Weiterer Blutverlust bei LG Deutschland

Der personelle Aderlass im Management von LG in Willich hält an. Nach COO Uli Kemp gehen nun weitere prominente Leistungsträger von Bord. Unter anderem Telekommunikations-Chef Sascha Hancke, der zu Media-Markt nach Ingolstadt wechselt.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Sascha Hancke, noch bei LG und bald bei Media-Markt,

Demnächst bei Media-Markt: LG-Manager Sascha Hancke

(Bild: LG)

vor vier Monaten fragte ich Sie im Zusammenhang mit dem Manager-Exodus bei Ihrem Arbeitgeber LG an dieser Stelle, wie lange Sie noch auf Ihrem Posten ausharren würden. Damals, genauer gesagt am 27. Dezember 2010, antworteten Sie mir, dass Sie keine Absicht hätten zu kündigen, sondern dass Sie sich im Gegenteil sogar auf die direktere Anbindung an das koreanische Headquarter freuen würden. Ein weiterer Grund für Sie, nicht wie andere Ihrer Kollegen das Weite zu suchen, bestand Ihren Worten zufolge darin, dass es bei LG so schön "aufregend" sei.

Offensichtlich ist Ihr Bedarf an Aufregung inzwischen gedeckt. Denn jetzt haben Sie doch noch bei LG hingeschmissen und gekündigt. Wie die Wirtschaftswoche gerade berichtet hat und Sie mir bestätigt haben, fangen Sie zum 1. Mai in der Media-Markt-Zentrale in Ingolstadt an. Unter Deutschland-Geschäftsführer Johannes Kempter sollen Sie den TK-Bereich nach vorne bringen. Das ist wirklich eine interessante Information. Denn man fragt sich, warum jemand mit Ihren Fähigkeiten zu Media-Markt geht. Mehrere Antworten sind möglich:

  1. Die große Herausforderung und die tollen Chancen. Das ist die übliche offizielle Erklärung, an der sogar manchmal zum Teil fast etwas dran ist.
  2. Bei meinem früheren Arbeitgeber habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten.
  3. Es war schon immer mein Traum, im MSH-Konzern zu arbeiten.
  4. Der hohe Freizeitwert und die Lebensqualität von Ingolstadt.
  5. Ich bin dann näher bei meiner Familie/Frau/Freundin/Freund.
  6. Geld.

Lieber Herr Hancke, es würde mich nicht überraschen, wenn Sie an mindestens der Hälfte der oben genannten sechs Punkte Ihr Häkchen machen. Die Voraussetzungen, die Sie für den Job mitbringen, sind gut. Den Consumer-Markt kennen Sie aufgrund Ihrer bisherigen Jobs in- und auswendig (u.a. Fujitsu-Siemens, Telekom, LG). Telekommunikation ist inzwischen Ihr zweiter Vorname. Und auch der Wechsel vom Hersteller zum Handel – für andere oftmals ein Problem – sollte für Sie ein Klacks sein. Genau genommen handelt es sich ja sogar um einen Fall von "back to the roots", schließlich haben Sie als Mitgründer und langjähriger Geschäftsführer und Vorstand des später verkauften Systemhauses Hancke & Peter als Händler angefangen.

Wenn ich genau drüber nachdenke, habe ich in der Liste der möglichen Gründe, warum Sie zu MSH wechseln, noch einen vergessen. Offenbar sind Sie, lieber Herr Hancke, jemand, der die Aufregung liebt (daher auch Ihre Passion zum Motorsport, den Sie aktiv betreiben). Vielleicht haben Sie ja gedacht, dass es bei LG zwar schon recht aufregend sei, beim Media-Markt aber noch viel aufregender. Hm, kann ja sein. Schließlich passiert bei MSH ja derzeit wirklich ganz schön viel. So häufig wie in den letzten Monaten waren die Ingoldstädter wohl noch nie in den Schlagzeilen, ob es Ende vergangenen Jahres der Rausschmiss des Geschäftsführers war, dann der öffentlich ausgetragene – und anhaltendeStreit unter den Gesellschaftern und vor gerade einmal zwei Wochen die Übernahme des E-Tailers Redcoon. Also der Unterhaltungswert des Unternehmens ist in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Und es würde mich nicht wundern, wenn das Metro-/MSH-Management das Niveau in naher Zukunft noch weiter steigern kann.

Bei Ihrem Noch-Arbeitgeber LG dagegen ist von Entertainment und guter Stimmung derzeit wohl nicht viel zu spüren. Das deutete sich ja schon im vergangenen Jahr an, als die LG-Zentrale in Korea ankündigte, dass sie die Auslandstöchter wieder an die kurze Leine nehmen würde. Kurz darauf erfolgten die ersten Management-Abgänge, von denen der des COO Uli Kemp der prominenteste war. Die interne Situation hat sich seitdem offenbar nicht gebessert, im Gegenteil. "LG laufen die Manager davon", hat Wiwo-Kollege Thomas Kuhn seinen jüngsten Bericht über den personellen Aderlass bei LG überschrieben. Nach seinen Informationen haben auch Ihre Kollegen Jason Schiess (Marketing-Kommunikation) und Gunter Thiel (Marketingleiter Mobilkommunikation) ihre Koffer bereits gepackt. Auch Florian Rosenberg, Vertriebschef der Sparte Unterhaltungselektronik, soll auf dem Sprung sein. In dem Wiwo-Beitrag werden noch weitere Namen von LG-Managern genannt, die sich neu orientieren, darunter der Vertriebsleiter für den Fachhandel, Martin Senzel. Die Auswirkungen dieses Blutverlustes auf die Geschäftsentwicklung von LG-Deutschland sind nicht abzusehen.

Längst ist die Neuorientierung bei LG – die stärke Anbindung an die Zentrale in Korea – keine interne Angelegenheit mehr. Geschäftspartner aus Industrie und Handel sind zunehmend entsetzt und frustriert über das, was in Willich geschieht. Nichts ist mehr zu spüren von dem frischen Wind, den "Orkan Uli" (sprich: der ehemalige COO Uli Kemp) nach seinem Antritt bei LG vor zwei Jahren entfacht hat. Der harmloseste Kommentar, den man von Insidern zum derzeitigen Zustand bei LG hört, lautet noch "Zurück zum ganz normalen Wahnsinn". Tja, schade eigentlich. Erstaunlich, dass LG vor diesem Hintergrund überhaupt noch jemanden findet, der sich für die Koreaner ins Zeug legt. Man darf jedenfalls gespannt sein, wie sich Oliver Kuhlen, der bei LG Anfang dieses Monats den Job des Vertriebsdirektors ISP übernommen hat (Nachfolger von Stephan Tiefenthal), hier einleben wird. Eins ist sicher: Damit LG für Manager als Arbeitgeber wieder attraktiv wird, muss mehr passieren als die Verlegung des Firmensitzes von Willich auf die andere Rhein-Seite nach Ratingen.

Lieber Herr Hancke, das sind nicht mehr Ihre Probleme. Auf Sie warten dann neue. Alles Gute für den neuen Job und beste Grüße!

Damian Sicking

Und hier die Antwort von Sascha Hancke.

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