Pflichten, Fristen und Formen

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Text ist nicht gleich Text

Das bereits erwähnte Berliner Urteil begründet die längere Widerrufsfrist für eBay-Geschäfte ausführlicher: "Die Dauer der Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge ist in § 312d Abs. 1 in Verbindung mit § 355 BGB geregelt und beträgt zwar grundsätzlich zwei Wochen …, abweichend davon jedoch dann einen Monat, wenn die in Textform mitzuteilende Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss mitgeteilt wird."

Eine Belehrung im Internetauftritt des Unternehmers sei "dem Verbraucher zwar schon vor Vertragsschluss zugänglich. Sie ist jedoch keine Widerrufsbelehrung ‚in Textform’, die dem Verbraucher ‚mitgeteilt’ wird. ‚Textform’ erfordert gemäß § 126b BGB unter anderem, dass die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben ist."

Bei Texten, die ins Internet gestellt, dem Empfänger aber nicht "übermittelt" worden seien, ist dem KG zufolge "§ 126b BGB nur gewahrt, wenn es tatsächlich zur Perpetuierung der Erklärung beim abrufenden Verbraucher (Ausdruck der Seite oder Download, d. h. Abspeicherung auf der eigenen Festplatte) kommt … Stellt danach die Widerrufsbelehrung im Internetauftritt … noch keine Mitteilung ‚in Textform’ … dar, so ist für die hier in Rede stehenden eBay-Geschäfte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Belehrung erst nach (jedenfalls nicht vor) Vertragsschluss in Textform mitgeteilt wird."

Bei eBay, so heißt es weiter, würden nämlich "die Waren im Rechtssinne verbindlich angeboten …, mit der Folge, dass mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung des Verbrauchers ein Kaufvertrag geschlossen wird. Steht mithin die Erklärung ‚Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen … widerrufen’ in Widerspruch zu § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach die Frist einen Monat beträgt, so verstößt sie gegen § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB …, da sie dem Verbraucher nicht klar und verständlich die Information über die Bedingungen der Ausübung des Widerrufs zur Verfügung stellt."

Das klingt, abgesehen von der etwas verwirrenden Form, einigermaßen überzeugend. In der juristischen Fachwelt ist die hier wie auch vom LG Kleve vertretene Sichtweise dennoch auf einige Kritik gestoßen – mancher fand es schlichtweg nicht schlüssig, dass eine im Web stehende Widerrufsbelehrung den Anforderungen der "Textform" im Sinne von § 126b BGB nicht gerecht werden solle [13].

In der Hauptsache entzündete sich die Kritik jedoch daran, dass das Kammergericht Berlin ebenso wie das OLG Hamburg und auch jüngst das LG Kleve einen im Gesetz angelegten Wertungswiderspruch übersehen beziehungsweise juristisch nicht sauber aufgelöst hat: Einerseits soll es nach § 312c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB ausreichen, wenn die Widerrufsbelehrung in "Textform" alsbald nach Vertragsschluss (spätestens bis zur Lieferung der Ware) erfolgt. Andererseits wird eine Belehrung nach Vertragsschluss von § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB aber als verspätet angesehen und dementsprechend mit einer einmonatigen Widerrufsfrist gewissermaßen bestraft [14].

In Anbetracht dessen streiten sich die Gelehrten derzeit darüber, ob und inwieweit die unternehmerfreundlichere Regelung in § 312c BGB gegenüber der Vorschrift des § 355 Absatz 2 BGB spezieller ausfällt. Wenn man diese Frage rundweg bejahen wollte, müsste auch eine Belehrung in "Textform", die alsbald nach Vertragsschluss erfolgt, eine zweiwöchige Widerrufsfrist in Gang setzen können.

Wer es nicht darauf anlegt, diesen Gelehrtenstreit unnötig zu befeuern, sondern im Rahmen seines Auftritts bei eBay & Co. einfach seine Ruhe haben und auf Nummer Sicher gehen will, ist jedoch gut beraten, der Linie der Berliner, Hamburger und Klever Gerichte zu folgen und in seiner Widerrufsbelehrung eine einmonatige Widerrufsfrist vorzusehen.