Silicon Valley vs. Michigan: Wettstreit der Auto-Ideologien

Zum selbstfahrenden Auto möchten sich die klassischen Autobauer schrittweise vorarbeiten; Google setzt hingegen zum großen Sprung an. Beide Seiten haben gute Gründe für ihre jeweilige Strategie.

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Google-Fahrzeug

Bei Google gibt es ein Lenkrad nicht einmal als Zusatzausstattung.

(Bild: dpa, Google)

Lesezeit: 3 Min.
Vom vernetzten zum autonomen Auto

Die Herangehensweise ist sinnbildlich für das Selbstverständnis der jeweiligen Region: In Michigan, der Wiege der Automobilindustrie, forschen die großen Autokonzerne. Mit harter Arbeit und bedachten Schritten machen sie das Autofahren immer sicherer und langweiliger. Im Silicon Valley wollen geniale Entwickler von der Pike auf ein fahrendes Sitzmöbel entwickeln, in dem der Mensch nichts mehr zu tun hat.

Vertreter beider Denkrichtungen sprechen der jeweils anderen auch schon einmal die Aussicht auf Erfolg ab. Das IT-Lager meint, dass es die Autokonzerne nie schaffen würden. Zu besitzstandswahrend, zu langsam, zu wenig originell seien deren traditionelle Methoden. Umgekehrt wird in Michigan die Meinung vertreten, dass Googles Projekt auf zu schwachem Fundament stünde. Es sei zwar schon weit gediehen, doch die harte Arbeit komme erst.

Was auf einigen Straßen im sonnigen Kalifornien gut funktioniere, sei in Schneewehen oder Monsunregen schnell überfordert. Vor allem aber seien weder Menschen noch Infrastruktur so weit. Sie müssten, genau wie die technische Entwicklung, schrittweise in die Zeit der fahrerlosen KFZ gebracht werden.

Die ideologischen Positionen haben einen handfesten wirtschaftlichen Hintergrund: Google wäre ein Quereinsteiger auf dem Automarkt. Der Internet-Konzern hat nichts zu verlieren. Erst einmal mit einfachen Fahrzeugen langsam Marktanteile zu ergattern wäre für Google sinnlos. Sollte der große Wurf nicht gelingen, hatten immerhin einige Googler Spaß bei der Sache.

Die Autokonzerne hingegen haben Marktanteile und Kundenbeziehungen, die sie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen möchten. Dem stolzen Autofahrer zu sagen, dass er eigentlich nicht mehr gebraucht wird, wäre riskant. Die Firmen tragen zudem die Verantwortung für tausende Mitarbeiter und können, anders als Google, nicht auf alternative Einnahmequellen zurückgreifen. Das klassische Autogeschäft aufzugeben und alles auf eine Karte zu setzen kommt für diese Konzerne also nicht so bald in Frage.

In der Rose Bowl 1972 besiegte Stanford Michigan 13:12.

(Bild: gemeinfrei)

Doch es gibt auch einen Mittelweg: Zulieferer sind gerne bereit, ihre Technik beiden Seiten anzubieten. "Die sehr unterschiedlichen Strategie sind beide nicht falsch", meinte etwa Kay Stepper von Bosch im Gespräch mit heise online, "Der Schritt zur Hochautomation kann Sinn machen. Bis auf Weiteres aber nur für genau definierte Szenarien. Denn nur für diesen bestimmten Bereich kann man dann auch verifizieren und validieren."

"Man muss natürlich auch die Kunden haben, die diesen Schritt mitgehen und das Vertrauen aufbringen", sagte Stepper beim Automated Vehicles Symposium in Ann Arbor, Michigan. Der Großteil von Steppers Kunden geht auch den klassischen Weg: Stück für Stück werden neue Funktionen eingeführt, Schritt für Schritt wird das Vertrauen der Verbraucher gewonnen.

"Viele unserer Kunden haben globale (Fahrzeug)Plattformen. Diese müssen in einer Vielzahl von Verkehrssituationen funktionieren", fügte Stepper hinzu. Was er nicht ausspricht: Google beweist sich derzeit in der geordneten Welt Kaliforniens. Das globale Verkehrswesen ist aber sehr vielfältig und wartet mit Herausforderungen auf, die sich nicht auf klimatische Faktoren beschränken. Es soll es Regionen geben, in denen Verkehrsregeln recht individuell interpretiert werden. Und mancherorts muss man sich seinen Weg bahnen, wobei Beulen und Kratzer alltäglich sind. Ein brav defensives Computermobil käme womöglich kaum vom Fleck und würde dann nur wenige Käufer finden.

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(ds)