Telemediziner fordern funktionierende Infrastruktur für Informationsaustausch

In Zeiten von steigendem Ärztemangel, gerade im ländlichen Raum, stellt Telemedizin für Patienten eine hilfreiche Ergänzung dar – trotz erschwerter Bedingungen.

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Diskussionsteilnehmer des Telemedizinkongresses

Von links nach rechts: Rainer Beckers, Geschäftsführer der ZTG GmbH; Dr. Jan Hensmann, Referatsleiter Grundsatzfragen der Gematik, Telematikinfrastruktur und eHealth im BMG; Thomas Ballast, stellvertretender TK-Chef; virtuell: Dr. Eimo Martens vom telemedizinischen Zentrum am Klinikum rechts der Isar der TU München und Frank Hennemann, Head of Patient Relations bei NELA, und selbst betroffen.

(Bild: ZTG GmbH)

Lesezeit: 7 Min.
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In den nächsten Jahren werden immer mehr Ärzte in der Versorgung fehlen. Telemedizin, deren Anfänge 20 Jahre zurückliegen, soll helfen, vor allem im ländlichen Raum. Dabei gebe es schon Fortschritte, sagte Gernot Marx, Vorsitzender der Gesellschaft für Telemedizin auf dem 14. Telemedizinkongress, auf dem auch ein Zuschauerpreis verliehen wurde. Auf nationaler Ebene habe beispielsweise die Teleintensivmedizin einen Schub erhalten, über viele Jahre hinweg sei auch das Fernbehandlungsverbot beseitigt worden, was Videosprechstunden möglich machte.

Die Krankenhausreform könne nur mit Telemedizin gelingen, ist sich die Gesellschaft für Telemedizin einig. Über Telemonitoring lässt sich frühzeitig erkennen, wenn sich der Zustand eines Patienten verschlechtert. Speziell bei der Herzinsuffizienz gibt es bereits telemedizinische Möglichkeiten, die teils auch von den Krankenkassen übernommen werden. Meist seien die Regelungen, die Projekte in die Regelversorgung zu überführen, jedoch sehr komplex, monierte Marx. Dabei kann die Telemedizin vor allem chronisch Kranken oder Personen, die eine Operation hinter sich haben, viel Sicherheit geben. Telemediziner oder Hybridärzte, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach sie nennt, sollen Hausärzte dabei nicht ersetzen.

"Ganz entscheidend für eine gelungene Integration des Telemonitorings sind leistungsfähige Telemedizinzentren (TMZ), die in relevanten Größenordnungen Daten sammeln und auswerten können", auch mithilfe von KI, lautet eine weitere Forderung der DGTelmed. Im Zuge der Krankenhausreform muss zwar künftig nicht jede Klinik alle Leistungen anbieten können, allerdings sollten Fachexperten über digitale Medien – Telekonsile und Televisiten – zur Verfügung stehen. Dafür brauche es eine "funktionierende technische Infrastruktur". Mit Start der breiten Nutzung des E-Rezepts hagelte es immer wieder Kritik – etwa aufgrund von Störungen der Dienste der Telematikinfrastruktur, das zum sicheren Datenaustausch gedacht ist.

"Gut strukturierte" und sichere Kommunikationswege seien wichtig, um die Kommunikation zwischen anderen Fachärzten und Hausärzten, aber auch mit den Patienten zu ermöglichen. Daher fordert die DGTelmed "den Aufbau professioneller Strukturen, um das Telemonitoring in wirtschaftlichere und qualitätsorientierte Größenordnungen zu bringen". Ebenso wichtig seien auch "gemeinsam geführte" elektronische Fallakten, damit nicht etwa gefaxt werden muss. Die elektronische Patientenakte für alle wird ab Januar noch nicht so weit sein. Dennoch hoffen vor allem die auf dem Kongress anwesenden Telemediziner auf eine baldige Möglichkeit, Patientendaten austauschen zu können.

Hilfreich sei nach Sicht der DGTelmed eine "qualifizierte und herstellerunabhängige Beratung, gestützt durch einen transparenten Kriterienrahmen und ein fachlich fundiertes Bewertungsportfolio". Außerdem müssten die Systeme interoperabel sein und beispielsweise einen Datenaustausch zwischen Ärzten aus Krankenhäusern und Hausärzten ermöglichen. Sowohl der KIM-Dienst für die Kommunikation im Medizinwesen und der TI-Messenger TIM sind dafür aktuell nicht gerüstet. Zudem weist der KIM-Dienst nach Sicht vieler Nutzer Hürden auf und sei noch nicht da, wo er sein sollte.

In der Digitalisierung des Gesundheitswesens sieht die DGTelmed "viel Potenzial zur Verbesserung der Versorgung" und will dabei helfen, die Digitalstruktur zu verbessern. Allerdings widersprächen die "unterschiedlichen Rollen der Digitalagentur Gesundheit als Aufsichtsbehörde und gleichzeitig als Marktteilnehmerin [...] guter Governance", was bereits von anderen Seiten kritisiert wurde. Stattdessen spricht sich die Gesellschaft für Vertrauensbildung und Motivation aus. Eimo Martens, der ein telemedizinisches Zentrum am Klinikum rechts der Isar der TU München leitet, betont dabei auch, dass Hausärzte weiterhin wichtig für Patienten seien, ebenso wie der Austausch zwischen Hybrid- und Hausärzten.

Der stellvertretende Chef der Techniker Krankenkasse, Thomas Ballast, zeigte sich auf dem Telemedizinkongress zufrieden mit den bisher erreichten Fortschritten bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Nach einer langen Zeit "der zumindest gefühlten Stabilisation stehen wir jetzt vor wirklich verfügbaren und immer besser werdenden technischen Lösungen", der für den Austausch von Gesundheitsdaten gedachten Telematikinfrastruktur. Gerade für den ländlichen Raum sei das für die Versorgung wichtig. Bei der Techniker und weiteren Krankenkassen laufen derzeit verschiedene Pilotprojekte zur telemedizinischen Versorgung. Demnach habe jetzt auch die TK ein Projekt gestartet, bei dem Pflegekräfte mit einem Telemedizin-Rucksack Patienten im ländlichen Raum besuchen – bei Bedarf wird ein Arzt zugeschaltet. So kann beispielsweise die Wundversorgung überwacht werden.

Zum Teil seien die Systeme, etwa mit Konnektoren zum Anschluss an die Telematikinfrastruktur, zwar noch veraltet, sagte der stellvertretende Chef der Techniker, Thomas Ballast. Doch das soll sich bald ändern – man habe bereits den KIM-Dienst (Kommunikation im Medizinwesen) und den TI-Messenger TIM als einheitliche Kommunikationsstandards. Der potenzielle Game-Changer sei laut Ballast die "elektronische Patientenakte für alle", die alle gesetzlich Versicherten am 16. Januar automatisch erhalten sollen. Die TK rechne dabei mit 20 bis 30 Prozent Widersprüchen, die meisten Menschen würden sich wahrscheinlich nicht entscheiden, so Ballast. Er hofft, dass es der TK schnell gelinge, die ePA mit Abrechnungsdaten zu befüllen, denn größtenteils handelt es sich bei selbiger um einen leeren Aktenordner. Wer aktuell mit der ePA in die Praxis geht, ist aktuell ein Sonderfall.

Ballast ging auch auf das bei der TK laufende Innovationsfonds Projekt "Semcon" ein, mit dem die TK herausfinden will, wie sich die Routinedaten der Krankenkassen nutzen lassen, um den Bedarf der Patienten zu ermitteln. Die privaten Krankenversicherungen wollen sich einklinken, sobald sie einen Mehrwert für die Versorgung sehen. Hilfreich bei den Digitalisierungsvorhaben sei nach Sicht von Ballast auch der Ausbau der Gematik zur "Digitalagentur Gesundheit". Seit gestern wisse man auch, dass Florian Fuhrmann neuer Gematik-Chef werden soll – er ist Chef der kv.digital, einem Tochterunternehmen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Darüber hinaus monierte Ballast, dass der Datenschutz die Nutzerfreundlichkeit verhindere. "In Deutschland [haben] wir diese spezielle Liebe zum Datenschutz und zur Datensicherheit, die ja zum Beispiel dazu führt, dass wir [...] ein höheres Sicherheitsniveau als andere Länder haben." Dabei plädierte er dafür, sich für "ein besseres Verhältnis zum Datenschutz und Datensicherheit" einzusetzen. "Es wird nie ein 100-prozentige Sicherheit geben", so Ballast.

Das E-Rezept ist bereits in der Bevölkerung angekommen, erinnerte Jan Hensmann, Referatsleiter Grundsatzfragen der Gematik, Telematikinfrastruktur und eHealth im Bundesministerium für Gesundheit. Derzeit finde bereits ein kultureller Wandel statt. Bei der digitalen Transformation müssen sich die Beteiligten Hensmann zufolge auf etwas Neues einlassen. Bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens spiele auch die Interoperabilität eine wichtige Rolle. Die "technische Machbarkeit" selbiger sei regelmäßig Thema, betonte Hensmann. Die "digitale Versorgung" solle daher auch Teil der medizinischen Ausbildung werden.

(mack)