eBay und die Paragrafen

Seite 3: Plötzlich war die Auktion weg

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Ich habe mich darauf gefreut, einen per Auktion angebotenen Artikel zu ergattern. Als ich kurz vor Auktionsschluss ins eBay-System schaute, hieß es, der Verkäufer habe das Angebot vorzeitig beendet. Kann ich etwas dagegen tun?

In der Praxis meistens nicht, obwohl es bereits einzelne spektakuläre Gegenbeispiele gegeben hat. Im Normalfall läuft eine einmal gestartete Auktion unaufhaltsam ab, und zum Ablaufzeitpunkt kommt ein Kaufvertrag zwischen dem Anbieter und dem Höchstbietenden zustande. Das eBay-System sieht aber einige Ausnahmebedingungen vor, unter denen ein Anbieter eine Auktion vorzeitig beenden kann: wenn der angebotene Artikel verloren gegangen, beschädigt worden oder anderweitig nicht mehr zum Verkauf verfügbar ist oder wenn dem Anbieter beim Eingeben des Angebots, des Startpreises oder des Mindestpreises ein Fehler unterlaufen ist. Passend dazu räumt auch das Gesetz dem Verkäufer ein, dass er sich unter eng gesteckten Voraussetzungen von seinem Angebot lösen darf. So gibt es etwa die Vertragsanfechtung aufgrund eines Erklärungsirrtums.

Ungeklärt ist bisher, ob auch die anderen von eBay angebotenen Möglichkeiten, Auktionen vorzeitig zu beenden, juristisch gesehen zu einer Vertragsanfechtung berechtigen können – etwa wenn es darum geht, dass ein angebotener Artikel vor Auktionsablauf zerstört worden ist. Das Landgericht Fulda hat das im November 2010 bejaht [9]. Dieses Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig; im Laufe der kommenden Monate wird der BGH über die Frage abschließend entscheiden. Im Zweifel müsste der Verkäufer aber beweisen, dass die geltend gemachte Ausnahme auch tatsächlich zutrifft. Und wenn ein leer ausgegangener Käufer es auf einen Rechtsstreit ankommen lässt, kann auf den Anbieter selbst nach einer erfolgreichen Vertragsanfechtung möglicherweise noch eine böse Überraschung warten. Er schuldet dem Handelspartner dann womöglich noch Schadensersatz, wenn dieser das Recht hatte, auf die Gültigkeit des Vertrags zu vertrauen, und ihm durch die Anfechtung seitens des Verkäufers ein Schaden entstanden ist.

Wenn die Vertragsanfechtung vor Gericht keinen Bestand hat, bleibt der Verkäufer an den Kaufvertrag gebunden und schuldet dem Käufer die Kaufsache. Weigert er sich, kann der Käufer stattdessen "Schadensersatz statt der Leistung" verlangen. Bei der Schadensberechnung wird dann nicht der Verkaufswert des Artikels, sondern der Marktwert zugrunde gelegt. So verurteilte das AG Gummersbach 2010 einen eBay-Händler zur Zahlung von über 3000 Euro Schadenersatz, nachdem dieser eine Auktion vorzeitig abgebrochen hatte und die angebotenen hochwertigen Aluminiumfelgen nicht für einen Euro an den Höchstbietenden herausgeben wollte [10]. In besonders krassen Fällen kann man mit solchen Forderungen jedoch auch abblitzen. Das Landgericht Koblenz wies 2009 eine Klage ab, mit der ein Käufer 75 000 Euro Schadenersatz verlangte, weil er einen ersteigerten Porsche nicht für sein Höchstgebot von 5,50 Euro erhalten hatte [11].

Das Gericht bejahte zwar die Schadenersatzpflicht des Verkäufers dem Grunde nach, aber der Unterschied zwischen dem Marktwert des Fahrzeugs und dem Verkaufspreis schien ihm denn doch allzu groß. Angesichts dessen erklärte es die Forderung des Käufers für rechtsmissbräuchlich, da sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstieß. Verkäufer, die leichtfertig ohne zutreffenden Anfechtungsgrund die Reißleine des vorzeitigen Auktionsabbruchs ziehen, sollten sich jedoch nicht darauf verlassen, dass ein Gericht im Zweifelsfall für sie einen solchen juristischen Fallschirm öffnet.

Ein unzufriedener Käufer hat mir in seinem Bewertungskommentar eine Breitseite verpasst und dabei auch Dinge behauptet, die unwahr sind. Kann ich mich dagegen wehren?

eBay-Bewertungen sind wie andere Aussagen im Internet öffentliche Äußerungen. Insofern gibt es nicht nur eine moralische, sondern auch rechtliche Pflicht, verantwortungsvoll mit diesem Instrument umzugehen [12]. Gerade bei Verkäufern können prekäre Inhalte von Bewertungskommentaren an der Reputation kratzen. Als Folge lässt sich dann befürchten, dass manche Kaufinteressenten die Angebote des Gescholtenen meiden und insofern ein gewisser Geboteschwund eintritt. Manchmal wird eine Bewertung irrtümlich falsch abgegeben oder es geraten aus momentanem Zorn Behauptungen hinein, die sich später nicht halten lassen. Diese kann ein Bewerteter beim Schreiber reklamieren, und der kann durch eine nachträgliche Bearbeitung die Sache wieder geraderücken.

Eine regelrechte Entfernung von Bewertungen kann nur eBay vornehmen, und dafür gibt es einen Katalog möglicher Bedingungen. Diese betreffen beispielsweise jugendgefährdende, rassistische oder im strafrechtlichen Sinne beleidigende Kommentarinhalte, außerdem die Preisgabe von Klarnamen oder anderen persönlichen Daten. Rechtlich gesehen sind Werturteile, die in Kommentaren auftauchen, normalerweise vom Grundrecht des Schreibers auf freie Meinungsäußerung gedeckt – solange sie nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreiten. Falsche Tatsachenbehauptungen hingegen muss ein Bewerteter nicht dulden.

Strafrechtlich – etwa über eine Anzeige wegen Beleidigung – lässt sich in diesem Bereich nur in ganz krassen Fällen etwas ausrichten. Normalerweise spielt sich der Streit um eBay-Bewertungen auf dem Boden des Zivilrechts ab. Wer rechtlich gegen Bewertungen vorgehen will, durch die er sich in seinen Rechten verletzt sieht, wendet sich zunächst über das eBay-eigene Nachrichtensystem an den Bewerter. Wenn dieser sich uneinsichtig zeigt, kann man ihm eine Abmahnung schicken mit der Aufforderung, die gemachten Behauptungen künftig zu unterlassen und eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben. Sofern er die dafür gesetzte Frist fruchtlos verstreichen lässt, kann man eine gerichtliche Entscheidung gegen ihn erwirken.

Ein Gerichtsverfahren kann einige Zeit in Anspruch nehmen, in der die falsche Bewertung den Profilglanz trübt. Wie im März 2011 das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden hat, kann ein Betroffener dennoch nicht im sogenannten einstweiligen Verfügungsverfahren schnell eine vorübergehende Regelung erreichen [13]. Das Gericht fand die besondere Dringlichkeit, die für den sogenannten einstweiligen Rechtsschutz nötig ist, nicht gegeben – denn das eBay-Bewertungssystem biete ja dem Betroffenen die Möglichkeit, als Zusatzkommentar gleich seine eigene Sicht der Dinge zu schildern und einer falschen Bewertung so inhaltlich entgegenzutreten. Das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung im länger dauernden Hauptsacheverfahren sei ihm deshalb zuzumuten. (psz)