Gebrauchtsoftware: Ja, aber …

Seite 2: Wer oder was erschöpft sich?

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Wer oder was erschöpft sich?

Das für Nichtjuristen sehr akademisch klingende Jonglieren mit verschiedenen Rechten und deren Erschöpfung birgt ein sehr hohes Potenzial für Missverständnisse, was nicht zuletzt an vielen Forenkommentaren über die Meldungen zu diesem Rechtsstreit deutlich wird. Im Kern geht es bei der Auseinandersetzung um die widerstreitenden Interessen von Softwareherstellern und spezialisierten Gebrauchtsoftwarehändlern sowie um die Frage, welche Mittel das deutsche respektive europäische Recht zur Durchsetzung dieser Interessen liefert.

Der deutsche Gesetzgeber hat die grundsätzliche Frage, ob ein Inhaber von Urheberrechten die gesamte Verkaufskette eines Exemplars seines Werkes mit rechtlichen Mitteln bestimmen kann, im UrhG beantwortet: Wenn ein „Vervielfältigungsstück“ einmal in der EU und vom Urheber gewollt in den Handel gebracht worden ist, kann der Softwarehersteller aus seinem exklusiven Verbreitungsrecht keine Handhabe mehr gewinnen, über den weiteren Verkauf zu bestimmen. Sein Verbreitungsrecht an der Programmkopie hat sich mit deren erstem Inverkehrbringen „erschöpft“, also gewissermaßen verbraucht.

Weil von dem Monopolrecht nach dem ersten Verkauf des Exemplars nichts mehr übrig ist, kann ein späterer Weiterverkauf des dann gebrauchten Datenträgers auch nicht mehr dieses Recht des Softwareherstellers verletzen. Die Zulässigkeit des Weiterverkaufs gebrauchter Software auf gebrauchten Datenträgern war also überhaupt kein kontroverses Thema.

Vertriebswege von Software ändern sich jedoch ähnlich wie die von Musik und Filmen im Laufe der Zeit: Das Überlassen eines Datenträgers gehört sehr oft nicht mehr zum Erscheinungsbild des Software-Erwerbs. Die entscheidende Frage heißt dann: Tritt die beschriebene Erschöpfungswirkung auch dann ein, wenn kein „Vervielfältigungsstück“ existiert, obwohl der Gesetzgeber dieses – mehr oder weniger gewollt – vorausgesetzt hat? Mit anderen Worten: Lässt sich online gekaufte und heruntergeladene Software ebenso legal gebraucht weiterverkaufen wie datenträgergebundene?

Lagerstreit

An dieser Frage entzündete sich über den konkreten Rechtsstreit hinaus eine streckenweise sehr leidenschaftlich geführte Auseinandersetzung, in die rechtspolitische und -philosophische Standpunkte mit einflossen. Befürworter von Gebraucht-Downloads verwiesen auf die ihrer Meinung nach vergleichbare Situation: Wieso solle es einen Unterschied machen, ob ein Erwerber die Software auf CD oder über die Leitung bezogen hat? Es könne nicht sein, dass der rein technische Fortschritt hier rechtlich den Online-Erwerber benachteilige, indem er den Weiterverkauf illegal mache. Schließlich habe der Hersteller ja so oder so einmal an der Software verdient.

Ohnehin habe der Gesetzgeber gar nicht wirklich einen Datenträger zur Voraussetzung machen wollen. Nur sei es in den frühen 1990er-Jahren, als dieser Gesetzestext formuliert wurde, gar nicht vorstellbar gewesen, Software anders als auf Datenträgern zu übergeben. Die Bezugnahme auf ein „Vervielfältigungsstück“, die in den zwischenzeitlichen Gesetzesüberarbeitungen nicht geändert wurde, sei also nicht als Einschränkung gemeint, sondern als rein beschreibende Schilderung des Software-Erwerbs.

Gegner dieser Auffassung verweisen insbesondere auf die tatsächlichen Unwägbarkeiten von Gebraucht-Downloads: Wenn man das „Original“ nicht mehr an einem authentischen Datenträger festmachen könne und trotzdem die Weitergabe legal sei, lasse sich eine zulässige von einer unzulässigen Kopie praktisch nicht mehr unterscheiden. Eben deshalb komme es doch auf ein konkretes „Vervielfältigungsstück“ für die Ermöglichung von Gebrauchtsoftware an.

Verschiedene technische Facetten bereicherten die Debatte noch. Insbesondere gingen einige Händler von Gebrauchtsoftware so weit, dass sie Massenlizenzen aufspalteten: Eine beim Softwarehersteller erworbene Lizenz, die die Installation auf beispielsweise zehn Rechnern ermöglichte, sollte damit also an zehn verschiedene Gebrauchtsoftwarekäufer als Einzellizenz verkauft werden dürfen. Dergleichen ist für viele Wirtschaftsunternehmen attraktiv: Wenn ein Käufer einer 100er-Lizenz vielleicht 20 Arbeitsplätze abbaut, ist es für ihn wünschenswert, die 20 nicht mehr erforderlichen Lizenzen zu Geld zu machen. Es ging also um mehr als eine bloße Prinzipienfrage – ein recht lukratives Geschäftsmodell und immense Einsparungsmöglichkeiten vor allem bei industriellen Softwarenutzern standen auf dem Spiel.