Nvidia muss sich im Chipsatz-Markt neu positionieren

Weil Intel im nächsten Jahr auf eine neue System-Architektur ohne Frontsidebus umstellt und AMD zunehmend auf eigene Mainboard-Chipsätze setzt, wird es schwieriger für Nvidia.

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Die "alte" Frontsidebus-Architektur und die HyperTransport-Schnittstelle von AMD-Prozessoren bieten Anschluss für einen klassischen Chipsatz

Gestern überraschte die Firma Nvidia mit der Ankündigung, dass die ab Ende 2008 erwarteten Mainboards für Intels Bloomfield-Prozessoren der Nehalem-Generation auch SLI-Funktionen bieten können, sofern der PCI-Express-Switch Nvidia nForce 200 zum Einsatz kommt. Diese Meldung verweist auf die grundsätzlichen Probleme, die ab kommendem Jahr auf Nvidia im Markt der Mainboard-Chipsätze zurollen: Es bleibt kaum Platz für die Produkte des Grafikchip-Spezialisten. AMD setzt seit der Übernahme von ATI zunehmend auf eigene Chipsätze und sieht die Nvidia-Produkte – anders als zu Athlon-XP-Zeiten – weniger als Unterstützung, sondern als Konkurrenz. Und in dem von den Stückzahlen her wesentlich bedeutenderen Markt der Intel-Systeme steht im nächsten Jahr nicht nur die Abkehr von der Frontsidebus-Architektur an, sondern auch der Einzug einer GPU direkt in den Prozessor. Für Mainboard-Chipsätze im klassischen Sinne besteht bei den Nehalem-Systemen für Desktop-Rechner und Notebooks kaum noch Bedarf.

Die Firma Nvidia war erst spät in den PC-Chipsatz-Markt eingestiegen, in dem schon damals Intel unangefochten als Marktführer herrschte. Hinter Intel lag vor allem die Firma VIA Technologies gut im Rennen, die heute außer ein paar älteren Produkten fast nur noch Chipsätze für die eigenen C7- und Nano-Prozessoren produziert. Auch SiS, ALi/ULi, AMD und ATI konkurrierten um den Chipsatz-Markt. Nvidia nutze geschickt die Gelegenheit, die sich mit dem AMD Athlon XP bot, der sehr erfolgreich gegen Intels Pentium III und Pentium 4 antrat. Auch den Wechsel der AMD-Architektur vom Frontsidebus der Athlons und Durons auf die AMD64-Technik mit HyperTransport-Interconnect begleitete Nvidia. Weil die AMD64-Prozessoren vor allem in 3D-Spielen die Intel-Prozessoren ausstachen, konnte Nvidia mit den SLI-Chipsätzen für AMD64-Prozessoren punkten, welche die Kopplung von zwei und später auch drei Grafikkarten ermöglichten.

Ergänzt um einen Speichercontroller, den AMD64-Prozessoren im Unterschied zu Intel-FSB-Prozessoren bereits enthalten, konnten sich SLI-Chipsätze auch im Bereich der Mainboards für Intel-Prozessoren behaupten. Relativ spät nach ATI, Intel, SiS und VIA brachte Nvidia auch Chipsätze mit integrierten Grafikchips für beide x86-/x64-CPU-Lager auf den Markt. Insbesondere gegen Intels eher schwachbrüstige GMA-Prozessoren schlugen sich die Nvidia-Produkte sehr gut, zudem bestehen die jüngeren der billigeren Chipsatz-Varianten von Nvidia meist aus nur einem Chip, was noch billigere Mainboards ermöglicht.

Nicht alle Prozessoren der Nehalem-Generation für Desktop-Rechner sind mit QPI ausgestattet.

Die Bloomfield-Version der Nehalem-Prozessoren im LGA1366-Gehäuse ist für High-End-Desktop-PCs und Single-Socket-Workstations gedacht und ähnelt mit ihrem QuickPath-Interconnect (QPI) sehr den AMD64-Prozessoren: Ein Speichercontroller steckt bereits im Prozessor, der Chipsatz kommuniziert per QPI mit der CPU (und dem RAM) und bindet PCIe-Karten (an der Northbridge) und die sonstigen Peripherie-Schnittstellen (via Southbridge) an. Bei Intel wird der Bloomfield-Chipsatz X58 alias Tylersburg heißen, als I/O Controller Hub (ICH, Intel-Jargon für Southbridge) kommt der bereits mit den Baureihe-4-Chipsätzen vorgestellte ICH10 zum Einsatz. Bloomfield wäre der klassische Kandidat für den Einsatz von SLI-Chipsätzen, eigentlich müsste Nvidia dazu nur ein Produkt wie den nForce 790a SLI von HyperTransport auf QPI umstellen. Anscheinend konnten sich Intel und Nvidia aber nicht über die Konditionen für eine QPI-Lizenz einigen – obwohl Intel angekündigt hatte, verstärkt QPI-Nutzungslizenzen vergeben zu wollen. Möglicherweise war das aber eher auf Co-Prozessoren und andere Produkte für Server bezogen. Vielleicht sind auch die von Intel geforderten QPI-Lizenzgebühren so hoch, dass Nvidia keinen wirtschaftlichen Sinn in der Entwicklung und Produktion von QPI-Chipsätzen sieht. Stattdessen muss man zur Nutzung von SLI auf Bloomfield-Boards nun also den nForce 200 bemühen.

Aber selbst wenn Nvidia eine QPI-Lizenz hätte, wäre der potenzielle Markt eher klein: Der Bloomfield zielt auf das nach Stückzahlen begrenzte High-End-Marktsegment. Nach bisher bekannt gewordenen, aber inoffiziellen Informationen sind für die in viel größeren Stückzahlen produzierten "Mainstream"-Computer die Nehalem-Prozessoren Lynnfield (vier Kerne, möglicherweise teilweise mit Hyper-Threading) und Havendale (zwei Kerne plus integrierter Grafikprozessor) in LGA1160-Gehäusen vorgesehen, die außer dem Speichercontroller – und bei Havendale auch einem Grafikprozessor – bereits einen PCI-Express-2.0-Controller enthalten. Die Mainboards für solche Prozessoren müssen also nur noch mit einer Southbridge bestückt sein, ein klassischer Chipsatz ist unnötig. Intel plant hier angeblich einen Platform Controller Hub (PCH) mit dem Codenamen Ibexpeak ein.

Auch PC-Käufern verlangen die kommenden Nehalem-Plattformen übrigens neue Entscheidungen ab: Während man bisher auch ein hochwertiges, beispielsweise SLI-taugliches LGA775-Board mit einem billigen Prozessor bestücken konnte, oder umgekehrt teure Multi-Core-Prozessoren auch auf vielen billigen Boards liefen, muss man sich etwa ab Mitte 2009 auf die High-End-Schiene LGA1366 oder die Mittel-/Billigklasse LGA1160 festlegen. Die einfacher ausgestatteten Boards könnten dann aber auch noch billiger werden und müssten etwa keinen aufwendigen CPU-Kernspannungswandler für Quad-Core-/Octo-Thread-Prozessoren mitbringen.

Bisher ist kaum vorhersehbar, ob und wie Nvidia neue Chipsätze mit integrierter Grafik für Lynnfield- und Havendale-Mainboards konstruieren könnte: Weil diesen Prozessoren ein QPI fehlt, ist nur per PCI Express (beziehungsweise das PCIe-ähnliche Direct Media Interface DMI) Zugriff auf den an der CPU angebundenen Hauptspeicher möglich, den integrierte Grafikprozessoren aber für gewöhnlich mitnutzen. Nvidia könnte allerdings einen separaten Grafikchip mit eigenen Speichercontroller entwickeln, der entweder Embedded DRAM (eDRAM) mitbringt oder für den die Boardhersteller zusätzliche RAM-Chips auf die Platine löten müssen; per "TurboCache" könnte der Grafikchip immerhin Texturen ins RAM auslagern. Ob solche Onboard-Grafikchips, die bei Serverboards zwar üblich (und dort bloß per PCI angebunden wie der ATI ES1000 oder der XGI Volari Z9) sind, auf Desktop-PC- und Notebook-Mainboards aber wirtschaftlich und von der Performance her interessant wären, ist fraglich.

Für Nvidia bricht damit mittelfristig ein erheblicher Teil des Chipsatz-Geschäftes weg; auch auf der AMD-Seite droht eine Reduktion des Marktanteils, weil AMD immer attraktivere eigene Produkte verkauft – und mit dem Fusion-Kombichip ebenfalls einen Prozessor mit integrierter Grafikeinheit plant. Diesen nennt Nvidia – ebenso wie Intel-Kombiprozessoren, also Havendale und die Mobilversion Auburndale – übrigens in den eigenen SEC-Berichten explizit als Geschäftsrisiko.

Während Intel im Jahr 2007 alleine mit Chipsätzen und Mainboards rund 9,1 Milliarden US-Dollar Umsatz erzielte (5,1 Milliarden mit Produkten für Desktop-Rechner und Server, 4 Milliarden mit Mobil-Produkten), waren es bei Nvidia im Bereich der Chipsätze 710 Millionen US-Dollar. AMD weist den Chipsatz-Umsatz bisher nicht gesondert aus. Bei den AMD64-Chipsätzen hielt Nvidia im vierten Quartal 2007 nach eigenen Angaben unter Berufung auf Mercury Research 60 Prozent Marktanteil, im ersten Quartal 2008 sollen es 61 Prozent gewesen sein. Wie Nvidia aber selbst mitteilt, sinkt die Marge, weil der Anteil billigerer Produktvarianten steigt. Es ist auch unverständlich, weshalb Nvidia nicht die Gunst der Stunde nutzt und noch immer keinen Nachfolger der GeForce-7000-Grafikchipsätze für Intel-Prozessoren mit HD-Video-Beschleunigung auf den Markt gebracht hat – hier kann Intel mit dem G35 und dem offenbar noch nicht lieferbaren G45 bisher nicht punkten. (ciw)