Langes Arbeiten legt soziale Kontakte lahm

Die Wirtschaft boomt, die Arbeitnehmer stöhnen, immer mehr Studien beklagen den negativen Einfluss der Arbeitswelt auf die Gesundheit der Angestellten. Denen tut aber nicht nur der Rücken weh, sie vereinsamen auch zusehend.

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Von
  • Marzena Sicking

Der Anteil von Beschäftigten, die über gesundheitliche Beschwerden klagen, nimmt zu. Auch die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit wird durch steigendes Arbeitspensum eingeschränkt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), bei der insgesamt vier unabhängige Befragungen ausgewertet wurden. Demzufolge lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Dauer der wöchentlich geleisteten Arbeitszeit und dem Auftreten gesundheitlicher Beschwerden wie Schlafstörungen, Rückenschmerzen und Herzbeschwerden nachweisen. Das ist eigentlich keine Überraschung. Das variable Arbeitszeiten – von vielen Arbeitnehmern gewünscht – den negativen Effekt verstärken, schon.

Zwei Untersuchungen aus Deutschland bei denen insgesamt 50.000 Arbeitnehmer in Stichproben befragt wurden, zeigen: Jeder zehnte Befragte in Teilzeit (weniger als 19 Wochenarbeitsstunden) klagt über Schlafstörungen, bei Beschäftigten in Vollzeit (zwischen 35 und 44 Wochenarbeitsstunden) ist es bereits jeder fünfte. Im Bereich der Beschäftigten mit deutlich überlangen Arbeitszeiten von mehr als 60 Stunden pro Woche leidet nach eigenen Angaben sogar etwa jeder vierte unter Schlafbeschwerden. Faktoren wie Schichtarbeit, variable Arbeitszeiten, Arbeit an Wochenenden oder schlechte Planbarkeit der Arbeitszeit wirken sich verstärkend auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen aus.

Schichtarbeit ist bei Bürojobs zwar eher selten, dennoch leiden hier ebenfalls viele unter den ungewöhnlichen Arbeitszeiten. Wer variable Arbeitszeiten vereinbart oder "nur" Teilzeit arbeitet, tappt oft in die Falle, dass er sich gegenüber den "normalarbeitenden" Kollegen minderwertig fühlt und mehr arbeitet, als er müsste, um diese angebliche Lücke auszugleichen. Noch viel Schlimmer sieht es bei Freelancern aus – deren "Büro" hat 24h am Tag geöffnet, sie bringen es nur selten fertig, "nein" zu sagen.

Auch die Einschätzung über das eigene Sozialleben wird von der Arbeitszeitgestaltung beeinflusst. So hängt die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eng mit der subjektiven Einschätzung von Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit sowie Familie zusammen. Eigentlich logisch: wer am Wochenende oder auch abends öfter arbeiten muss, verpasst Treffen mit Freunden und Familie, für die die klassische Freizeit eigentlich vorgesehen ist. Auch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, beispielsweise durch Gleitzeitmodelle, mildert die aufgezeigten negativen sozialen und gesundheitlichen Effekte langer Arbeitszeiten nur wenig ab. Auch erhöhen lange tägliche und wöchentliche Arbeitszeiten das Unfallrisiko der betroffenen Arbeitnehmer. Wer nicht entspannen kann, kriegt Probleme mit der Konzentration.

Betroffen sind vor allem Mitarbeiter, die besonders engagiert sind. Das bestätigt auch eine Erhebung der Techniker Krankenkasse (TK). Sie fühlen sich immer häufiger "ausgebrannt". Mittlerweile werden bei jeder fünften Erwerbsperson psychische Störungen diagnostiziert. Die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen stiegen danach in den letzten vier Jahren um 33 Prozent, die Verordnungsmenge von Antidepressiva sogar um 41 Prozent an. Die meisten arbeiten trotz der gesundheitlichen Beschwerden weiter. Für Arbeitgeber ist das aber kein Grund zur Freude – im Gegenteil. Denn für Unternehmen heißt das in der Regel abnehmende Motivation und Einsatzfreude der Mitarbeiter, eingeschränkte Leistungsfähigkeit und in der Folge lange Ausfallzeiten und Verluste. Ein Fehltag kostet den Betrieb je nach Branche und Betriebsgröße pro Mitarbeiter zwischen 200 und 400 Euro – pro Tag. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)