Transparency International droht Siemens mit Ausschluss

Sollten sich die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe zu schwarzen Kassen bestätigen, stehe dies im "eklatanten Widerspruch" zur Philosophie der Organisation, die gegen korrupte Strukturen in der Wirtschaft und im Staatswesen kämpft.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Der deutsche Ableger von Transparency International (TI) hat Siemens wegen der Schmiergeld-Affäre, die inzwischen auch die US-Börsenaufsicht auf den Plan gerufen hat, eine Frist bis Mitte Dezember gesetzt. Bis dahin müsse der Vorstand des Elektrokonzerns verbindlich erklären, welche Konsequenzen aus dem internationalen Korruptionsskandal gezogen werden, zitiert die Welt den stellvertretenden Vorsitzenden der Korruptionswächter, Peter von Blomberg. Falle die Erklärung nicht zur Zufriedenheit von Transparency aus, strebe der Verein den Ausschluss von Siemens an. Siemens ist wie weitere Dax-Unternehmen Mitglied von TI in Deutschland, allerdings ruht die Mitgliedschaft seit zwei Jahren.

Für Transparency gehe es um das Ansehen in der Öffentlichkeit, sagte von Blomberg der Welt. "Wir sitzen gewissermaßen gemeinsam auf dem Grill." Sollten über schwarze Kassen von Siemens im Ausland tatsächlich mindestens 200 Millionen Euro veruntreut worden sein, wie von der Staatsanwaltschaft vermutet, stehe dies im "eklatanten Widerspruch" zur Philosophie der Organisation, die gegen korrupte Strukturen in der Wirtschaft und im Staatswesen kämpft. "Transparency darf nicht in diesen Zusammenhang gebracht werden", betonte von Blomberg.

Die Münchner Staatsanwaltschaft bestätigte unterdessen am heutigen Mittwoch, dass sich ein Beschuldigter in der Schmiergeld-Affäre bei Siemens freiwillig gestellt hat. Er habe sich in der vergangenen Woche zu den Vorwürfen geäußert, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Die Haftbefehle gegen ihn sowie einen weiteren Beschuldigten seien außer Vollzug gesetzt worden. Damit seien nun noch fünf Beschuldigte in Haft. Die Auswertung sichergestellter Unterlagen durch die elfköpfige Sonderkommission "Netzwerk" beim Landeskriminalamt dauere noch an.

Der Siemens-Aufsichtsrat kündigte an, sich mit dem Verhaltensregelwerk des Unternehmens auseinandersetzen zu wollen. Das Kontrollgremium werde die internen Verhaltensregeln prüfen, sagte Aufsichtsratsvorsitzender Heinrich von Pierer, von 1992 bis 2005 selbst Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, dem Berliner Tagesspiegel. Derzeit sei es für das Unternehmen aber schwierig, wegen der Vorwürfe schwarzer Kassen eigene Untersuchungen anzustellen, da die Staatsanwaltschaft die Akten beschlagnahmt habe und die Beschuldigten in Untersuchungshaft seien.

Nicht mehr in Haft ist der langjährige Siemens-Mitarbeiter Reinhard S., der laut Süddeutscher Zeitung inzwischen als eine Art Kronzeuge der Staatsanwaltschaft auftritt. Seinen Angaben zufolge kam nicht nur der Auftrag zur Einrichtung von Schwarzgeldkonten aus dem Siemens-Management – die eigentlich für Sauberkeit zuständige Compliance-Abteilung des Unternehmens soll sogar eigene Vorschläge unterbreitet haben, wie sich das Schwarzgeldsystem verbessern lasse. Als Folge seien weltweit Tarnfirmen gegründet worden, auf denen geheime Konten angelegt wurden, schreibt die Süddeutsche.

Dem 56-Jährigen sei eigenen Angaben zufolge von Unternehmensseite unvermissverständlich klar gemacht worden, dass man alles auf ihn schieben werde, sollte das System der schwarzen Kassen auffliegen. Gesagt worden sei ihm dies ausgerechnet von jenem Bereichsleiter, in dessen Auftrag er jahrelang unterwegs gewesen sei. Bei der Person handelt es sich offenbar um den früheren Com-Bereichsvorstand Michael Kutschenreuther, der heute Chef der Immobiliensparte Siemens Real Estate ist. Kutschenreuther, der auch Vizepräsident der IHK München ist, gehört zu den insgesamt 12 Personen, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt.

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