Napster: Der Tod des "Revoluzzers"

Für Millionen Musikfreunde war sie längst zur Legende geworden, der Mehrheit der Musikindustrie galt sie bis zum Schluss als Schreckgespenst -- nun kommt das Aus für Napster.

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Von
  • Renate Grimming
  • dpa

Für Millionen Musikfreunde war sie längst zur Legende geworden, der Mehrheit der Musikindustrie galt sie bis zum Schluss als Schreckgespenst -- nur der deutsche Medienkonzern versuchte, mit der Übernahme des vermeintlichen Revoluzzers eine neue Form des Musikvertriebs per Internet zu etablieren. Nun sprach ein Konkursrichter das endgültige Todesurteil. Richter Peter Walsh lehnte am Dienstag (Ortszeit) in Wilmington (US-Bundesstaat Delaware) die Übernahme der Musiktauschbörse Napster durch den Medienkonzern Bertelsmann überraschend ab. Die Transaktion sei durch das Verhalten des Napster-Chefs und vormaligen Bertelsmann-Mitarbeiters Konrad Hilbers wegen eines Interessenkonfliktes belastet gewesen, begründete Walsh seine Entscheidung.

Doch selbst bei einer Übernahme durch den mächtigen Medienkonzern hätte dem einstigen Publikumsmagneten Napster bestenfalls eine zweifelhafte Zukunft bevor gestanden. Über ein Jahr lang stand die Tauschbörse mit einstmals 65 Millionen Kunden still. Im Sommer vergangenen Jahres war sie nach Millionenklagen der Musikindustrie wegen Verletzung von Urheberrechten vom Netz gegangen. Im vergangenen Juni hatte die im Mai 1999 von dem damals 19-jährigen Shawn Fanning gegründete Tauschbörse unter dem Druck der Millionenklagen nach amerikanischem Konkursrecht Gläubigerschutz beantragt. Die einstigen Fans hatten sich unterdessen längst der nächsten Generation von Musik-Tauschbörsen wie Kazaa oder Gnutella zugewandt.

Anders als die übrigen Musikkonzerne, die in der damals neuen Tauschtechnik allein die Ursache für ihre rückläufigen Umsätze sahen, hatte Bertelsmann im Oktober 2000 bereits frühzeitig mit Napster über eine strategische Allianz verhandelt. Ziel war es, statt jahrelang vor Gericht zu klagen, die Technik des Pioniers zu nutzen und aus dem illegalen Tausch einen kostenpflichtigen Vertriebskanal zu machen. Zuletzt war der Medienkonzern, der seit dem Jahr 2000 etwa 80 Millionen US-Dollar in Napster gesteckt haben soll, einziger Bieter bei der jüngsten Versteigerung der restlichen Vermögenswerte. Zwei wichtige Vertreter der Musikindustrie, die Music Publishers Association und die Recording Industry Association of America (RIAA), hatten sich vehement gegen den Verkauf an Bertelsmann ausgesprochen. Trotz anders lautender Studien hatte die RIAA wiederholt die Popularität der Internet-Tauschbörsen für die Umsatzrückgänge der Branche verantwortlich gemacht.

Die Entscheidung von Richter Walsh dürfte dem Medienkonzern möglicherweise selbst entgegen gekommen sein. "Wir akzeptieren die Entscheidung des Gerichts, den Verkauf der Napster-Vermögenswerte an Bertelsmann nicht zuzustimmen und zugleich die Tatsache, dass der Kauf nicht vollzogen wird", kommentierte Bertelsmann-DirectGroup- Sprecher Gerd Koslowski lapidar den Richterspruch. Erst Stunden zuvor hatte der Konzern in Gütersloh eine strategische Neuausrichtung seiner E-Commerce-Geschäfte bekannt gegeben. Nach dem jüngsten Stühlerücken in den Chefetagen will der neue Konzernchef Gunter Thielen eine deutliche Kehrtwende zu den Bestrebungen seines Vorgängers Thomas Middelhoff vollziehen. Dieser hatte über Jahre hinweg auf neue Vertriebswege über das Internet und einen kostenpflichtigen Neuanfang der Tauschbörse gesetzt.

Nun will sich das Unternehmen künftig aus mehreren Online-Shops zurückziehen und andere in die bestehenden Medienclubs integrieren. Innerhalb dieser Rückbesinnung auf die traditionellen Kerngeschäfte hätte Napster wohl ohnehin keine Finanzhilfen mehr aus Gütersloh erhalten. Trotz vielfacher Ankündigungen gibt es bis heute auch kaum kostenpflichtige Alternativen der anderen Musikkonzerne. Zwar sagt das Marktforschungsunternehmen Forrester der Industrie bereits für 2007 voraus, dass mit digitalen Abo- und Kaufangeboten rund zwei Milliarden Dollar, rund 17 Prozent ihres Gesamtumsatzes eingenommen werden könnten. Doch dafür müssten die Dienste für die Musikfans attraktiver werden.

Einer der wesentlichen Gründe für den wiederholten Aufschub des Neustarts für Napster war zuletzt auch die Weigerung der großen Konzerne, der Tauschbörse für ein umfangreiches Musikangebot die benötigten Lizenzen zu erteilen. Von der Napster-Legende ist heute noch ein Satz auf der einstigen Homepage verblieben: "Napster was here" -- lediglich "ded kitty" verbirgt sich noch dahinter. (Renate Grimming, dpa) / (jk)