Auf dem Weg zu Gnome 3.0

Seite 3: Die Gnome-Philosophie: Usability

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heise open: Gnome wird häufig aufgrund der mangelden Konfigurationsmöglichkeiten kritisiert . Wird es in Zukunft einfacher werden, die Desktop-Konfiguration zu ändern, oder müssen Anwender nach wie vor zu gconftool und gconf-editor greifen?

Vincent Untz: In diesem Zusammenhang möchte ich gerne unsere Philosophie erklären. Es geht nicht darum, dass es uns egal ist, was unsere Anwender wollen oder brauchen, im Gegenteil sogar: Wir wollen, dass Gnome-Anwendungen die bestmögliche Benutzeroberfläche haben. Es hat sich herausgestellt, dass zu viele Optionen den Benutzer eher verwirren und nicht zu diesem Ziel passen.

Das ist der Grund, weshalb wir nicht alle möglichen Einstellungsmöglichkeiten anbieten, zumindest nicht in der Bedienoberfläche. Es stimmt, dass sich einiges – vor allem erweiterte oder wenig genutzte Optionen – nur via gconf ändern lassen.

Über den Gconf-Editor lassen sich in Gnome Einstellungen ändern, die die Anwendungsmenüs nicht anbieten.

Unsere Meinung diesbezüglich hat sich nicht geändert. Das heißt aber nicht, dass solche Einstellungen für immer versteckt bleiben müssen. Ich sehe hier auf jeden Fall eine Möglichkeit für ein spezielles Konfigurationstool, das es einfacher macht, genau diese Optionen zu ändern. Es sollte nicht schwierig sein, so etwas zu entwickeln und ich bin mir sicher, dass es auf große Begeisterung stoßen würde.

heise open: Usability und Accessibility wurden bei Gnome immer schon groß geschrieben. Könnte es passieren, dass ein Teil davon den neuen Features von Gnome 3.0 zum Opfer fallen wird? Ich denke hier an KDE 4.0, das im Januar 2008 erschien und zwar toll aussah, aber kaum für den Produktiveinsatz geeignet war.

Vincent Untz: Wir wollen nicht, dass Gnome 3.0 erscheint, wenn es eigentlich noch nicht fertig ist. Alle Releases der Gnome-2-x-Serie liefen beim Erscheinen stabil und darauf sind wir stolz. Diesen guten Ruf wollen wir nicht aufs Spiel setzen.

Wir wollen Gnome 3.0 im März 2010 freigeben, aber wenn das aus den genannten Gründen nicht machbar ist, haben wir kein Problem damit, den Termin auf September 2010 zu verschieben. Diese Entscheidung treffen wir im November. Dann schauen wir auf den Status der Module und sehen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Und wenn März nicht realistisch erscheint, dann kommt Gnome 3.0 eben im Herbst.

Natürlich wird die Gnome Shell die Benutzeroberfläche ziemlich verändern. Bei großen Änderungen wie dieser gibt es immer Leute, die nicht glücklich sind, weil sie die alte Version besser finden. Aber das liegt nicht daran, dass die neue Fassung weniger gut bedienbar wäre – hier und dort gibt es vielleicht ein paar Kleinigkeiten, die nicht so gut laufen, aber das gibt es immer in der Software-Entwicklung – sondern daran, dass Menschen Gewohnheitstiere sind. Wir sehen es als unsere Herausforderung, Gnome 3.0 so toll zu machen, dass die Leute ihre alten Gewohnheiten ohne Bedenken loslassen und auf das neue System umsteigen. Wir wollen aber das Look & Feel von Gnome 2.x auch in Gnome 3.0 als Option noch eine Weile beibehalten.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass der Accessibility-Stack gerade neu geschrieben wird. Das neue System basiert auf D-Bus anstelle von ORBit und wird dadurch auch in anderen Desktop-Umgebungen, vor allem KDE, nutzbar sein. Es geht hier um eine größere Aufgabe, die schon recht weit gediehen ist. Hilfe beim Testen ist aber sehr willkommen!

heise open: Für wen ist Gnome gedacht? Findest Du, dass sich der Desktop gleich gut für Linux-Neulinge und alte Hasen eignet?

Vincent Untz: Ich glaube nicht so wirklich an einen prinzipiellen Unterschied zwischen Anfängern und fortgeschrittenen Anwendern. Leute in beiden Kategorien wollen in erster Linie ihren Computer benutzen, um konkrete Aufgaben zu bewältigen. Sowohl unter den Anfängern als auch unter den Power-Usern gibt es zufriedene Gnome-Nutzer.

Wir machen Gnome für die Mehrheit der Nutzer und wir tun das, indem wir eine intuitiv bedienbare und hübsche Oberfläche entwickeln, mit der man nicht kämpfen muss. Gnome ist flexibel und das erklärt, wieso das System sowohl in den Workflow eines privaten Anwenders als auch in den eines geschäftlichen Nutzers passt. Dass wir eigentlich die große Mehrheit der Linux-Anwender zu unserer Zielgruppe rechnen, erklärt auch, wieso Lokalisierung und Accessibility eine so große Rolle spielen.

Natürlich gibt es Leute, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht zufrieden mit Gnome sind. Das ist auch OK: Wir können keine gute Lösung für alle sein, das verstehen wir. Zum Glück gibt es auch noch andere Desktop-Umgebungen, wie XFCE und KDE, mit einem anderem Design und anderer Philosophie. Das sind gute Alternativen für Leute, für die Gnome nicht in Frage kommt.