Kalifornien wird fahrerlose Autos genehmigen

Kalifornien wird den Regelbetrieb selbstfahrender und sogar fahrerloser Autos genehmigen – ohne unabhängige Sicherheitstests. Inhaber wären so stark vom Hersteller abhängig, dass ein Kauf kaum in Frage kommt.

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Autos auf der Golden Gate Bridge

Verkehr auf der Golden Gate Bridge in San Francisco

(Bild: CC0)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

36 Unternehmen dürfen derzeit selbstfahrende Kfz auf öffentlichen Straßen in Kalifornien testen. Das hat der kalifornische Verkehrsdirektor Malcolm Dougherty auf dem Automated Vehicles Symposium (AVS 2017) in San Francisco mitgeteilt. Die Genehmigungen basieren auf 2014 erlassenen Regeln und verlangen, dass stets ein geschulter Testpilot aufpasst und gegebenenfalls eingreift. Doch nun wird neben Tests auch Regelbetrieb ermöglicht, und das sogar ganz ohne menschlichen Aufpasser.

Malcom Dougherty auf dem AVS 2017 in San Francisco

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Die neuen Vorschriften sind seit Jahren in Arbeit, die verbindliche Verlautbarung steht laut Dougherty unmittelbar bevor. Laut dem finalen Entwurf ändert sich für die bereits möglichen Testfahrten mit Testpilot wenig. Die jährliche Lizenzgebühr wird deutlich angehoben, dafür müssen Unfälle nur noch dann der Behörde gemeldet werden, wenn es sich um Kollisionen handelt. Und eine neue Bestimmung soll Uber ausbremsen: Testfahrten mit Passagieren müssen gratis sein. Weiterhin keine Genehmigungen gibt es für Anhänger, Motorräder, Autobusse, Gefahrentransporte und Fahrzeuge mit einem Bruttogewicht von mehr als 10.000 Pfund (gut 4,5 Tonnen).

Hinzu kommen Genehmigungen für Testfahrten mit selbstfahrenden Autos, in denen niemand sitzt, der eingreifen könnte. Auch hier dürfen Passagiere nur gratis befördert werden. Vorgeschrieben ist eine dauerhafte Funkverbindung zwischen Testfahrzeug und einer Leitstelle. Diese muss den Betrieb überwachen und mit etwaigen Passagieren sprechen können. Eine Fernsteuerfunktion wird nicht verlangt.

Der Versuchsbetreiber muss schon im Antrag klarstellen, unter welchen Bedingungen, in welcher Umgebung, bei welcher Wetterlage und mit welchem Tempo (zusammen: "Operational Domain") sein fahrerloses Fahrzeug fahren soll. Die Testfahrten müssen mit der jeweiligen lokalen Gebietskörperschaft koordiniert werden, wobei der Betreiber den Blaulichtorganisationen ein Handbuch geben muss.

Daraus muss etwa hervorgehen, wie bei Unfällen sowie Verkehrskontrollen mit dem Fahrzeug und dessen Leitzentrale kommuniziert werden kann, wo im Wagen die vorgeschriebenen Dokumente aufbewahrt sind, wie er abgeschleppt werden kann und wie er seinen Betriebszustand anzeigt. Die Einsatzkräfte möchten doch wissen, ob ein Kfz gerade autonom, teilautonom oder manuell betrieben wird, oder ob es deaktiviert ist. Zudem müssen Hersteller fahrerloser Autos in einem jährlichen Bericht jede Situation offenlegen, in welcher der Autopilot aus Sicherheitsgründen deaktiviert werden musste.

Vom vernetzten zum autonomen Auto

Gänzlich neu sind Genehmigungen für den kommerziellen Betrieb autonomer Autos sowohl mit als auch ohne menschlichen Aufpasser. Jedes Auto muss eine Blackbox haben, die Unfalldaten speichert. Wie bei Testlizenzen auch muss der Hersteller seine Finanzkraft unter Beweis stellen. Schließlich haftet er für alle Fehler, die das Fahrzeug im autonomen Zustand macht, darunter auch Verletzungen der Verkehrsvorschriften.

Das hat aber einen Haken: Geht dem Hersteller das Geld aus oder stellt er sonst den Betrieb ein, zieht die Behörde die Betriebsgenehmigung der Fahrzeuge ein. Daher kommen statt Fahrzeugkauf wohl nur Nutzungen wie Leasing, Miete oder Taxi-artige Inanspruchnahme in Frage.

Auch für den Regelbetrieb muss die Operational Domain definiert werden, in der ein Fahrzeug autonom fahren kann. Unter allen anderen Bedingungen muss der autonome Betrieb verunmöglicht werden. Kunden müssen sich also genau informieren, wann sie wie wo auf welchen Straßen in welcher Weise befördert werden können. Alles andere darf nicht oder – falls vorhanden – nur im manuellen Betriebszustand funktionieren. Schon ein Regenschauer oder Nebel könnten also ein jähes Fahrtende bedeuten.

Außerdem muss der Hersteller zeigen, wie er seine Kunden in der Bedienung des Fahrzeugs unterrichten wird. Die Sammlung nicht betriebsnotwendiger Daten ist gegenüber Fahrzeuginsassen offenzulegen, sofern die Daten nicht anonymisiert werden. Wie im Testbetrieb müssen fahrerlose Autos auch im Regelbetrieb dauernd Funkkontakt zu einer Leitzentrale halten.

Darüber hinaus muss der Hersteller versprechen, notwendige Softwareupdates zumindest jährlich oder bei Änderung der Verkehrsvorschriften bereitzustellen. Gleichzeitig muss er eine zeitnahe Aktualisierung des Kartenmaterials in Aussicht stellen. Der Inhaber darf sein Vehikel nur in Betrieb nehmen, wenn er alle Updates eingespielt hat.

Erstaunlicherweise sieht Kalifornien davon ab, unabhängige Sicherheitstests vorzuschreiben. "Das war ursprünglich geplant", erläuterte der kalifornische Jurist James McPherson von der Beratungsfirma SafeSelfDriving gegenüber heise online, "Aber Kalifornien hat es als zu schwierig befunden und fallengelassen. Sie wollen nicht überprüfen, ob das selbstfahrende Auto sicher ist, sondern dies der Bundesebene überlassen. Das bereitet mir große Sorge." Denn es zeichne sich ab, dass auch auf Bundesebene keine einschlägigen Sicherheitstests eingeführt würden.

James McPherson, SafeSelfDrive

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Kalifornien verlangt vom Antragsteller lediglich die Zusage, dass das Fahrzeug selbst erkennt, wenn es gehackt wird, die Offenlegung von Daten über Testfahrten und ähnliche interne Unterlagen, die Vorlage einer 15 Punkte umfassenden Checkliste, sowie eine allgemeine Fahrzeugzulassung nach Bundesrecht. Diese besteht bei autonomen Autos allerdings aus einer Ausnahmegenehmigung von den üblichen Fahrzeugvorschriften.

Die Checkliste wurde von der nationalen Behörde NHTSA ersonnen und wird vom Antragsteller selbst ausgefüllt. "Die Auflage, diesen Brief vorzulegen, wird wahrscheinlich nicht halten", meint Jurist McPherson, "das Lobbying ist zu intensiv." Denn bundesrechtlich ist die Checkliste eine freiwillige Fleißaufgabe des Herstellers, und die wollen sich von einem Bundesstaat nicht dazu zwingen lassen.

Auf Bundesebene werden wohl ebenfalls die Zügel gelockert. Die republikanische Mehrheit im US-Parlament möchte möglichst geringe Auflagen für autonome Autos: "Die Bundesbehörden sollen sich komplett zurückziehen und die Hersteller machen lassen, was sie wollen", beschrieb McPherson auf dem AVS 2017 die Situation. Und sobald es Vorschriften auf Bundesebene gibt, sind den US-Bundesstaaten die Hände gebunden ("preemption"). Deren Vorschriften verlieren ihre Wirkung.

Ein Gesetzesantrag sieht vor, dass jährlich bis zu 100.000 autonome Fahrzeuge von den üblichen Fahrzeugvorschriften ausgenommen werden. "Ein anderer Gesetzesantrag macht alle Fahrzeugdaten zum Geschäftsgeheimnis. Bundesbehörden könnten zwar Unfalldaten einsehen, aber für die Unfallbeteiligten oder die Öffentlichkeit gäbe es keinen Zugriff", schilderte der ehemalige Anwalt. Das würde die Klageführung gegen einen nachlässigen Hersteller enorm erschweren.

Für McPherson ist solche Geheimniskrämerei der falsche Ansatz: "Alle Firmen, die wollen, dass wir den autonomen Fahrzeugen vertrauen, sollten ihre Daten offenlegen. Sie geheimzuhalten, ist keine Methode, Vertrauen zu gewinnen." (ds)