MIT Technology Review 12/2020
S. 76
Fokus
Energie
Foto: Alexandros Michailidis/Shutterstock

EU-Klimaziele verfehlt – was kostet uns das?

Der bevorstehende Jahreswechsel markiert ein wichtiges Datum in der Energie­politik. Die erste Phase des Klimaschutzplans läuft aus, ebenso wie 20 Jahre EEG-Förderung für Solar- und Windkraftanlagen. Viele könnten vor dem Aus stehen (Seite 80), wenn der Staat nicht eingreift. Bei der Suche nach Alternativen zu Kohle und Öl ist es wichtig, auf das richtige Pferd zu setzen (Seiten 82, 84) und den Weg zu mehr Bürgerbeteiligung an der Energiewende von bürokratischen Hürden freizuräumen (Seite 88). Kernfusion und neuartige Atomreaktoren stehen in den Startlöchern, um Regenerativen Konkurrenz zu machen (Seiten 85, 86) – doch wie ist es um deren Sicherheit und Akzeptanz bestellt? Eines zeichnet sich schon jetzt ab: Verfehlt Deutschland die EU-Klimaziele in zehn Jahren, zahlt es einen hohen Preis.

Von Roland Wengenmayr

Es könnte teuer werden für Deutschland, wenn es seine Treibhausgasemissionen bis 2030 so nachlässig reduziere wie bislang, warnte 2018 der Thinktank Agora Energiewende in einer Studie. Für 60 Milliarden Euro – eine Summe, die im Bundeshaushalt 2020 ungefähr dem gesamten Verteidigungsbudget plus dem Budget des Bundesinnenministeriums entspricht – müsse Deutschland dann Emissionsrechte einkaufen (siehe Kasten S. 78). Nun könnte der Preis für verfehlte Klima­politik sogar noch höher ausfallen. Denn die EU-Kommission will im „Green Deal“ ihr ursprüngliches Klimaziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 2005 zu senken, sogar erhöhen: auf mindestens 55 Prozent. Kann sie dies politisch durchsetzen, so müsste sich Deutschland noch deutlich mehr anstrengen. Auch der Bundesrechnungshof ­warnte Ende Oktober in einem unveröffentlichtem Papier, das der „taz“ vorlag, vor zusätzlichen Kosten für Emissionszertifikate in Höhe von 13,5 Milliarden Euro, die im Bundeshaushalt fehlten. Aber wird es jemals so weit kommen?

Der UN-Klimavertrag von Paris aus dem Jahr 2015, der die globale Erderhitzung deutlich unter zwei Grad stoppen will, ist sehr weich formuliert. Er ist zwar völkerrechtlich bindend, eine Verletzung würde einen Staat jedoch „nur“ als unzuverlässigen Vertragspartner dastehen lassen. Wie wenig das im Ernstfall von Wert ist, zeigten jüngst die USA mit ihrem Ausstieg. So leicht dürfte Deutschland jedoch nicht davonkommen, denn die EU hat für sich schärfere politische ­Instrumente eingeführt.