Neuregelung der Verbraucherinsolvenz

Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf den Weg gebracht. Darüber sind nicht alle glücklich.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 34 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Das Bundeskabinett hat den Gesetzesentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte beschlossen. Zu den wichtigsten Neuregelungen gehört die Möglichkeit, die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre zu verkürzen.

Diese Option steht Schuldnern offen, denen es gelingt, innerhalb der ersten drei Jahre mindestens 25 Prozent der Gläubigerforderungen und die Verfahrenskosten zu begleichen. Eine vorzeitige Restschuldbefreiung nach fünf Jahren soll außerdem möglich sein, wenn bis dahin zumindest die Verfahrenskosten beglichen wurden. Die Gläubiger erhalten die Möglichkeit, einen Versagungsantrag auf Restschuldbefreiung zu stellen.

Sinn der Neuregelung ist es, laut Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Menschen, die in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht sind, schneller die Chance auf einen Neuanfang zu geben. Wie die Ministerin in einer Pressemitteilung verlauten lässt, geht es vor allem um Menschen, die den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und gescheitert sind oder unverschuldet in die Situation der Zahlungsunfähigkeit gekommen sind, beispielsweise durch Scheidung, Krankheit oder Verlust des Arbeitsplatzes. 2011 gab es 100.000 Verbraucherinsolvenzen sowie 20.000 Insolvenzen von ehemaligen Selbständigen.

Die mögliche Verkürzung der Wohlverhaltensperiode von sechs auf drei Jahre, wird allerdings nicht von allen bejubelt. So befürchtet Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH, schwerwiegende negative Folgen für die Wirtschaft. Man müsse sich darauf einstellen, dass es zu einem enormen Zuwachs an Zahlungsausfällen kommen wird: "Für mich ist das ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die ihre Einkäufe bisher ihrem Geldbeutel angepasst haben und die gelernt haben, auf das eine oder andere, was finanziell einfach nicht machbar war, zu verzichten – auch wenn es noch so schwer fiel. Wenn ich aber als unredlicher Schuldner weiß, dass ich ja in drei Jahren meine Schulden los bin, dann gönne ich mir schon mal schnell den einen oder anderen Luxus ‚auf Pump’", so Drumann weiter. "Eine nette Einladung zum Schuldenmachen!"

Für Verbindlichkeiten aus einer gescheiterten Selbstständigkeit sei diese Regelung durchaus in Ordnung, doch an den Verbraucher sende sie eindeutig das falsche Signal. Und sorge für größere finanzielle Nöte bei den Händlern, die innerhalb der bisherigen Frist von sechs Jahren zumindest die Chance darauf hatten, noch einen größeren Teil ihrer Forderungen zu bekommen. Damit sei es mit der Neuregelung vorbei. Vielmehr werde dem Verbraucher signalisiert, es sei nicht schlimm Schulden zu machen, denn man könne ja alles auf drei Jahre "abbezahlen", und das nur für 25 Prozent des Preises.

Als Hilfe für gescheiterte Selbstständige könne er sich das gut vorstellen. Doch bei Verbrauchern hätte er sogar eine Verschärfung der Regel für sinnvoll erachtet: Für diejenigen, die private Schulden etwa übermäßigen aus Käufen bei Versandhäusern haben, hätte eine Verlängerung der Periode auf zehn Jahre erfolgen müssen. "am besten nach US-amerikanischem Vorbild kombiniert mit der verpflichtenden Teilnahme an einem Kurs zum privaten Finanzmanagement", so Drumann. Der richtige Ansatz wäre es gewesen, die Finanzkompetenz des Verbrauchers zu verbessern, so wie es der Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen e. V. (BDIU) seit langem fordere.

Auch BDIU-Präsident Wolfgang Spitz spart nicht mit Kritik am verabschiedeten Gesetzesentwurf. "Gläubiger müssen auf berechtigte Forderungen verzichten. Das gefährdet Arbeitsplätze und die finanzielle Sicherheit von Unternehmen". Wenn der Gesetzesentwurf so tatsächlich in Kraft trete, sei mit einer Steigerung der Verbraucherinsolvenzen von bis zu 20 Prozent zu rechnen. Aus Sicht der Gläubiger sei die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens grundsätzlich abzulehnen, so Spitz: "Sie wird die ohnehin nicht sonderlich großen Befriedigungschancen der Gläubiger weiter senken." Dies treffe besonders oft kleine und mittlere Unternehmen, die ohnehin auf jeden Euro angewiesen seien, um nicht selbst in eine wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Dass der Gesetzgeber wirtschaftliche Schwierigkeiten von an sich gesunder Unternehmen in Kauf nehme, nur um Verbrauchern eine vorzeitige Entschuldung zu ermöglichen, sei unverhältnismäßig. (masi)