Spyware: Bundestag streitet über Pegasus bei BKA und BND

Die Linke will den Einsatz von Spyware bei Bundesbehörden sofort stoppen. "Wir müssen ran", heißt es auch bei den Grünen, doch die SPD hat Bedenken.

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(Bild: T. Schneider/Shutterstock.com)

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Die Ampel-Koalition muss ihren Kurs in der Sicherheitspolitik im Detail noch festlegen. Dies zeigte sich am Freitag bei einer kontroversen Debatte im Bundestag zur 1. Lesung eines Antrags der Linksfraktion, den Einsatz von Spähsoftware durch Bundesbehörden stoppen will. "Sie tragen Eulen nach Athen", ließ Konstantin von Notz, Fraktionsvize der Grünen, die Linke wissen. Auch der FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin sprach von einem "wichtigen Thema". Aus der SPD-Fraktion waren dagegen unterschiedliche Ansichten zu hören.

Die Linke fordert die Bundesregierung auf, den Kauf von Spyware umgehend einzustellen und den Einsatz bereits erworbener Überwachungsprogramme bei den Geheimdiensten und Behörden des Bundes zu untersagen. Die Bundesregierung soll einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem die Befugnisse der Sicherheitsbehörden zum Einsatz von Staatstrojanern aufgehoben werden.

Der Einsatz von Überwachungssoftware, mit der verschlüsselte Kommunikation ausgeleitet oder auf Datenträger zugegriffen werden kann, sei "von zahlreichen Skandalen überschattet", argumentiert die Linke. So könnten Anwendungen wie Pegasus oder FinFisher mehr, als vom Gesetzgeber zugelassen wird, oder sie leiteten Daten über Server im Ausland. Die Softwarehersteller arbeiteten auch mit autoritären Regimen zusammen. Zudem nutzten die Spähprogramme Schwachstellen in Systemen aus, die auch durch andere Akteure missbraucht werden könnten.

Das Bundeskriminalamt (BKA) und der Bundesnachrichtendienst (BND) hätten sich Pegasus beschafft, gab die Abgeordnete Martina Renner (Linke) zu bedenken. Das Bundesamt für Verfassungsschutz nutze wohl den "Pegasus-Zwilling Candiru". Es sei zweifelhaft, ob trotz offenbar vorgenommener Anpassungen der "unantastbare Kernbereich der Privatsphäre" geschützt werde. Die Befugnisse müssten daher fallen: "Spähsoftware anzukaufen, widerspricht dem Rechtsstaat."

"Seit über zehn Jahren thematisieren wir die hochproblematische Zusammenarbeit" deutscher Sicherheitsbehörden mit FinFisher, Trovicor & Co., erwiderte von Notz. Auch vor höchsten Gerichten kämpften die Grünen gegen den Export solcher Software, die oft in Despotenhände gehe und zu massiven Menschenrechtsverletzungen in zahlreichen Ländern beigetragen habe. Damit müsse endlich Schluss sein: "Wir brauchen auch hier mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit."

Deutsche Ermittler wendeten solche Programme mit Hinweis auf bestehende Rechtsunsicherheiten praktisch nicht an, führte von Notz aus. Solche Trojaner hielten "nicht ansatzweise, was sie versprechen, gefährden aber Grund- und Menschenrechte massiv". Die Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben sei daher lange überfällig. "Wir müssen ran", betonte von Notz. Laut dem Koalitionsvertrag solle es etwa ein Schwachstellenmanagement geben. Die Koalition wolle zudem die Exportbestimmungen weiter verschärfen und prüfen, ob der Pegasus-Hersteller NSO Group & Co. auf Sanktionslisten müssten

Die Ampel habe einen Paradigmenwechsel im Umgang mit der Sicherheitspolitik vereinbart, der die Bürgerrechte gleichwertig gegenübergestellt würden, betonte Manuel Höferlin (FDP) Mit der geplanten Überwachungsgesamtrechnung wolle die Koalition "weg von Einzelbeispielen" und den "gesamten Rattenschwanz dahinter erfassen", der die Bürgerrechte schleife. CDU und CSU hätten nun nicht länger die Chance, die Freiheit scheibchenweise zu nehmen, "damit es die Menschen nicht mitbekommen". Der Linken beschied Höferlin: "Wir haben einen besseren Plan, mit Freiheitsrechten umzugehen."

"Einiges Richtiges" machte Carmen Wegge von den Jusos in dem Antrag aus. Pegasus sei in seiner ursprünglichen Form nicht mit den Befugnissen der Sicherheitsbehörden hierzulande vereinbar und komme daher auch "nicht auf diese Art zum Einsatz". Es sei falsch, Sicherheitslücken offenzuhalten, sodass die Ampel diese konsequent schließen werde. Die Koalition wolle auch die Hürden für Einsatz von Überwachungssoftware erhöhen. Dazu komme ein "dauerhaftes Monitoring im Bereich Sicherheitsgesetze".

Der SPD-Innenpolitiker Uli Grötsch konnte die Aufregung dagegen "nicht so recht nachvollziehen". Die hiesigen Sicherheitsbehörden hielten sich an Vorgaben der Gerichte und des Gesetzgebers, er habe hier "größtes Vertrauen" in deren Handeln. Das BKA setze Pegasus auch nur in ganz wenigen Bereichen zur Terrorismusabwehr und zum Kampf gegen organisierte Kriminalität ein. Im Koalitionsvertrag sei ferner klipp und klar geregelt, keine Überwachungssysteme an autoritäre Regime weiterzugeben.

Die Ampel wolle die Befugnisse für Staatstrojaner generell den strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung anpassen, meinte Grötsch. "Wir wollen, dass unsere Sicherheitsbehörden auf der Höhe der Zeit sind", unterstrich er zugleich. Es dürfe nicht darum gehen, sie "handlungsunfähig und blind" zu machen. Auch bei "Cyberfähigkeiten" müssten sie mit Kräften aus dem Ausland "auf Augenhöhe" sein.

Angesichts der Reden vor allem von Grünen und Liberalen wuchs in Alexander Hoffmann (CSU) die Sorge, dass die Ampel bereit sei, "die Sicherheit zu opfern zugunsten von Ideologie und Ihrem Begriff von Freiheit". Viel auf die Schiene gesetzt habe die "Ankündigungskoalition" aber noch nicht. Den Unterschied zwischen der CDU/CSU-Fraktion und dem Rest des Parlaments erklärte er so: Nur die Konservativen seien bereit, "für maximale Sicherheit" einzutreten und "bis an die Grenze des nach dem Grundgesetz Möglichen zu gehen".

Man könne nicht in Sonntagsreden die Bekämpfung rechtsextremer Netzwerke fordern und bei den erforderlichen Maßnahmen dann "die Axt anlegen", konstatierte auch Marc Henrichmann (CDU). Sicherheitslücken müssten gemeldet und gestopft werden, ging Eugen Schmidt (AfD) zumindest in einem Punkt mit der Ampel und der Linken konform. Er forderte aber: "Diese Regierung sollte überhaupt keine Überwachungsprogramme nutzen dürfen", da sie nicht vertrauenswürdig sei.

(vbr)