Gebrauchtsoftware: Ja, aber …

Seite 3: Von Karlsruhe nach Luxemburg

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Von Karlsruhe nach Luxemburg

Es lag nun also am BGH, zu entscheiden, ob der vom Hersteller nicht erlaubte Weiterverkauf von Download-Software urheberrechtlich dennoch zulässig und wirksam ist. Ansonsten wäre ein Weiterverkauf in dieser Form gewissermaßen eine reine Luftnummer, denn der Gebrauchtkäufer würde nur ein wertloses Zertifikat erwerben, ohne das Nutzungsrecht an der Software zu bekommen.

Die entscheidende Vorschrift in § 69c UrhG ist keine eigene Idee des deutschen Gesetzgebers, sondern beruht auf der bereits genannten europäischen Richtlinie 2009/24. Die Fragen, die die Karlsruher Richter also im Februar 2011 dem EuGH in Luxemburg vorlegten, betrafen die richtlinienkonforme Gesetzesauslegung für den Oracle/Used-Soft-Fall:

  1. Ist derjenige, der sich auf eine Erschöpfung des Rechts zur Verbreitung der Kopie eines Computerprogramms berufen kann, „rechtmäßiger Erwerber“ im Sinne der Richtlinie?
  2. Wenn ja: Erschöpft sich dieses Exklusivrecht nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie auch dann, wenn der Erstkäufer seine Kopie mit Zustimmung des Herstellers durch Herunterladen des Programms selbst angefertigt hat?
  3. Wenn auch die zweite Frage bejaht wird: Kann sich auch derjenige, der eine „gebrauchte“ Softwarelizenz erworben hat, für das Erstellen einer Programmkopie als „rechtmäßiger Erwerber“ nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie auf eine Erschöpfung des exklusiven Verbreitungsrechts in Bezug auf die per Download angefertigte Programmkopie berufen, wenn der Erstkäufer seine eigene Kopie gelöscht hat oder nicht mehr verwendet?

Dreimal kurz gefragt

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Erschöpfungsgrundsatz auf Deutsch und Europäisch

§ 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG: „Wird ein Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht, so erschöpft sich das Verbreitungsrecht in Bezug auf dieses Vervielfältigungsstück mit Ausnahme des Vermietrechts.

Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2009/24/EG: „Mit dem Erstverkauf einer Programmkopie in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung erschöpft sich in der Gemeinschaft das Recht auf die Verbreitung dieser Kopie; ausgenommen hiervon ist jedoch das Recht auf Kontrolle der Weitervermietung des Programms oder einer Kopie davon.

Die Antworten aus Luxemburg kamen im Juli 2012. Der EuGH stellte fest, dass sich das Monopolrecht zur Verbreitung einer lizenzierten Programmkopie mit dem Erstverkauf erschöpfe – und zwar nicht nur dann, wenn der Rechteinhaber diese Kopie auf einem physischen Datenträger erworben hat, sondern auch bei Download-Software.

Damit hat der EuGH in deutlicher Weise die Existenzberechtigung von Gebrauchtsoftware bejaht. Das Urteil war in dieser Form eine Überraschung, denn noch der im April 2012 veröffentlichte Schlussantrag des EuGH-Generalanwalts Yves Bot war nicht so weit gegangen. Üblicherweise folgt das Gericht solchen Schlussanträgen im Wesentlichen. Während Bot nur den Original-Download zur handel baren Ware machen wollte, sieht der EuGH auch Updates und Patches, die im Rahmen eines Wartungsvertrags installiert worden sind, als Bestandteil der heruntergeladenen Software an. Da mit könne diese im Ergebnis samt der Aktualisierungen und Fehlerbereinigungen weiterverkauft werden.

Der Online-Erwerb, so der EuGH, sei ein Kauf. Die Richtlinie sei so zu verstehen, dass Gebrauchtsoftware im Grundsatz zulässig ist, egal ob ursprünglich mit oder ohne Datenträger erworben. Grenzenlos ist der damit gegebene Freibrief für den Gebrauchtsoftwarehandel aber nicht: Lizenzbundles soll man dabei nämlich nicht aufspalten können. Die attraktive Zerlegung einer Zehnerlizenz in zehn Einzellizenzen vertrage sich somit nicht mit einer richtlinienkonformen Auslegung des Urheberrechts.

Als die Meldungen über die EuGH-Entscheidung samt Kommentaren in den Medien erschienen, war schnell von einer Generalschlappe für Softwarehersteller die Rede und von einem guten Tag für alle, die Software gern gebraucht – und vor allem billiger – bekommen möchten.