Insolvenz des Geschäftspartners: Hilfsbereitschaft wird bestraft

Wer einem zahlungsunfähigen Geschäftskunden mit einem Vergleich entgegegenkommt, begibt sich auf dünnes Eis: Noch Jahre später kann die Zahlung angefochten werden.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Das Oberlandesgericht Bremen hat einen Händler dazu verpflichtet, 18.000 Euro an einen Insolvenzverwalter zu bezahlen. Das Geld hatte der Verurteilte von einem Geschäftspartner erhalten, der ihm einiges schuldete, aber nicht mehr in der Lage war, diese Forderungen zu begleichen.

Der Händler ließ sich auf einen Vergleich ein. Denn der Schuldner wollte sein Unternehmen lieber geordnet liquidieren, statt es in die Insolvenz zu führen. Dafür mussten die Gläubiger aber auf 60 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Der Geschäftspartner war dazu bereit, wenn auch die anderen Gläubiger mitziehen würden. Das wurde ihm von dem Schuldner schriftlich zugesichert bzw. bestätigt, einen weiteren Nachweis – auch den der Liquidation – blieb er schuldig. Trotzdem musste er nur einen Bruchteil der Gesamtschuld von 45.000 Euro begleichen, der Rest wurde ihm von dem Geschäftspartner erlassen. Eine großzügige Geste, könnte man meinen.

Das sah der Insolvenzverwalter, der inzwischen zahlungsunfähigen Firma, leider nicht so und forderte das Geld zurück. Er wurde zunächst vom Landgericht Bremen und wie jetzt bekannt wurde, auch vom Berufungsgericht vor dem OLG Bremen zur Rückzahlung verurteilt (Urteil v. 23.12.2011, Az.: 2 U 25/11). Der Verurteilte muss das Geld, dass er vor vier Jahren bekommen hat, erstatten – plus Zinsen.

Denn 1,5 Jahre später gab es die Firma immer noch und es wurde nun doch ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter prüfte die Unterlagen und verlangte die gezahlten Gelder zurück. Sein Vorwurf: Der Gläubiger habe bei der Annahme des Geldes den angeblichen Vorsatz des Schuldners gekannt bzw. erkannt, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen, und sich deshalb nicht darauf einlassen dürfen. Der Händler hätte nicht auf die Aussagen des Kunden über die angeblich angestrebten Vergleiche vertrauen dürfen. Auch dass der Händler sich schriftlich bestätigen ließ, die anderen Parteien hätten jeweils ebenfalls einem Vergleich zugestimmt, ließen die Richter nicht gelten, denn echte Nachweise dafür hätten ja nicht vorgelegen.

Laut Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH, deren Mandant der Großhändler auch war, sind solche Urteile kein Einzelfall. Vielmehr gebe es geradezu eine entsprechende Tendenz in der Rechtsprechung. Die Zahl der Insolvenzanfechtungen habe laut Statistik des Inkassounternehmens in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Die Zahl der Fälle, in denen es um die angeblich vorsätzliche Benachteiligung anderer Gläubiger geht, habe sich allein im letzten Jahr fast verdoppelt.

Der Gläubiger, der Ware geliefert hat und dann auf einen Großteil des Geldes verzichtet, wird nachträglich dafür bestraft, in dem er das Geld und die Zinsen zurückzahlen soll. Die Möglichkeit dieser Insolvenzanfechtung besteht zehn Jahre lang. Drumann: "Hier kann man nur raten, jegliche Sanierungsbemühungen oder Vergleiche zurückzuweisen – auch wenn das gesamtwirtschaftlich bedauerlich ist – und stattdessen sofort zu vollstrecken oder Insolvenzantrag zu stellen". Denn sobald der Gläubiger von der drohenden Zahlungsunfähigkeit eines gewerblichen Schuldners erfährt und sich auf die Bitte um Stundung oder Teilverzicht einlässt, kann er nur noch hoffen, dass die Sanierung klappt, sich kein anderer Gläubiger benachteiligt fühlt oder der Insolvenzverwalter keine Bevorzugung vermutet.

Wer trotzdem nicht gleich zum Mittel der Zwangsvollstreckung oder des Insolvenzantrags greifen und sich auf "freiwillige" Teilzahlungen des Schuldners einlassen will, der sollte sich laut Bernd Drumann genau absichern. So sollte man solchen Zahlungen oder einem Teilverzicht nur zustimmen, wenn der Schuldner ein plausibles Konzept und die Zustimmung bzw. ein entsprechendes Entgegenkommen sämtlicher Gläubiger schriftlich vorlegen kann. Diese Unterlagen sollten wenigstens zehn Jahre aufbewahrt werden, so Drumann weiter. (map)
(masi)