Abgasskandal: Sammelklagen ausländischer Diesel-Besitzer erlaubt

Besitzer von betroffenen Diesel-Modellen dürfen ihre Rechte an Dienstleister abtreten, entschied der BGH. Auch zum Restschadenersatz gibt es eine Entscheidung.

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VW-Zeichen

(Bild: Pillau)

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Der Abgasbetrug von Volkswagen ist auch knapp sieben Jahre nach seiner Aufdeckung juristisch nicht gänzlich aufgearbeitet. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte aktuell die Frage zu klären, ob betrogene Besitzer von Dieselfahrzeugen ihre Ansprüche an einen Dienstleister abtreten dürfen. Anders als zuvor die Gerichte in Braunschweig urteilte der BGH im Musterfall eines Schweizer Kunden, dass der Dienstleister Myright alle Voraussetzungen erfüllt, um die Forderungen letztlich über Sammelklagen einzutreiben. Eine besondere Sachkunde im Schweizer Recht müsse die deutsche Financialright GmbH, die hinter Myright steht, dafür nicht nachweisen. Damit können die einzelnen Ansprüche jetzt inhaltlich geprüft werden. (Aktenzeichen VIa ZR 418/21)

Myright wirbt damit, dass auch Kunden ohne Rechtsschutzversicherung kein Kostenrisiko tragen. Im Erfolgsfall wird eine Provision fällig. Laut Volkswagen laufen an deutschen Gerichten mehrere Sammelklagen für insgesamt rund 36.000 Auftraggeber. Darunter sind auch zwei Klagen für mehr als 2000 Schweizer und rund 6000 slowenische Kunden. In der Verhandlung hatte sich die Vorsitzende Richterin Eva Menges überraschend auch zu anderen formalen Hürden geäußert, an denen Sammelklagen deutscher Betroffener bisher vor Gericht gescheitert waren. Sie hatte angedeutet, dass ihr Senat bei Myright auch in diesen Punkten keine Probleme sieht. Bei der Urteilsverkündung kam dieser Aspekt aber nicht mehr zur Sprache. Es bleibt abzuwarten, ob er im ausführlichen schriftlichen Urteil auftaucht, das in den nächsten Wochen veröffentlicht werden dürfte.

Stefan Zimmermann von Myright sprach schon jetzt von einem "Meilenstein für den Verbraucherschutz". Für die Schweiz und Slowenien sei das Geschäftsmodell auf jeden Fall soweit bestätigt, "dass wir mit Volkswagen endlich in die Diskussion kommen können, wie viel Schadenersatz tatsächlich den Kunden zusteht". Was die deutschen Kunden angehe, hänge nun alles am genauen Wortlaut des Urteils. Volkswagen teilte mit, man rechne im konkreten Fall mit einer "Klageabweisung zu einem späteren Zeitpunkt. Denn nach dem auf den Fall anwendbaren Schweizer Recht bestehen die geltend gemachten Ansprüche nicht." Bisher habe kein Schweizer Gericht einer Schadenersatzklage gegen Volkswagen stattgegeben.

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Nicht zu verwechseln sind die Sammelklagen mit der bereits abgeschlossenen Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentralen gegen Volkswagen. Dieses Verfahren hatte mit einem Vergleich geendet, von dem gut 245.000 Diesel-Besitzer profitierten. Auch Zehntausende Einzelkläger bekamen Schadenersatz vom Konzern. Sie alle hatten einen Diesel mit dem Motor EA189 gekauft, der so manipuliert war, dass Abgas-Grenzwerte nur in Behördentests eingehalten wurden.

In einem zweiten Fall äußerten sich die Karlsruher Richterinnen und Richter außerdem zu sogenanntem Restschadenersatz bei Importautos. (Aktenzeichen VIa ZR 680/21) Der kann Betroffenen zustehen, die nicht rechtzeitig auf Schadenersatz geklagt haben. Nach ersten BGH-Urteilen sind die Voraussetzungen dafür allerdings nur bei Neuwagen gegeben, nicht bei gebraucht gekauften Autos. Diesmal ging es um ein aus dem EU-Ausland importiertes, neues Fahrzeug. Die sind oft günstiger, weil sie nicht für den deutschen Markt produziert wurden.

In diesen Fällen entschieden die obersten Zivilrichter, dass Restschadenersatz in Betracht kommen kann. Voraussetzung sei aber, dass weder der Händler in Deutschland noch der Zwischenhändler im Ausland das Auto unabhängig von der Bestellung auf eigene Kosten und eigenes Risiko von Volkswagen gekauft hätten. Das hatte das Stuttgarter Oberlandesgericht im konkreten Fall nicht geprüft. Dies muss nun nachgeholt werden.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
)

(mfz)