Sucht im Job

Um den Stress im Job zu bewältigen, greifen immer mehr Arbeitnehmer zu Medikamenten oder aufpuschenden Substanzen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 6 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Ohne Medikamente, Nikotin oder Alkohol geht bei vielen Arbeitnehmern nichts mehr: Sie greifen auf solche Mittel zurück, um die Belastung im Job aushalten zu können. Das ist das Ergebnis des "Fehlzeiten-Report 2013", der vom Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) erstellt wurde.

Mehr als 2.000 Erwerbstätige zwischen 16 und 65 Jahren wurden dafür nach ihren Belastungen am Arbeitsplatz sowie den Auswirkungen auf ihre Gesundheit befragt. Demnach trinken 5,3 Prozent der Arbeitnehmer täglich Alkohol (Männer: 8,9 Prozent, Frauen: 2,0 Prozent). Etwa ein Drittel aller Beschäftigten raucht gelegentlich oder regelmäßig. Relevante Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt es hierbei nicht. Aber es sind vor allem die jüngeren Leute, die zur Zigarette greifen, mit steigendem Lebensalter nimmt die Zahl der Raucher ab. Auch wurde ein Zusammenhang mit dem Bildungsstand festgestellt: Je höher dieser ist, desto unwahrscheinlicher der Nikotinkonsum, Dafür greifen Bessergebildete laut dieser Umfrage öfter zur Flasche.

Tabak-, Alkohol- und Medikamentenkonsum bei Beschäftigten nach Arbeitstypen
insge-
samt
ent-
spannt
enthusi-
astisch
desillu-
sioniert
übermäßig
arbeits-
orientiert
Anzahl Befragter 2.005 1.132 572 82 217
Anteil der regelmäßigen/
gelegentlichen Raucher
32,8 % 30,4 % 35,1 % 36,6 % 37,8 %
7 Tage Alkoholkonsum in
der letzten Woche
5,3 % 5,1 % 5,3 % 6,1 % 6,0 %
In den letzten 12 Monaten
Medikamente zur Steigerung
der Arbeitsleistung
eingenommen
5,0 % 3,4 % 3,4 % 14,6 % 10,6 %
Quelle: Fehlzeiten-Report 2013

Fünf Prozent der Arbeitnehmer haben in den letzten zwölf Monaten außerdem Medikamente wie beispielsweise Psychopharmaka oder Amphetamine zur Leistungssteigerung bei der Arbeit eingenommen. Bei den unter 30-Jährigen trifft dies sogar auf jeden Zwölften zu. Frauen greifen dabei etwas häufiger zu Medikamenten als Männer (6 bzw. 4 Prozent). Die AOK geht davon aus, dass die Dunkelziffer tatsächlich deutlich höher ist: Neue Surchtmittel, wie das sogenannte "Gehirndoping", seien erkennbar auf dem Vormarsch.

Eine Nebenwirkung dieses Konsums sind steigende Fehltage. Während die Zahl der Fehltage, die aufgrund "normaler" körperlicher Erkrankungen entstehen, tendenziell rückläufig ist, ist die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund der Einnahme von Suchtmitteln gestiegen, so der Bericht der AOK. Dabei sind Arbeitnehmer, die mindestens eine Krankschreibung aufgrund einer Suchterkrankung vorweisen, im Schnitt drei Mal so lange arbeitsunfähig wie Arbeitnehmer, die aus anderen Gründen krank geschrieben werden.

Tabak-, Alkohol- und Medikamentenkonsum bei Beschäftigten nach Alter und Geschlecht
Erwerbs-
tätige
insgesamt
Geschlecht Altersgruppen
Männer Frauen < 30 30-<50 50-65
Anzahl Befragter 2.005 958 1.047 261 1.069 668
Anteil der regelmäßigen/
gelegentlichen Raucher
32,8 % 33,3 % 32,4 % 44,4 % 31,4 % 30,6 %
7 Tage Alkoholkonsum in
der letzten Woche
5,3 % 8,9 % 2,0 % 1,9 % 3,5 % 9,6 %
In den letzten 12 Monaten
Medikamente zur Steigerung
der Arbeitsleistung
eingenommen
5,0 % 4,0 % 6,0 % 8,0 % 3,7 % 6,0 %
Quelle: Fehlzeiten-Report 2013

Für 2012 werden die Fehltage, die auf den Missbrauch der verschiedenen Substanzen zurückzuführen sind, auf 2,42 Millionen beziffert. Seit 2002 ist das ein Anstieg um 17 Prozent. Mehr als eine Million der Fehltage entfiel dabei auf alkoholbedingte Störungen, das sind 44 Prozent der suchtbedingten Fehltage. Die Kosten, die allein durch Alkohol- und Tabaksucht für die deutsche Wirtschaft entstehen, werden auf 60,25 Milliarden Euro im Jahr geschätzt.

Wie die Experten der AOK betonen, handelt es sich bei den Zahlen aber vermutlich nur um die Spitze des Eisbergs, da Suchtkranke meist nicht aufgrund ihrer Suchtprobleme, sondern mit anderen Diagnosen krank geschrieben werden. Eine Trendwende ist nicht in Sicht: "Damit wir diesem Trend wirksam Einhalt gebieten können, müssen wir noch besser verstehen, welche Präventionsprogramme tatsächlich Wirkung zeigen. Leider dominiert in Deutschland die Grundlagenforschung. Der politische Rückenwind für eine praxisnahe Präventions- und Versorgungsforschung fehlt bisher. Das muss sich dringend ändern", so Uwe Deh, Geschäftsführender Vorstand des AOK-Bundesverbands. (masi)