re:publica 24: Regulierer hat nur ein Fünftel der Stellen zur Plattformaufsicht

Die Bundesnetzagentur startet mit einem Fünftel des geplanten Teams als Digitalkoordinator. Ein irisches Problem wie bei der DSGVO-Durchsetzung gibt es nicht.

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Abstrakte Darstellung der Deutschlandflagge

(Bild: muhammadtoqeer/Shutterstock.com)

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Seit das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) Mitte Mai in Kraft getreten ist, fungiert die Bundesnetzagentur als zentrale Plattformaufsicht für Deutschland. Eine unabhängige Stelle bei der Regulierungsbehörde, der sogenannte Digital Services Coordinator (DSC), soll demnach überwachen, dass Online-Dienste den Digital Services Act (DSA) der EU einhalten. Der DSC agiert vorläufig aber mit angezogener Handbremse. 99 Stellen seien dafür im DDG als "Erfüllungsaufwand" vorgesehen, erklärte Klaus Müller, Präsident der Netzagentur, am Montag auf der Digitalkonferenz re:publica in Berlin. Entscheidend sei aber, "was im Haushaltsgesetz steht". Und dort seien für 2024 nur 15 Stellen genehmigt worden.

Müller bei der re:publica

(Bild: heise online/Stefan Krempl)

"Fünf Kollegen haben wir intern noch gewonnen und sind damit gerade bei 20", berichtete Müller weiter. "Das Glas ist zu einem Fünftel voll." Mehr Personal sei vor allem nötig, um auch "beratend und unterstützend" etwa für gemeinnützige Plattformen tätig werden zu können. "Wir fechten das mit der Bundesregierung aus", erklärte der frühere Verbraucherschützer und Minister in Schleswig-Holstein. Er räumte auch ein, dass die Leitungsstelle nicht sonderlich hoch im Besoldungssystem eingestuft sei: "Das ist ein Politikum." Trotzdem könne das Ausgangsteam schon mal arbeiten, müsse dabei aber "ziemlich viel gleichzeitig machen". Also etwa ein Netzwerk auch mit Forschern und der Zivilgesellschaft aufbauen, mit der EU zusammenarbeiten und "möglichst viele Grundlagen schaffen", insbesondere für die Landtagswahlen im Herbst und die Bundestagswahl ein Jahr später.

Müller betonte, die Regulierungsbehörde sorge im Konzert mit anderen wichtigen Akteuren dafür, dass die Regeln eingehalten und rechtswidrige Inhalte wie Hass, Hetze und Desinformation oder der Verkauf illegaler Produkte bekämpft werden. Dazu gehören etwa die Landesmedienanstalten, die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BZKJ), die das Verbot zielgerichteter Werbung bei Jugendlichen durchsetzen soll, sowie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz. Für Einzelfälle wie üble Beleidigungen oder einen Verkauf von Elektrogeräten ohne CE-Kennzeichen sei man nicht zuständig, sondern nur, wenn dies "zehn-, hundert-, zehntausendmal vorkommt" und ein systemisches Versagen vorliegen dürfte.

Das vom DDG weitgehend abgelöste Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verfolgte bereits ähnliche Ziele. Das habe nicht so gut geklappt, weil es die meisten Plattformen nicht die Bohne jucke, wenn sie eine Beschwerde oder ein Bußgeld aus Deutschland bekämen, weiß Müller. Ein Mahnbrief auf Brüssel und Sanktionen bis zu sechs Prozent des Umsatzes dürften mehr Durchschlagskraft entfalten. Deswegen sei es so wichtig, sich mit den europäischen Kollegen in einem Ausschuss der nationalen Koordinatoren zu vernetzen.

Die leidvollen Erfahrungen mit dem irischen Durchsetzungswillen bei der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), wo die Data Protection Commission (DPC) als Flaschenhals fungiert, dürften sich Müller zufolge beim DSA nicht wiederholen. Irland hat zwar erneut ein Auge auf die "dicken Fische" wie Google, Meta, Apple, Microsoft, TikTok & Co., da sie ihren europäischen Hauptsitz in Irland haben. Doch prinzipiell hat dieses Mal bei sehr großen Plattformen die EU-Kommission das Sagen. Zudem haben Müller und sein Team die DSC-Kollegen auf der Insel bislang als "total engagierte" Plattform-Regulierer kennengelernt. Es handle sich um Bekannte aus dem Telekommunikationsbereich (TK), die ihre Aufgabe "sehr, sehr ernst nehmen" wollten. Die irische Digitalbehörde habe dafür zudem bereits 100 bis 200 Stellen angekündigt, sodass er "mit Neid" auf sie gucke.

Insgesamt fluppe die Zusammenarbeit im DSC-Ausschuss ziemlich gut, da etwa zwei Drittel der dortigen Mitarbeiter Ex-TK-Regulierer seien, konstatiert der Grüne. In diesem Kreis gelte es nun, individuelle Beschwerden so zu bündeln und aufzubereiten, dass sie gerichtsfest sind. Denn mit weiteren Klagen jenseits etwa von Zalando sei auf jeden Fall zu rechnen. Keine große Plattform werde einfach sagen: "Sorry, wir haben einen Fehler gemacht." Die Kommission habe daher auch bereits Verfahren gegen die Betreiber Meta, TikTok und X eingeleitet und einen "Stresstest" mit Blick auf die Europawahl durchgeführt.

National will Müller ein Portal für Verbraucher aufbauen, damit sie sich nicht durch den Behördendschungel schlagen müssen. Nutzer sollen dann "bei uns eine Beschwerde eingeben" können, die von dort aus "an die richtige Stelle" gelenkt werde. Priorität habe derzeit etwa, den Zugriff von Wissenschaftlern auf öffentliche und interne Daten der Diensteanbieter sicherzustellen. Man werde Workshops anbieten, um die Funktionsweise dieser DSA-Klausel zu erklären. Organisationen, die sich für den Status eines vertrauenswürdigen Hinweisgebers ("trusted flaggers") bewerben, erwarteten zudem, dass sie ernst genommen würden von den zuständigen Behörden. Auch dies werde der DSC im Blick behalten. Das Bundeskriminalamt (BKA), mit dem der hiesige Koordinator für Digitale Dienste ebenfalls kooperiert, bezeichnete Müller als "besonderen Partner", mit dem es auf Basis erster Erfahrungen "gut anläuft".

(mho)