Auf dem Weg zu Gnome 3.0

Seite 5: Gnome 3.0

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heise open: Gnome 2.0 erschien 2002. Seitdem wird sich bestimmt eine Menge an inzwischen überflüssigem Programmcode angehäuft haben. Das nächste große Release wäre also eine gute Gelegenheit, veraltete APIs und Bibliotheken aus dem Weg zu räumen. Was sind hier Eure Pläne?

Vincent Untz: Auf jeden Fall ist Gnome 3.0 ein guter Anlass, unsere Plattform zu entschlacken und konsistenter zu machen. Eigentlich haben wir damit auch schon vor geraumer Zeit angefangen: Manche APIs haben wir an die Stelle gerückt, wo sie hingehören (von libgnomeui zu GTK+). Auch haben wir Teile unseres Stacks angepasst. Ein Beispiel dafür ist das Umschreiben von gnome-vfs, das zu der gio-Bibliothek und dem neuen neue virtuellen Dateisystem gvfs führte.

Wir werden die ausgedienten Bibliotheken aus der Gnome-Plattform entfernen. Und wenn Gnome selbst sie nicht mehr benötigt, werden wir sie nicht mehr als Teil des Systems veröffentlichen. Es kann natürlich sein, dass Leute daran weiterarbeiten, die sie weiterhin brauchen. So ist das mit freier Software: Wenn etwas kein Teil mehr von Gnome ist, bedeutet das nicht automatisch das Ende :-)

Was Bibliotheken angeht, die wir behalten wollen: Sofern sie auf veraltete APIs setzen, schmeißen wir die aus Gnome 3.30 heraus, es sei denn, sie werden noch viel eingesetzt.

Um diese Ideen umzusetzen, haben wir den Punkt "Weg mit den Altlasten" in den Release-Plan aufgenommen. Dieser beschreibt Schritt für Schritt, wie wir vorgehen wollen. Gnome 2.28 profitiert bereits von dieser Arbeit. Fast keine Gnome-Komponente setzt mehr auf libgnome, libgnomeui oder gnome-vfs. Wenn man die Panels und Applets entfernt, ist auch bonobo schon fast draußen.

Natürlich gibt es eine Riesenmenge an Gnome-Anwendungen, die nicht offiziell Bestandteil des Desktop sind. Die meisten davon dürften auch weiterhin funktionieren. Die Bibliotheken, die wir aus unserer Plattform entfernt haben, sind nach wie vor verfügbar. Und die Bibliotheken, aus den veraltete APIs entfernt wurden, werden sich parallel zu den früheren Versionen installieren lassen.

Klar ermutigen wir die Entwickler, für ihre Anwendungen nur auf die aktuelle Plattform zu setzen und keine veralteten APIs mehr zu benutzen. Das haben wir in Gnome selbst auch so gemacht und das hat dafür gesorgt, dass wir unsere Programme verbessern konnten. Weniger Quellcode, weniger Bugs, ein einfacheres Hinzufügen von neuen Funktionen sind nur einige der Vorteile dieser Herangehensweise.

heise open: Es gibt aber auch neue APIs und Techniken. Noch weit weg aber schon am Horizont erschienen ist zudem GTK+ 3.0. Wie geht das Gnome-Projekt mit diesen neuen Entwicklungen um?

Vincent Untz: Ein Großteil der Planung für Gnome 3.0 ging um die Frage, wohin wir mit unserer Plattform wollen. Wie gesagt machen wir uns auf, alte APIs zu entfernen, aber auf der anderen Seite sind wir auch dabei, neue Dinge zu implementieren. Dabei denke ich spontan an Clutter und gobject-introspection. All diese Veränderungen sind schon eine Weile in Arbeit und unsere Community hat gut im Blick, welche der neuen Entwicklungen wir integrieren wollen.

Der schwierigste Teil ist es also, Applikationen wegzuportieren von Techniken, die wir nicht in Gnome 3.0 aufnehmen – wir beobachten genau, welche das sind – und die neuen Techniken zu implementieren. Letzeres ist jedoch nicht so schwierig, denn die meisten Leute sind ganz angetan von den neuen Sachen.

heise open: Das Fundament für einiges, das in Gnome 3.0 Einzug halten soll, wird bereits mit Gnome 2.28 gelegt. Zu denken ist hier an das schon erwähnte GUI-Toolkit Clutter, der zusammen mit Metacity die Basis für den neuen Fenstermanager Mutter ist. Mit welchen anderen sichtbaren Vorboten für Gnome 3.0 dürfen wir in der kommenden Version 2.28 rechnen?

Vincent Untz: Gnome 2.28 wird in der Tat häufig als wichtiger Schritt in Richtung 3.0 gesehen. Entwickler, die an Modulen arbeiten, die wir gern in Gnome 3.0 aufnehmen wollen, geben bereits Tarballs frei, sodass man heute schon Dinge ausprobieren kann, die künftig Bestandteil von Gnome sein werden.

Interessant an dem Metacity-Fork Mutter zum Beispiel ist nicht der Window Manager an sich. Spannend ist die Gnome Shell, die auf Mutter aufsetzt und für ein ganz neues Benutzererlebnis sorgen soll. Gnome Shell lässt sich bereits jetzt als Pre-Release, zum Beispiel in Fedora, bestaunen. Das gleiche gilt übrigens für Zeitgeist. Auch Module wie Gnome Games haben einen Sprung vorwärts gemacht. Diverse Spiele sind schon auf Clutter portiert und manche sind jetzt in Javascript geschrieben.

Wir haben auch jetzt in Gnome 2.x schon viel von den Altlasten beseitigt, sodass Module in Gnome 3.0 auf einer sauberen Basis stehen. Auch wenn diese Arbeit nicht unmittelbar sichtbar ist, führt sie zu mehr Konsistenz zwischen den verschiedenen Anwendungen und zu weniger Systembibliotheken. Das macht das neue Gnome auch für Entwickler attraktiver. Es gibt ein lebhaftes Ökosystem von Programmen für Gnome. All diese Verbesserungen kommen auch diesen Anwendungen zugute.

heise open: Eine letzte Frage: Das KDE-Projekt steuert mit Features wie Geolocation einen sogenannten "Social Desktop" an. Erste Schritte in diese Richtung sind zu sehen in KDE 4.3, das Anfang August erschien. Plant Gnome etwas Ähnliches?

Vincent Untz: Wir sprechen im Gnome-Projekt in diesem Zusammenhang zwar nicht von "Social Desktop" (ich nehme an, dass manche Leute den Begriff nicht mögen), aber wir integrieren durchaus ähnliche Funktionen. Geolocation und die Anbindung an bestimmte Web-Dienste sind Beispiele von Techniken, an denen Leute in Gnome arbeiten. So kann der IM-Client Empathy Standorte anzeigen und übermitteln und Gnome kann bereits jetzt mit Geotags in Bildern umgehen. Youtube-Videos lassen schon seit einiger Zeit direkt aus dem Video-Player Totem heraus suchen und abspielen.

Wir haben zudem Leute im Gnome-Team, die sich darüber Gedanken machen, wie wir die üblichen Online-Dienste in die Programme einbinden können, die Gnome-Anwender nutzen. Gnome 2.28 wird in dieser Hinsicht noch mal einen Sprung nach vorne machen. Ich gehe davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. (akl)