TKG-Novelle: Bundestag beschließt "schnelles" Internet für alle

Nach langem Streit hat der Bundestag ein umfangreiches Regelpaket für die Telekommunikationsbranche verabschiedet. Den Glasfaserausbau will er beschleunigen.

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(Bild: Quardia/Shutterstock.com)

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Mit den Stimmen der Großen Koalition hat der Bundestag am Donnerstag die monatelang umkämpfte Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG) beschlossen. Die gesamte Opposition war dagegen. Sie konnte mit insgesamt fünf Anträgen, von denen drei von den Grünen stammten, aber nicht punkten. Die Abgeordneten wollen mit der Initiative vor allem für Unternehmen mehr Anreize für einen zügigen und flächendeckenden Glasfaserausbau setzen und den EU-Kodex für die elektronische Kommunikation mit deutlicher Verspätung in nationales Recht umsetzen.

Ein Kernpunkt des neuen, mehrere hundert Seiten langen "Telekommunikationsmodernisierungsgesetzes" ist ein Rechtsanspruch auf schnelles Internet. CDU/CSU und SPD wollen damit ein Versprechen aus ihrem Koalitionsvertrag einlösen. Sie haben bei dieser Universaldienstvorgabe gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung nachjustiert: Die Bundesnetzagentur soll beim Festlegen der entsprechenden Anforderungen nicht nur die von mindestens 80 Prozent der Verbraucher im Bundesgebiet genutzte Mindestbandbreite heranziehen, sondern auch die Uploadrate und Latenz.

Die Regierungsfraktionen konkretisieren zudem, dass unter den Universaldienst reguläre Homeoffice-Anwendungen "einschließlich Verschlüsselungsverfahren" wie Virtual Private Networks (VPN) im üblichen Umfang sowie Anrufe und Videocalls und die Nutzungsmöglichkeit sozialer Medien fallen. Sie gehen davon aus, dass diese Leistung zunächst "durch ein 30-MBit-Produkt erreicht wird". Laut dem aktuellen Breitbandatlas werden auf dem Land 93 Prozent der Haushalte mit Bandbreiten um die 16 MBit/s bedient. Die in einer Rechtsverordnung vorzugebenden Qualitätsstandards sollen in einem festen Turnus überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

In den Topf, aus dem der Internetanschluss für alle bezahlt wird, müssen neben klassischen Telefonfirmen und Internetprovidern auch "nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste" in Form etwa von Messenger-Diensten wie WhatsApp, Facebook, Signal und Threema einzahlen. Dafür hatte sich der Bundesrat starkgemacht. Die Höhe der jeweiligen Abgabe soll sich an der Anzahl der aktiven Nutzer in Deutschland bemessen.

Um den Glasfaserausbau zu beschleunigen, soll eine mindertiefe Verlegung von Leitungen etwa per Trenching keinen gesonderten Antrag mehr benötigen. Die Wahl dieses Ansatzes ist den Behörden aber ausdrücklich zusammen mit technischen und baulichen Merkmalen wie der Verlegetiefe und dem geplanten Trassenverlauf mitzuteilen.

Die seit 40 Jahren bestehende Möglichkeit für Vermieter, die Kosten für TV-Kabelgebühren auf den Mieter umzulegen, soll Mitte 2024 wegfallen. Als Ersatz kommt ein auf Hochgeschwindigkeitszugänge ausgerichtetes, gedeckeltes Nebenkostenprivileg: Wenn ein Vermieter einen Provider mit dem Ausbau der Gebäudeinfrastrukturen mit Glasfaser beauftragt, kann er die entstehenden Kosten auf die Nebenkostenabrechnung umlegen. Der Betrag darf dabei monatlich fünf Euro nicht überschreiten und ist in der Regel auf fünf Jahre begrenzt.

Beim Verbraucherschutz hatte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) lange darauf gedrängt, dass lange Knebelverträge fürs Festnetz, Internet und den Mobilfunk der Vergangenheit angehören. Die Regierungsfraktionen wollten Anbieter nun aber doch nicht dazu verpflichten, zu einem Vertrag mit einer Laufzeit von bis zu 24 Monaten zugleich einen über höchstens ein Jahr mit einem bis zu 25 Prozent höheren Monatspreis vorzulegen. Die rechtlichen Vereinbarungen werden nach Ablauf der anfänglichen Laufzeit aber monatlich kündbar. Zudem hat die Koalition das Minderungsrecht gestärkt, wenn Provider nicht die versprochene Leistung zur Verfügung stellen.

Das Parlament gibt zudem erstmals im TKG ein Mobilfunkausbauziel vor. Vorgesehen sind mindestens LTE für alle durchgehend und unterbrechungsfrei an allen Bundes-, Land- und Kreisstraßen sowie an allen Schienenstrecken "möglichst bis 2026". Lokales Roaming oder die gemeinsame Nutzung von passiven oder aktiven Infrastrukturen für Funkfrequenzen sollen dort zum Einsatz kommen, "wo ein äußerst lückenhafter oder gar kein Zugang zu Netzen und Diensten zu verzeichnen ist". Die Bundesnetzagentur kann Betreiber auch dazu verpflichten.

Die im TKG enthaltenen Überwachungsauflagen haben die Volksvertreter erweitert und dabei Teile von "Seehofers Liste" übernommen. So müssen Mobilfunknetzbetreiber künftig etwa gewährleisten, dass Sicherheitsbehörden IMSI-Catcher zum Orten und Abhören auch in künftigen Netzen wie 5G einsetzen können. Die Netzbetreiber haben dabei sicherzustellen, dass der Einsatz der Geräte dem Endnutzer nicht bekannt wird.

Mobilfunker müssen ferner "eine unverschlüsselte Überwachungskopie in ihren Roaming-Verträgen in der EU" vorsehen. Eine von Endnutzern selbst aufgebrachte Verschlüsselung soll von dieser Pflicht unberührt bleiben. Anbieter von Messenger-Diensten müssen zudem künftig Neben der Kennung sowie Name und Anschrift des Nutzers auch das Geburtsdatum und Daten zur Vergabe der Kennung beziehungsweise des Vertragsbeginns vorhalten, falls sie diese Informationen erheben.

Eingefügt hat der Bundestag die neuen Vorschriften zur Bestandsdatenauskunft, die eine Pflicht zur Passwortherausgabe bei bestimmten, besonders schweren Straftaten einschließen. Nach wie vor enthalten sind die Vorschriften zur mehrwöchigen Vorratsdatenspeicherung, die aufgrund von Entscheidungen von Verwaltungsgerichten derzeit ausgesetzt sind.

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Die Opposition ging mit dem Entwurf und dem Verfahren scharf zu Gericht. Die Grüne Tabea Rößner sah "alle Hoffnung auf eine moderne Umsetzung des TK-Kodexes" enttäuscht. Die Koalition habe zwei Jahre mit Streitereien verplempert, den Abgeordneten dann vorgestern umfangreiche Änderungen vor die Füße geknallt. Inhaltlich stellten diese teils einen Rückschritt dar, etwa bei den Vertragslaufzeiten. Einjahresverträge werde die Branche nur als Alibi und unattraktiv anbieten. Die Grünen hätten zudem einen pauschalierten Schadensanspruch von fünf Euro pro Tag statt unklaren Minderungsansprüchen sowie jährlich festgelegte Mindestbandbreiten gefordert, "die immer und überall zur Verfügung stehen".

Der kurzfristig vorgelegte Änderungsantrag über 450 Seiten stelle eine "Missachtung des parlamentarischen Prozesses" dar, monierte Reinhard Houben (FDP). Die Liberalen begrüßten zwar die Glasfaserumlage, aber 20 Milliarden Euro Ausbauförderung bis 2025 und eine unklare Definition von weißen und grauen Flecken stellten die Weichen "hin zur Staatswirtschaft".

"Die Realität beim Breitbandausbau bleibt eine Schnecke", meinte Anke Domscheit-Berg. Dies habe für viele in der Pandemie schlimme Folgen, die etwa an instabilen Videokonferenzen verzweifelten. Leider bringe der Entwurf nur einen "Rechtsanspruch auf ein lahmes Internet". Nur die Homeoffice-Fähigkeit solle nicht mehr als Luxus gelten. Die Linke habe 100 MBit/s im Download als Minimum Gigabitanschluss bis 2030 gefordert. Dazu kämen etwa eine "immer noch verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung" und zu enge Vorgaben für lokales Roaming.

Mit dem Glasfaserkurs fühlte sich Jörn König (AfD) an DDR-Staatschef Erich Honecker erinnert, der mit einer einzigen Chip-Technologie den Durchbruch habe schaffen wollen. Er plädierte für "Technologiefreiheit". Der Breitbandausbau bleibe ohne "definierte Ausfallsicherheit" ein Armutszeugnis, während sich alle hier weiter überlegen müssten, "ob wir uns einem chinesischen Staatskonzern Huawei ausliefern wollen".

"Wir verglasfasern das Land", erklärte Falko Mohrs (SPD). Dies reiche bis in die Wohnungen hinein und sei verbunden mit (Open Access). Auch beim Verbraucherschutz setze die Koalition Maßstäbe: Die "ärgerliche Endlosschleife von Vertragsverlängerungen" gehöre der Vergangenheit an. Zudem habe die SPD die "feuchten Träume mancher Sicherheitsbehörden zurückgewiesen". Wer nach 20 Jahren Funklöchern auf dem Lande noch vom Markt rede, "der träumt", betonte Ulrich Lange (CSU): Der Universaldienst gewährleiste einen Grundversorgungsanspruch und sorge dafür, dass die Schere zwischen Stadt und Land nicht weiter aufgehe. Der Rahmen sei insgesamt durchaus ambitioniert.

(olb)