Überwachung: SPD will neue Vorratsdatenspeicherung "ergebnisoffen" prüfen​

Neben dem anlasslosen Protokollieren von IP-Adressen erwägt die SPD-Fraktion Videoüberwachung mit biometrischer Erkennung. Die FDP hält ansatzweise dagegen.​

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Halbes Gesicht einer weißen Frau, darüber gelegt symbolische Rasterung

(Bild: Fractal Pictures/Shutterstock.com)

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Die SPD-Bundestagsfraktion ruft angesichts von Terrorattacken, einem Angriffskrieg in Europa sowie "Desinformationskampagnen und Cyberangriffe aus Russland und China" nach einer Zeitenwende auch bei der inneren Sicherheit. Teil davon sollen "effektive, zeitgemäße und zugleich verhältnismäßige Instrumente" für die Sicherheitsbehörden sein. Dabei bringen die Sozialdemokraten eine Neuauflage der verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung ins Spiel, obwohl die ersten zwei, mit SPD-Beteiligung erfolgten Anläufe in den vergangenen Jahren höchstgerichtlich scheiterten.

"Sowohl bei der Bekämpfung schwerster Kriminalität wie Terrorismus oder sexualisierter Gewalt gegen Kinder als auch zur Bekämpfung strafrechtlich relevanter Hass und Hetze können und dürfen wir uns nicht auf das freiwillige Speicherverhalten privater Telekommunikationsunternehmen verlassen", schreibt die Fraktion in einem Positionspapier zum Stärken der Sicherheit, das sie am Donnerstag auf ihrer Klausurtagung im brandenburgischen Groß Behnitz beschlossen hat. "Wir sollten deshalb ergebnisoffen prüfen, wie eine verhältnismäßige und den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) entsprechende, mithin rechtssichere IP-Adressen-Speicherung möglich ist."

Prinzipiell hat der EuGH wiederholt eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung verworfen. Das allgemeine und unterschiedslose Aufbewahren von IP-Adressen kann neueren Urteilen der Luxemburger Richter zufolge aber "zum Schutz der nationalen Sicherheit, zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit für einen auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum" zulässig sein.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kämpft seit Längerem für eine Speicherung von IP-Adressen und Portnummern auf Vorrat. Sie erhielt für ihre Initiative bisher sowohl Unterstützung als auch Ablehnung aus den Reihen der Sozialdemokraten. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) legte dagegen einen Vorschlag für das Einfrieren von Verkehrsdaten im Verdachtsfall vor. Auch laut anderen Liberalen ist dieses Quick Freeze "rechts-, zielsicher und grundrechtsschonend". Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart: Angesichts gegenwärtiger rechtlicher Unsicherheit und sicherheitspolitischer Herausforderungen "werden wir die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so ausgestalten, dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können". Ein verdachtsunabhängiges Protokollieren von Nutzerspuren wäre damit nicht vereinbar.

"Zur nachträglichen Identifikation von mutmaßlichen Tätern brauchen wir Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten und bei großen Menschenansammlungen wie Volksfesten oder Konzerten", heißt es in dem SPD-Papier weiter. Auch die Unterstützung durch Biometrie, etwa für die Gesichtserkennung, müsse dabei "technisch und rechtlich geprüft werden". Die Bundesregierung will mit ihrem "Sicherheitspaket" für die Ermittlungsbehörden bereits eine "Befugnis zum biometrischen Abgleich von allgemein öffentlich zugänglichen Internetdaten ('Gesichtserkennung')" einführen. Kritiker monieren: Dies stehe im klaren Gegensatz zum Koalitionsvertrag und im Widerspruch zur EU-Verordnung für Künstliche Intelligenz (KI).

Fast zeitgleich hat die FDP-Bundestagsfraktion auf ihrer Herbstklausur in Hamburg ebenfalls eine Agenda für "mehr Sicherheit im öffentlichen Raum" verabschiedet. "Falsch wäre es, auf eine pauschale Ausweitung von Videoüberwachung zu setzen", betonen die Liberalen darin. "Kameras können Straftaten nicht vereiteln, schränken aber die individuelle Freiheit massiv ein." Der Staat dürfe Menschen nicht das Gefühl geben, "sie auf Schritt und Tritt zu überwachen". Allenfalls an Kriminalitätsschwerpunkten könne es sinnvoll sein, Kameras zu installieren.

Für wichtiger hält die FDP eine "stärkere Polizeipräsenz von Fußstreifen in den Innenstädten". Um den Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden zu verbessern, sei zudem eine weitere Föderalismusreform nötig. Dabei sollte auch die Struktur der "vielen Verfassungsschutzämter" überarbeitet werden.

(mki)