online-Recherche zahle hingegen direkt auf die Fähigkeiten der jungen Erwachsenen ein, souverän mit digitalen Informationstechnologien umzugehen.
Einer laut der Auswertung gängigen Sichtweise zufolge werden fünf Teilaspekte von ICT-Kompetenz unterschieden. Diese beziehen sich auf die Fähigkeit, digitale Informationen (1) zu finden, (2) zu ordnen, (3) zusammenzufassen, (4) zu beurteilen und (5) für weiterführende Aufgaben zu nutzen. Gemeinsam spiegeln diese Komponenten die Kompetenz einer Person im Umgang mit ICT wider.
Dementsprechend fordern Senkbeil und Mit-Autor Gnambs, dass die Vermittlung anspruchsvoller informationsbezogener Fertigkeiten standardmäßig in den Unterricht integriert werden sollte. Schülerinnen und Schüler sollen beispielsweise lernen, wie sie gezielt Informationen mit einer Online-Recherche suchen, diese beurteilen, weiterverarbeiten und präsentieren und so ihre Fähigkeiten im komplexen Denken und Problemlösen trainieren. Denn es sei "nicht ausreichend, nur zu wissen, welche Suchmaschinen zur Verfügung stehen, um bestimmte Informationen im Internet zu finden. Vielmehr müssen diese Suchmaschinen auch richtig genutzt werden, damit die verwendeten Suchbegriffe zu optimalen Ergebnissen führen."
Blick auf Fähigkeiten unterschiedlich
Bei der Untersuchung der repräsentativen Stichprobe von 15- bis 18-jährigen Jugendlichen in Deutschland zeigte sich zudem, dass Mädchen und Jungen – entgegen der weitläufig verbreiteten Annahme – sich kaum in ihren ICT-Kompetenzen unterscheiden.
So unterscheiden sich die Ergebnisse von 15-jährigen Mädchen und Jungen in ihrer ICT-Kompetenz kaum. Auf einer Skala mit einem Mittelwert von 500 und einer Standardabweichung von 100 zum ersten Erhebungszeitpunkt erzielten Mädchen im Durchschnitt 499 Punkte, während Jungen 501 Punkte erreichten. Innerhalb von drei Jahren entwickelten sich jedoch Geschlechtsunterschiede zum Nachteil von Mädchen, heißt es in dem Bericht. Ihre Fähigkeiten stuften die befragten Jugendlichen zugleich sehr unterschiedlich ein. Jungen schätzten sich, unabhängig von ihrem Alter, deutlich kompetenter ein als Mädchen. Die Forscher vermuten deshalb, dass Frauen technologiebasierte Berufsfelder und Ausbildungen eher deshalb meiden, weil sie in Bezug auf ihre Kompetenzen weniger Selbstvertrauen haben.
Da sich die Unterschiede in der Selbsteinschätzung in Jugendalter schon stark verfestigt haben, rät Dr. Timo Gnambs zu frühzeitigen Fördermaßnahmen bereits in der Kindheit: "Frühe Förderung kann zu mehr Chancengleichheit in späteren Lebensjahren beitragen und die Entwicklung tatsächlicher Unterschiede bei den ICT-Kompetenzen verringern."
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Die Daten für diese Auswertung wurden zwischen Herbst 2010 und 2013 erhoben. Es beteiligten sich über 14,000 Schülerinnen und Schüler (50-Prozent-Aufteilung) im Alter von circa 15 Jahren, die in neunten Klassen verschiedener Sekundarschulen und erneut drei Jahre später untersucht wurden.
(kbe)