Fragwürdige Preiserhöhungen bei 1&1

Auf rechtsverbindliche Zusagen darf man sich als Kunde eigentlich verlassen. Es sei denn man ist bei 1&1.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tim Gerber
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Dies ist ein Beitrag aus unserer Magazin-Rubrik Vorsicht, Kunde!, der erstmals am 22.9.2023 in c't 22/2023 erschienen ist.

Ulrich K. hatte im November einen DSL-Vertrag bei 1&1 abgeschlossen. Wesentliches Argument war für ihn ein günstiges Angebot, mit welchem der Provider um neue Kunden warb. Für die ersten zehn Monate sollten für DSL-100-Anschluss sowie einer Mobilfunk-Flatrate nur 20 Euro im Monat anfallen. In den verbleibenden 14 Monaten des insgesamt zwei Jahre laufenden Vertrages sollte das Internet-Paket dann knapp 60 Euro im Monat kosten.

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Bis Mai lief alles zur Zufriedenheit des Kunden. Das änderte sich mit einem Schreiben im Juni über "Preisanpassungen", die ihm 1&1 ab 1. Juli in Rechnung stellen wollte. Das wunderte den Kunden sehr, denn in seinem Vertrag waren die Preise bis zum Ende der Vertragslaufzeit klar fixiert. Nun sollten sie sich plötzlich um 5 Euro im Monat erhöhen.

Am 26. Juni schickte Ulrich K. ein Einschreiben an 1&1, in welchem er der einseitigen Preiserhöhung durch den Provider dezidiert widersprach. Unmissverständlich forderte er darin die Einhaltung der vereinbarten Konditionen und eine schriftliche Bestätigung darüber. Am 30. Juni kontaktierte ihn der Kundenservice telefonisch und bot ihm die Fortsetzung des Vertrages zu den bisherigen Konditionen an. Anschließend bestätigte der Provider die mündliche Vereinbarung auch per E-Mail.

Noch immer bewirbt 1&1 seine DSL-Anschlüsse mit Sonderkonditionen, will dann aber während der Laufzeit Preise an die "allgemeine Kostensteigerung anpassen".

So war Ulrich K. bass erstaunt, als 1&1 ihm Ende Juli eine Rechnung präsentierte, die entgegen allen bisherigen Zusagen eine um 5 Euro erhöhte Grundgebühr für den DSL-Anschluss auswies. Der höhere Betrag wurde kurz darauf von seinem Girokonto eingezogen. Am 14. August schrieb Ulrich K. deswegen ein weiteres Einschreiben an 1&1 und forderte das Unternehmen auf, ihm den zu viel berechneten und eingezogenen Betrag zu erstatten.

Eine Antwort erhielt Ulrich K. nicht. Dafür gab es Ende August wieder eine überhöhte Rechnung, deren Betrag umgehend von seinem Konto eingezogen wurde. Am 4. September schrieb Ulrich K. deshalb ein drittes Einschreiben an 1&1. Zeitgleich wandte er sich wegen der ungerechtfertigten einseitigen Preiserhöhung durch den Provider an c’t.

Service im Visier
Vorsicht Kunde!

Immer wieder bekommen wir E-Mails, in denen sich Leser über schlechten Service, ungerechte Garantiebedingungen und überzogene Reparaturpreise beklagen. Ein gewisser Teil dieser Beschwerden ist offenbar unberechtigt, weil die Kunden etwas überzogene Vorstellungen haben. Vieles entpuppt sich bei genauerer Analyse auch als alltägliches Verhalten von allzu scharf kalkulierenden Firmen in der IT-Branche.

Manchmal erreichen uns aber auch Schilderungen von geradezu haarsträubenden Fällen, die deutlich machen, wie einige Firmen mit ihren Kunden umspringen. In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde!“ berichten wir über solche Entgleisungen, Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftspraktiken. Damit erfahren Sie als Kunde schon vor dem Kauf, was Sie bei dem jeweiligen Unter nehmen erwarten oder manchmal sogar befürchten müssen. Und womöglich veranlassen unsere Berichte ja auch den einen oder anderen Anbieter, sich zukünftig etwas kundenfreundlicher und kulanter zu verhalten.

Falls Sie uns eine solche böse Erfahrung mitteilen wollen, senden Sie bitte eine chronologisch sortierte knappe Beschreibung Ihrer Erfahrungen an: vorsichtkunde@ct.de.

Wir konfrontierten das Unternehmen am 8. September mit dem Vorgang und baten um rasche Stellungnahme, wie es trotz der uns vorliegenden Zusicherung alter Konditionen zu der Preiserhöhung kommen konnte. Nun kam etwas Bewegung in die Sache: Noch am selben Tag erhielt Ulrich K. mehrere Anrufe und Mails mit Angeboten vom "Escalation Management" bei 1&1. Unter anderem sah es eine Erstattung der zu viel gezahlten 10 Euro vor. Außerdem sollte der Kunde "aufgrund der Unannehmlichkeiten" von nun an einen weiteren Rabatt in Höhe von 10 Euro erhalten.

Am 11. September schrieb uns eine Unternehmenssprecherin von 1&1, der Widerruf habe trotz Bestätigung "aufgrund eines technischen Fehlers nicht gegriffen". Da die Kundenzufriedenheit oberste Priorität habe, sei dem Kunden eine Tarifanpassung zu den vereinbarten Konditionen angeboten worden. Die angefallenen Mehrkosten habe man bereits erstattet.

Nun war das Gebaren des Providers, seinen Kunden mit einseitigen Preiserhöhungen in die Tasche zu greifen, bereits Thema in Fachmedien. Nach Ansicht der Rechtsexperten der Stiftung Warentest ist das Vorgehen von 1&1 sehr wahrscheinlich vertragswidrig. Ein Widerspruch ist deshalb ratsam, oft gewährt der Provider daraufhin die alten Konditionen weiter. Zudem kann man die Chance nutzen und sich nach einem günstigeren DSL-Vertrag umsehen. Denn einseitige Vertragsänderungen lösen regelmäßig ein Sonderkündigungsrecht des Kunden aus.

Auf das Thema angesprochen nahm die Sprecherin gegenüber c’t so Stellung: "Wir haben keine Preiserhöhungen vorgenommen, sondern vor einiger Zeit gewährte Sondertarife und Rabatte im Rahmen von Preisaktionen bei einigen Kundengruppen angepasst, deren Tarife deutlich unter unserem Listenpreis lagen." Die allgemeine Preisentwicklung betreffe auch die Telekommunikationsbranche. Insbesondere die stark gestiegenen Energie- und Beschaffungskosten stellen 1&1 vor Herausforderungen. Deshalb könne man zum aktuellen Zeitpunkt die gegenüber dem Listenpreis mitunter sehr hohen Preisvorteile nicht dauerhaft gewähren.

Das mag ja alles zutreffen, war aber Ende November 2022, als man den in der Tat erheblich rabattierten Vertrag mit Ulrich K. abschloss, bereits bekannt. Energiepreise sind seither eher gefallen und die Inflationsrate gesunken. Ein Telekommunikationskonzern dieser Größenordnung sollte rascher und flexibler auf absehbare Entwicklungen reagieren können. Kürzere Vertragslaufzeiten als die ewigen zwei Jahre sind übrigens auch nicht verboten. Wenn man zu lange an Lockangeboten festhält, heißt es am Ende eben: Wer zu spät kommt, den bestraft das Vertragsrecht.

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(tig)