Kartellrecht: Gegen diese Vorwürfe muss sich Google jetzt verteidigen

Seite 2: Worüber nicht mehr verhandelt wird

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Schon vor Beginn der Gerichtssaalphase mussten die Kläger einige Rückschläge hinnehmen: Die Kläger wollten zeigen, dass die verschiedenen Maßnahmen Googles zusammengenommen dem Wettbewerb schaden. Doch Google konnte das Gericht davon überzeugen, dass im Verfahren nur Aktionen Google berücksichtigt werden dürfen, die jeweils für sich allein schon so schwer wiegen, dass sie dem Wettbewerb schaden. Kleine Maßnahmen, die zwar in der Zusammenschau dem Wettbewerb schaden, aber nicht jeweils für sich allein, sind damit kein Argument für die Kläger mehr. Das leitet das Gericht aus dem berühmten Wettbewerbsprozess gegen Microsoft aus den Jahren 1998-2002 ab, bei dem Microsoft wegen des Aussperrens fremder Browser und fremder Mediaplayer aus dem Windows-Betriebssystem belangt wurde. Dieser Prozesse endete mit einem Vergleich, was auch jetzt bei Google nicht auszuschließen ist.

Ferner hat das Gericht bestimmte Vorwürfe, insbesondere der Klage der Bundesstaaten, abgewiesen. Ein Teil betraf die Behandlung sogenannter Specialized Vertical Providers durch Googles Suchmaschine; gemeint sind hier Unternehmen, die sich auf bestimmte Märkte konzentrieren, darunter große Onlineshops, Online-Reisebüros, Vermittler von Tischreservierungen und so weiter.

In bestimmten, besonders hervorgehobenen Teilen der Suchergebnisseite Googles dürfen diese Firmen nie aufscheinen, auch gegen Geld dürfen sie dort keine Platzierungen buchen. In anderen hervorgehobenen Teilen scheinen sie nur auf, wenn sie Google im Voraus Zugriff auf strukturierte interne Daten gewähren – und zusichern, Google nicht weniger Daten anzubieten, als sie Google-Konkurrenten geben. Dazu kreidete die Staatenklage Google an, diese hervorgehobenen Bereiche auf der Suchergebnisseite schrittweise so ausgedehnt zu haben, dass die eigentlichen Suchergebnisse so weit unten aufscheinen, dass sie nur nach Scrollen zu sehen sind. Weil viele User selten scrollen, zwinge das Unternehmen dazu, noch mehr Werbung von Google zu kaufen, um überhaupt von Kunden gefunden zu werden.

Allerdings haben die klagenden Staaten keine Beweise dazu vorgelegt, wie sich diese Einschränkungen auf den Wettbewerb auswirken. Daher hat das Gericht diesen Teil der Klage schon vor dem Gerichtssaalverfahren abgewiesen. Die Staaten hätten zeigen müssen, dass Googles Maßnahmen nicht bloß schlecht sind für die Präsenz betroffener Firmen auf Googles Suchergebnisseiten, sondern dass diese Maßnahmen dazu führen, dass auch andere Suchmaschinen weniger Interesse haben, mit diesen Firmen zusammenzuarbeiten. Alternativ hätten die Staaten zeigen können, dass die betroffenen Unternehmen darauf verzichtet haben, in den Ausbau ihrer eigenen strukturierten Daten zu investieren, weil Google sie dazu zwingt, diese offenzulegen und Google mindestens den gleichen Zugang zu strukturierten Daten zu geben wie anderen Suchmaschinenbetreibern. Das haben die Kläger aber nicht geschafft.

Ein weiterer abgewiesener Bereich betrifft Android-Endgeräte. Die Android-Verträge verlangen einerseits bestimmte Hard- und Software-Merkmale, die Hersteller einhalten müssen, um Android installieren zu dürfen. Das schränke die Innovation bei Geräten wie Mobiltelefonen, vernetzten Fernsehern, vernetzten Armbanduhren, und Einbauapparaten für Kfz ein. Parallel bürden die Android-Verträge für vernetzte IoT-Geräte (Internet of Things) auf, den Sprachassistenten Google Assistant zu unterstützen und prominent zu platzieren.

Schließlich kreideten die Staaten Google an, immer mehr Leistungsmerkmale nicht länger im Open-Source-Code Androids, sondern im proprietären Code seiner Apps umzusetzen. Das mache andere Programmierer immer abhängiger von Googles App-Store Google Play. Jedoch konnten die Kläger nicht argumentieren, wie diese Vorgänge rund um Android den Wettbewerb bei Suchmaschinenwerbung schädigen. Daher hat das Gericht diese Teile der Klage wegen Themenverfehlung abgewiesen.

Der Prozess ist nicht zu verwechseln mit anderen großen wettbewerbsrechtlichen US-Klagen gegen Google. Ende 2020 haben vor dem US-Bundesbezirksgericht für das östliche Texas zehn US-Staaten in einer Kartellklage in Texas Google zahlloser vorsätzlicher Verstöße gegen Wettbewerbs- und Verbrauchschutzrecht geziehen. Dabei geht es unter anderem um Missbrauch des Werbemonopols samt Insider Trading mit Werbeflächen sowie Bildung einer Art Kartell mit Facebook.

Anfang 2023 haben das US-Justizministerium und acht weitere US-Staaten Google ebenfalls wegen Behinderung des Wettbewerbs bei Online-Werbung verklagt, und zwar vor dem US-Bundesbezirksgericht für das östliche Virginia. Erklärtes Ziel ist, Google zum Verkauf großer Teile seiner Reklamevermittlungsdienste und zur Unterlassung bestimmter Geschäftspraktiken zu zwingen, um die Marktmacht des Datenkonzerns zu reduzieren.

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(ds)