LG Electronics: Wieder an die kurze Leine genommen

Die Geschäfte von LG liefen in Deutschland gar nicht so schlecht, aber für die koreanische Muttergesellschaft wohl nicht gut genug. Die Firma kündigt eine "anhaltende Transformation" an, deren Ziel nicht zuletzt darin besteht, wieder stärker in das Geschäft der Landesgesellschaften einzugreifen.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

LG-Manager Sascha Hancke

(Bild: LG)

Lieber LG-Manager Sascha Hancke,

wenigstens Sie sind noch da! Man weiß ja schon gar nicht mehr, wer bei LG noch an Bord ist, wer gerade geht oder wer schon auf gepackten Koffern sitzt und auf dem Sprung ist oder noch zögert und abwartet, was sich in den nächsten Wochen tun wird. Betrachten wir nur die letzten Wochen und Monate: Erst schied Pressechef Niels Seib aus, dann erklärte Vertriebsdirektor Stefan Tiefenthal seinen Rücktritt, und zum Schluss warf auch noch COO Uli Kemp die Brocken hin. Vor allem dass Kemp die Firma verlässt, wird Sie, lieber Herr Hancke, nicht freuen, denn schließlich war er es, die Sie im vergangenen Jahr nach Willich geholt hatte, um mit Ihnen seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Sie hatten ja schon bei Fujitsu Siemens erfolgreich mit Kemp zusammen gearbeitet und hofften, auch bei LG Ähnliches vollbringen zu können. Hätten Sie vor einem Jahr geahnt, dass Kemp so bald wieder weg wäre, hätten Sie Ihren guten Job bei der Telekom wohl kaum aufgegeben.

Was ist los bei LG? Gut, dass die Firma Probleme hat, wussten wir schon lange. Schon im Sommer flogen uns Schlagzeilen wie "LG Electronics mit Gewinneinbruch" und "Handysparte macht LG zu schaffen" um die Ohren. Ich hatte Uli Kemp damals gefragt, ob diese weltweit schwierige Situation sich auch in der Deutschland-Filiale von LG widerspiegele, und er hatte mir geantwortet, dass sich das Geschäft von LG in Deutschland sehr gut entwickele. In der Tat klangen Wachstumszahlen von 46 Prozent (LG Deutschland gesamt im ersten Halbjahr), 54 Prozent (Mobiltelefone) und 64 Prozent (Home Entertainment) nicht schlecht – sind aber nur begrenzt aussagekräftig, wenn man die Planzahlen nicht kennt. Vielleicht hatte Kemp seinen Chefs in Südkorea ja noch bessere Zahlen versprochen.

Nicht nur vor dem Hintergrund der Fluktuation dürfte es für LG Deutschland nicht einfach werden, neue Top-Leute fürs Management zu finden. Denn die Firma ist im Umbruch. Das Unternehmen selbst spricht in einer Presseinfo vom 1. Dezember dieses Jahres von einem "anhaltenden Transformationsprozess des Unternehmens". Dabei verfolgen die Koreaner unter anderem das Ziel, "die Vertriebsorganisationen der einzelnen Niederlassungen stärker zu unterstützen". Mit anderen Worten: Korea will die Landesgesellschaften wie die deutsche wieder an die kürzere Leine nehmen und und mehr Einfluss auf deren operatives Geschäft nehmen. Keine attraktiven Aussichten für gestaltungsfreudige Manager.

Vor diesem Hintergrund hätte mich auch nicht eine Pressemeldung überrascht, in der Ihr Ausscheiden aus dem Unternehmen mitgeteilt wird, lieber Herr Hancke. Naja, kommt ja vielleicht noch. Auf jeden Fall bin ich sicher, dass Sie sich die Sache anders vorgestellt haben. Ich meine, diese internen Störmanöver können Sie derzeit so gut gebrauchen wie einen Reizhusten in der Weihnachtsandacht. Der Markt ist hart genug, da braucht man nicht auch noch interne Kämpfe und Unruhen. Gerade Sie als für das Geschäft mit Mobiltelefonen verantwortlicher Manager haben schwer zu kämpfen. Feind Nummer 1: Apple, klar. Das iPhone hat den Markt schlechterdings komplett neu aufgerollt. Ein Phänomen! Selbst ansonsten völlig abgeklärte Chefredakteure verlieren jegliche journalistische Distanz, wenn Sie über das iPhone (und andere Apple-Produkte) schreiben. Und was da alles geschrieben wird.! Gerade vor kurzem musste ich folgende Headline lesen: "iPhone-Nutzer haben mehr Sex". Interessant, nicht wahr? "Oh Norbert, Sie haben ja ein iPhone, was ich Ihnen schon lange sagen wollte: Ich will ein Kind von Ihnen!" Wenn dies tatsächlich so ist: ein tolles Verkaufsargument, finden Sie nicht? Denken Sie nur an die Zielgruppe Golfspieler ("Spielst du Golf oder hast du noch Sex?"), die ihrem Liebesleben mit einem iPhone in der Tasche wieder frische Impulse geben können (Achtung: Vibrationsalarm aktivieren nicht vergessen!). Haha, wie ist das alles wieder lustig!

Allerdings könnte es mit der Mobilerotik auch schon bald wieder vorbei sein. Denn gerade die Generation, die den Reiz der körperlichen Liebe gerade entdeckt, die Jugendlichen also, finden das iPhone gar nicht mehr so cool. Zumindest in der Schweiz, wie dies eine Publikation aus unserem schönen Nachbarland gerade berichtete ("Jugendliche finden das iPhone nicht mehr cool"). Eine schlechte Nachricht für Apple, eine gute für Sie, lieber Herr Hancke, nicht wahr? Wie schnell so ein Image-Absturz erfolgen kann, das musste in der Handy-Branche niemand anderes als Marktführer Nokia erleben. Viele Jahre gab es für Jugendliche in Sachen Mobiltelefon nur eine Marke, die überhaupt in Frage kam: Nokia. Quasi von einem Tag auf den anderen war es damit vorbei.

Lieber Herr Hancke, Sie arbeiten in einem aufregenden Markt und einer, sagen wir mal so, interessanten Firma. Das ist ja auch etwas wert. Alles Gute und fröhliche Weihnachten.

Beste Grüße

Damian Sicking

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