Handel erwartet steigende Kauflaune

Der Einzelhandel in Deutschland freut sich über steigende Umsätze und will stärker ins Online-Geschäft investieren. Allerdings wird die selbstgezüchtete Preisfixierung der Verbraucher dabei unterschätzt.

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Von
  • Marzena Sicking

Es läuft gerade prima für den deutschen Einzelhandel: Der Konjunkturaufschwung beschert ihm wieder steigende Umsätze, vor allem im Online-Handel werden starke Zuwächse gemeldet. Viele Firmen planen deshalb einen Ausbau ihrer Internet-Aktivitäten. Auch die, die sich bisher noch nicht ins Netz gewagt haben. Demnach kennt die Euphorie gerade keine Grenzen: binnen fünf Jahren soll sich der Internet-Anteil am Umsatz verdoppeln, so die Hoffnung der meisten Händler.

Auch "offline" stehen alle Zeichen auf Wachstum: 71 Prozent der Unternehmen beschreiben ihre aktuelle Geschäftslage als gut, im Oktober 2010 taten das "nur" 61 Prozent. Und die Manager versprechen sich in den kommenden Monaten weitere Umsatzsteigerungen: 50 Prozent prognostizieren eine leichte Verbesserung ihrer Lage, weitere acht Prozent sogar eine deutliche Belebung des Geschäfts. Die Pessimisten sind in diesem Jahr jedenfalls eine Minderheit: nur drei Prozent der Händler prognostizieren eine Verschlechterung der Geschäftsentwicklung. Das ist das Ergebnis des aktuellen "Handelsbarometer" der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young, für das neben 120 führenden Einzelhändlern und Konsumgüterproduzenten auch 1100 Verbraucher befragt wurden.

Demnach sind auch die Verbraucher guter Stimmung: Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Löhne steigen und viele Unternehmen zahlen Gratifikationen und Sonderboni aus. Zudem ziehen viele Arbeitgeber Tariferhöhungen vor: All das führt dazu, dass die Menschen mehr Geld im Portemonnaie haben. Die Kauflaune dürfte also weiter steigen – vorausgesetzt, die hohen Kraftstoffpreise sowie steigende Nahrungsmittelpreise machen dem restlichen Handel nicht noch einen Strich durch die Rechnung. Auch die stark steigende Inflation könnte sich als Stimmungsbremse erweisen, so die Befürchtung der Wirtschaftsexperten.

Das haben allerdings die Händler, die jetzt unbedingt vom "neuen" Online-Boom profitieren wollen, so nicht auf dem Radar. Zwei Drittel der befragten Einzelhändler sind bereits mit eigenen Shops im Netz präsent, die meisten wollen ihre Internet-Aktivitäten weiter ausbauen. 4,4 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaften sie durchschnittlich im Netz – in fünf Jahren sollen es 9 Prozent sein. Hintergrund für die Online-Begeisterung dürfte auch die Tatsache sein, dass die Wachstumsraten im traditionellen stationären Handel inzwischen ziemlich niedrig ausfallen. Da will man sich noch schnell ein Stück vom Online-Kuchen sichern. So einfach ist es aber nicht mehr: Gerade wer im IT- und Unterhaltungselektronik-Bereich neu einsteigt, trifft auf zahlreiche und starke Konkurrenz. Die Folge ist ein gnadenloser Preiskampf im Netz.

Der wird vom Verbraucher auch gewünscht: Für 80 Prozent spielt der Preis gerade beim Online-Kauf eine große Rolle. Auf Service- und Beratungs-Leistungen legen hingegen nur 34 Prozent der Verbraucher größeren Wert. Im Netz gelten also eigene Regeln, warnen die Experten. Der Preis sei hier das mit Abstand wichtigste Kaufargument. Und bei vielen Produkten ist ein Preisvergleich nun einmal problemlos möglich. Wer ein größeres Stück vom Kuchen haben möchte, muss in den Preisvergleichsportalen also auf den vorderen Plätzen auftauchen. Die Mehrzahl der Verbraucher sind im Netz Shop-Hopper – immer auf der Jagd nach dem günstigsten Preis. Das sei nicht nur für Neueinsteiger im Netz ein Problem, sondern werde sich auch für den stationären Handel in Zukunft zu einer noch stärkeren Herausforderung entwickeln. Fazit der Ernst & Young-Analyse: "Der Einstieg in den Online-Handel verspricht zwar Wachstumsraten – ein Spaziergang wird er aber nicht. Bei niedrigen Margen, hohen Anforderungen an Logistik und Abwicklung und einem hohen Retourenaufkommen kann nur erfolgreich sein, wer bei hohem Durchlauf seine internen Prozesse zu 100 Prozent im Griff hat." Wer es ernst meine, müsse sich zudem auf hohe Anfangskosten und eine steile Lernkurve gefasst machen – mit ungewissen Erfolgsaussichten. Denn gleichzeitig werden die etablierten Platzhirsche ihr angestammtes Revier natürlich verteidigen. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)