Arbeitszimmer oder Betriebsstätte?

Eine Außendienstmitarbeiterin wollte ihr Arbeitszimmer als Betriebsstätte anmelden, um so höhere Werbungskosten absetzen zu können. Mit der Einstufung kam sie nicht durch, mit dem Vollabzug aber schon.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Wer ein häusliches Arbeitszimmer hat, kann den Fiskus inzwischen relativ einfach an den Kosten beteiligen – vorausgesetzt, der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in diesem Raum. Das ist bei Außendienstmitarbeitern regelmäßig nicht der Fall – meinen die Finanzbehörden. Die Betroffenen sehen das naturgemäß anders, schließlich verrichten sie ihre Büroarbeit ja nicht im Auto. Kein Wunder also, dass es immer wieder auch zu juristischen Auseinandersetzungen kommt. Ein solcher Fall wurde jetzt vor dem Finanzgericht Düsseldorf verhandelt.

Geklagt hatte ein Ehepaar, dass in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 Aufwendungen für ein Arbeitszimmer absetzen wollte. Der Mann ist selbständiger Journalist, seine Frau als Diplom-Bauingenieurin für die Firma A. GmbH tätig. Sie betreut als Außendienstmitarbeiterin ein Verkaufsgebiet, das insgesamt sechs Städte umfasst. In der Steuererklärung wollten die beiden für das Arbeitszimmer insgesamt 1722 Euro als Werbungskosten geltend machen. Dies wurde vom Finanzamt mit dem Hinweis abgelehnt, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Klägerin darstelle und die Kosten daher nicht zum unbegrenzten Abzug zugelassen seien.

In ihrem Einspruch argumentierten die Kläger, der beruflich genutzte Raum sei auch gar kein häusliches Arbeitszimmer, sondern vielmehr eine Betriebsstätte der Firma A. GmbH und der Mittelpunkt der Tätigkeit liege sehr wohl in diesem Raum. Der Einspruch wurde vom Finanzamt zurückgewiesen. Begründung: Bei Außendienstmitarbeitern liege der Schwerpunkt der Tätigkeit außerhalb des Arbeitszimmers. Prägend sei die Außendiensttätigkeit, nicht die Bürotätigkeit. Hier arbeite die Klägerin vor und nach, würde aber nicht ihrer Haupttätigkeit nachgehen, daher sei ein Vollabzug der Kosten nicht möglich.

Die Kläger wollten den unbegrenzten Abzug der Arbeitszimmeraufwendungen dann vor Gericht durchsetzen. Auch hier argumentierten sie mit dem Hinweis auf die Betriebsstätte. Die Klägerin berief sich außerdem auf ihren Arbeitsvertrag, aus dem sich die Verpflichtung ergebe, für ihren Arbeitgeber einen Heimarbeitsplatz bereitzuhalten. Die Bereitstellung des Außendienstbüros sei wesentliche Grundlage für die Einstellung gewesen. Man sei sogar nur wegen dieser Anforderungen umgezogen, die Umzugskosten seien auch als Werbungskosten anerkannt worden. Im Arbeitszimmer befänden sich vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Arbeitsgeräte wie Telefon-, Fax- und Internetanschluss, Notebook, Drucker sowie Kopiergerät. Das Arbeitszimmer stünde auch dem Gebietsleiter sowie den Kunden der Firma A. zur Verfügung. Zudem sei der Schriftzug der Firma A. auf dem Briefkasten angebracht. Die gesamte Tätigkeit werde von dem Arbeitszimmer aus erledigt. Die gelte insbesondere für die Auftragsakquise, Angebotserstellung, Reisevorbereitung, Kommunikation und Berichterstattung an die Zentrale.

Die Klägerin prangerte außerdem an, dass eine Differenzierung und Typisierung häuslichen und außerhäuslichen Tuns nach qualitativen Tätigkeitsorten in der heutigen global vernetzten, modernen Arbeitswelt nicht mehr sachgerecht sei. Existenznotwendige und existenzerhaltende Erwerbsaufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, das ausschließlich oder fast ausschließlich beruflichen und/oder betrieblichen Zwecken diene, müssten – unabhängig vom Ausübungsort der Berufs- oder Betriebstätigkeit – als Werbungskosten oder Betriebsausgaben in voller Höhe geltend gemacht werden können. Das Festhalten an einem unzeitgemäßen häuslichen Arbeitszimmerbegriff diskriminiere mobile Arbeitsplätze von mittelständischen Existenzgründern. Zudem seien die Finanzgerichte mit der Überprüfung mangels klarer Vorgaben des Gesetzgebers überfordert. Mit dieser Darlegung sprach der Anwalt der Kläger wohl vielen Außendienstmitarbeitern aus dem Herzen.

Tatsächlich gab das Finanzgericht Düsseldorf der Klage statt. So darf das Ehepaar jetzt die Aufwendungen in voller Höhe als Werbungskosten in ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machen. Das Gericht sah es im Gegensatz zum Finanzamt als erwiesen an, dass das häusliche Arbeitszimmer in diesem Fall den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung darstellt. Der von der Klägerin genutzte Raum stellt ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG dar.

Leider ist dieses Urteil aber nicht auf alle Außendienstmitarbeiter anwendbar. Denn wie das Gericht festgestellt hat, liege in diesem Fall keine klassische Außendiensttätigkeit vor. Die Klägerin verkaufe den Kunden nämlich nicht Produkte "von der Stange", sondern binde die Produkte in Projekte ein, und zwar sowohl in die Planung und Ausschreibung als auch in den Verkauf. Neben dem Produkt selbst werde auch eine Ingenieursleistung verkauft bzw. Beratungstätigkeit erbracht. Letztendlich folgte das Gericht der Behauptung, die Tätigkeit beim Kunden betrage nur etwa ein Drittel der Arbeitszeit, die übrigen zwei Drittel würden auf Projektplanung, Begleitung von Ausschreibungen sowie Projektnachbereitung im Büro entfallen (Urteil vom 5.5.2011, Az: 11 K 2591/09 E). (Marzena Sicking) / (map)
(masi)