Plädoyers im US-Filesharing-Prozess [Update]

Im Verfahren gegen die 32-jährige US-Amerikanerin Jammie Thomas ist die Beweisaufnahme abgeschlossen. Für den heutigen Donnerstag werden die Schlussplädoyers erwartet, dann zieht sich die Jury zur Beratung zurück.

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Im Wiederaufnahmeverfahren gegen die von der US-Musikindustrie wegen Urheberrechtsverletzung verklagte Jammie Thomas-Rasset haben die Anwälte am Dienstag und Mittwoch Zeugen gehört und Beweismittel vorgelegt. Die Verhandlung vor dem Bundesgericht in Minneapolis (US-Bundesstaat Minnesota) geht am heutigen Donnerstag mit den in diesen Minuten beginnenden Schlussplädoyers und der Unterweisung der Jury zu Ende. Sollten sich die Geschworenen schnell einig werden, kann es noch am Donnerstagnachmittag (US-Ortszeit) zu einem Urteil kommen.

Die Plattenlabels werfen der 32-Jährigen vor, mit der illegalen Verbreitung von 24 Songs über das P2P-Netzwerk Kazaa gegen das US-Copyright verstoßen zu haben und fordern Schadensersatz. Insgesamt seien in ihrem Kazaa-Ordner rund 1700 Stücke zur Verbreitung freigegeben gewesen. In einem ersten Verfahren hatten die Geschworenen Thomas-Rasset zur Zahlung von 222.000 US-Dollar verurteilt. Nach einem Verfahrensfehler musste der Prozess neu aufgerollt werden.

In den vergangenen beiden Tagen haben die Klagevertreter ihre Indizienkette gegen Thomas-Rasset mit Zeugenaussagen zu untermauern versucht. Gehört wurde ein Vertreter von MediaSentry, einem Dienstleister der Musikindustrie, der eine Momentaufnahme des "Shared"-Ordners des Kazaa-Teilnehmers "tereastarr" vorlegte. Unter diesem (ihrem Windows-)Nutzernamen ist Thomas-Rasset nach eigenen Angaben bei zahlreichen Online-Diensten registriert. Ein Vertreter ihres Providers sagte aus, dass die von MediaSentry ermittelte IP-Adresse zur fraglichen Zeit an das Kabelmodem der Beklagten vergeben war.

Ein von der Musikindustrie geladener Netzwerk-Experte verknüpfte die Aussagen seiner Vorgänger und reihte die Indizienkette für die Geschworenen noch einmal übersichtlich auf. Um ein nicht wesentliches Detail seiner Aussage gab es am Mittwoch kurze Aufregung, weil trotz potenzieller Beweiskraft die Verteidigung darüber nicht vorab informiert war – im US-Recht ein Verstoß gegen die Prozessordnung. Nachdem die Klagevertreter wiederholt um Entschuldigung gebeten hatten, wurde der entsprechende Teil der Aussage gestrichen.

Nach fehlgeschlagenen Versuchen, die Klage wegen nicht ausreichender Nachweise der Urheberschaft an den fraglichen Songs gleich zu Beginn abzuwehren, konzentrierte sich die Verteidigung auf das ihrer Ansicht nach fehlende Schlussstück der Indizienkette: Die reiche nur bis zum Computer in Thomas-Rassets Wohnzimmer. Wer das Gerät zur fraglichen Zeit benutzt habe, könne die Musikindustrie nicht nachweisen. Die Verteidigung versuchte bei ihren Befragungen alternative Szenarien plausibel zu machen, verzichtete aber auf die Aussage des vorgesehenen Computerexperten Yongdae Kim.

Einfacher wird der Fall damit nicht. Thomas-Rasset bleibt dabei: Sie sei es nicht gewesen. Sie habe vor der Klage nicht einmal gewusst, was Kazaa ist, hat aber im College eine Arbeit über Napster geschrieben. Sie möge Industrial und Metal nicht besonders, soll es aber heruntergeladen haben. Das bringt ihren ehemaligen Lebensgefährten, einen Metal-Fan, als möglichen Filesharer ins Spiel. Wie er, hatten auch ihre Kinder Zugang zu dem Rechner und ihrem Nutzeraccount.

Ob das reicht, die Geschworenen an Thomas-Rassets Schuld zweifeln zu lassen, wird sich möglicherweise schon bald zeigen. Denn die Verteidigung verzichtete darauf, der Jury die Erörterung komplizierter rechtlicher Fragestellungen aufzubürden – wie etwa die Frage, ob Bereithaltung von Musik im Kazaa-Ordner eine Verbreitung im Sinne des Copyrights und damit ein Verstoß ist. Wegen dieser Annahme, die von der Klageseite im ersten Prozess in die Jury-Unterweisung eingebracht worden war, war das Verfahren gegen Thomas-Rasset geplatzt.

[Update]:
Mittlerweile ist das Urteil ergangen: Jammie Thomas-Rasset wurde wegen der illegalen Verbreitung von 24 Musiktiteln über Filesharing-Netze zu einer Strafe von 1,9 Millionen Dollar verurteilt. Siehe dazu:

(vbr)