Vorsicht bei Hinweisen auf aktuelle Urteile

Weist ein Unternehmen Ansprüche des Kunden zurück, sollte es bei der Begründung vorsichtig sein. Falsch zitierte Urteile können nämlich als Irreführung des Kunden ausgelegt werden.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat ein interessantes Urteil veröffentlicht. Es zeigt, wie vorsichtig man mit Aussagen gegenüber erbosten Kunden sein sollte – insbesondere, wenn zur Argumentation die aktuelle Rechtsprechung herangezogen wird.

Geklagt hatte der Kunde einer Airline, der nach einer mehr als dreistündigen Verspätung seiner Maschine eine Ausgleichszahlung verlangt. Der Anbieter weigerte sich und verwies auf eine angeblich noch bestehende Rechtsunsicherheit und einen "Widerspruch zu höherrangigem Recht“. Dumm nur, dass es für solche Fälle bereits eine höchstrichterliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gab – und nach der hätte der Anbieter zahlen müssen.

Wenn ein Unternehmen ein solches Urteil falsch oder unvollständig als Begründung für eine Absage zitiert und damit beim Verbraucher den Eindruck erweckt, dieser hätte mit seinen Ansprüchen keine Chance auf Erfolg, kann das den Tatbestand der wettbewerbswidrigen Irreführung erfüllen. Auch dürfe ein gefallenes Urteil nicht durch falsche Behauptungen negiert werden. Das sei keine Rechtsverteidigung mehr, sondern Irreführung des Kunden.

In diesem Fall hat das Unternehmen allerdings Glück gehabt, denn die Richter sahen trotz der Ausreden keine Irreführung des betroffenen Kunden (Urteil vom 17.11.2011, Az. 3-11 O 126/10). So habe das Unternehmen das ergangene Urteil nicht geleugnet oder falsch dargestellt, sondern gar nicht erwähnt. Das darf ihm nicht als "Unterschlagung" ausgelegt werden. Vielmehr hat sich das Unternehmen dahingehend geäußert, dass es die Rechtsprechung für unzutreffend hält und aufgrund diverser Anfragen an den Europäischen Gerichtshof noch auf eine Änderung dieser Rechtsprechung hofft. Diesen Standpunkt müsse der Unternehmen vorgerichtlich auch dem Kunden gegenüber äußern dürfen.

Auch mit dem Vorwurf, das Unternehmen habe mit seiner Verweigerungshaltung das Verjährungsrisiko für die Ansprüche auf den Kunden abgewälzt, blitzte der Kläger ab. Laut den Richtern hätte es dem Unternehmen frei gestanden, gar nicht auf den Brief zu antworten oder die Forderung ohne Begründung abzulehnen. Auch in diesem Fall wäre es Aufgabe des Kunden, die Forderungen vor Ablauf der Verjährungsfrist einzuklagen. (masi)