E-SUV BYD Sealion im Fahrbericht: Harte Konkurrenz für Europäer

BYD bringt mit dem Sealion 7 ein für Europa gestaltetes E-SUV der Ocean-Reihe auf den Markt. Eine erste Proberunde zeigt: Das Auto ist konkurrenzfähig.

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BYD Sealion

(Bild: Dirk Kunde)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Dirk Kunde
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Sealion 7, 4.5 S steht auf dem Heck des SUV-Coupés von BYD. Der "Seelöwe" ist das siebente Elektroauto, das der chinesische Hersteller in Deutschland auf den Markt bringt. Die Übereinstimmung mit der Ziffer auf dem Fahrzeugheck dürfte Zufall sein. Anders die 4,5 S. Was in der alten Welt eine Literangabe für den Verbrennungsmotor war, könnte in der neuen eine Versionsnummer sein. Doch BYD gibt hier die Beschleunigungszeit an. In 4,5 Sekunden sind die beiden Allrad-Versionen aus dem Stand auf 100 km/h.

Das Modell kommt in drei Varianten: "Comfort" verfügt über einen Heckantrieb mit 230 kW starkem, permanenterregtem Synchronmotor. Die 82,4 kWh Lithium-Eisenphosphat-Batterie (LFP) bietet eine Reichweite bis zu 482 km Reichweite. Die "Design"-Variante hat dieselbe Batterie, doch in der Front arbeitet zusätzlich ein 160-kW-Induktionsmotor. Das ist auch bei der "Excellence"-Variante so. Hier speichert die Batterie im Boden 91,3 kWh für bis zu 502 km Reichweite. BYD nennt das Format seiner Batteriezellen Blade. Wie schmale Klingen liegen die Zellen dicht aneinandergereiht und bilden ein strukturelles Bauteil im Sealion.

BYD Sealion 7 außen (5 Bilder)

BYD versucht es auf dem europäischen Markt unter anderem mit einem SUV-Coupé. Das füllige ... (Bild:

Dirk Kunde

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Das gesamte Konzept bezeichnet BYD als Cell to Body. Die Zellen sind nicht in Module verpackt, sondern bilden die tragende Struktur für den Boden. Das verspricht eine höhere Verwindungssteifigkeit und spart Bauraum. Der Batteriedeckel ist gleichzeitig das Bodenblech für den Innenraum. Die kleinere Batterie lädt mit bis zu 150 kW, die größere mit maximal 230 kW. Hier dauert ein Ladevorgang von 10 bis 80 Prozent laut Hersteller unter idealen Bedingungen 24 Minuten. Damit liegt die größere Batterie über dem Faktor 2C, die kleine jedoch darunter. Ein Großteil der Hersteller nutzt mindestens den doppelten Wert der maximalen Ladeleistung in Bezug auf den Energiegehalt. Der Sealion kommt mit Vehicle-to-Load-Funktion. Über einen Adapter im Ladeanschluss gibt das E-Auto Energie mit bis zu 3,3 kW ab.

In der Niederspannungsebene ersetzt BYD die Bleibatterie mit einer 12-Volt-LFP-Batterie. Sie versorgt das Infotainment, Licht- und Schließsystem, wenn die Hochvoltbatterie noch nicht aktiviert ist. BYD begründet den Wechsel mit einer längeren Lebensdauer und dem Verzicht auf Bleisäure. Als Hersteller von Batterien startete BYD 1995 im chinesischen Shenzhen. 2003 folgte die Fahrzeugproduktion unter der Marke Build Your Dreams (BYD). Heute bezeichnet sich das Unternehmen als Technologiekonzern. 110.000 Entwickler arbeiten an eigener Hard- und Software.

BYD Sealion 7 Cockpit (10 Bilder)

Der Innenraum wirkt hochwertig ausgekleidet und sauber verarbeitet. (Bild:

BYD

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Auch die Motoren sind Eigenentwicklungen. Rotor, Stator, Getriebe, Wechselrichter und weitere Elemente bilden ein Bauteil. BYD spricht von 8 in 1, da hier acht Elemente in einer Komponente vereint werden. Beim Thermomanagement für die Batterie ist sogar von 16 in 1 die Rede. Weniger und kompaktere Bauteile sind ein großer Vorteil in der Produktion. Allerdings sind sie im Reparaturfall ein Nachteil, da einzelne Elemente oft nicht oder nur mit großem Aufwand getauscht werden können.

Der Sealion ist das vierte E-Auto in der Ocean Reihe, nach Dolphin, Seal und Seal U. Das Äußere verantwortet der deutsche Designer Wolfgang Egger. Er spricht beim Blick auf die Front von einem X-Design. Die unteren Lufteinlässe bilden zusammen mit den Frontlichtern zwei gekreuzte Linien, die ein X ergeben. Auf mich macht die Front weniger den Eindruck eines Meeresbewohners als eines Raubtieres. Die schmalen LED-Abblendlichter wirken wie halb geöffnete Augen, die Tagfahrlichter wie Lider. Die großen, gewölbten Lufteinlässe links und rechts wirken wie Teil eines Mauls.

Geöffnet wird der Sealion mit einem Funkschlüssel, NFC-Karte, Smartphone oder Smartwatch. Das entsprechende Sensor-Feld befindet sich im linken Außenspiegel. Der Testwagen ist eine Excellence-Variante, sie verfügt auch über ein Head-up-Display. Die Projektionsfläche wirkt mit Angaben zur aktuellen Geschwindigkeit, Tempolimit, aktiven Assistenten und Totenwinkelwarner etwas überfrachtet. Die wichtigen Informationen zur Navigation finden nur wenig Platz oben links.

Auf der Autobahn beschleunigt der 4,83 m lange Wagen wie erwartet sehr zügig bis zur Höchstgeschwindigkeit von 215 km/h. Das geschickt abgestimmte Fahrwerk mit Doppelquerlenker vorn und einer Mehrlenker-Hinterachse hält das Auto auch bei hoher Geschwindigkeit ruhig auf der Straße. Auch in der Kabine bleibt es ausgesprochen leise. Wer die Stille nicht mag, bekommt mit der Soundanlage von Dynaudio mit einem Dutzend Lautsprechern die Chance, ihr etwas entgegenzusetzen.

BYD Sealion 7 Innenraum (6 Bilder)

Die Sitze könnten etwas mehr Seitenhalt vertragen, sind aber bequem und ... (Bild:

BYD

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Eine Besonderheit bei BYD ist der drehbare Bildschirm. Bei der Medienwiedergabe bietet das Querformat des 15,6 Zoll großen Displays Vorteile. Für die Navigation ist das Hochformat von Vorteil. Unter dem Bildschirm ist eine Ablagefläche für Smartphones. Die linke Hälfte lädt mit bis zu 50 Watt kabellos das Smartphone auf. Vorn und hinten stehen jeweils zwei USB-C-Anschlüsse zur Verfügung.

Die Testfahrt im Großraum Frankfurt führt unter anderem auf den Feldberg. Für die Strecke über Landstraßen wechselte ich auf den Rücksitz. Der erste Blick geht nach oben. Das 2,1 Quadratmeter große Panoramadach reicht bis über meinen Kopf und schafft eine angenehme Lichtstimmung im Fahrzeug. Die wird zudem von einem 128-farbigen Ambiente-Licht unterstützt. Die Rückenlehne lässt sich in zwei Stufen manuell weiter nach hinten verstellen. Der Raumgewinn bei der flacheren Batterie und eine Fahrzeughöhe von 1,62 Meter sorgen dafür, dass auch hinten ausreichend Kopffreiheit herrscht. Daran ändert auch die nach hinten abfallende Coupé-Dachline nichts. Die Beinfreiheit ist ebenfalls großzügig, was bei einem Radstand von 2,93 m nicht überrascht.

Der Kofferraum bietet Platz für 520 Liter Gepäck. Mit umgeklappter Rückbank werden es 1789 Liter. Zusätzlich bietet der Sealion ein Fach (58 Liter) unter der Fronthaube an. Das Volumen ist bei Heck- und Allradantrieb identisch. Als Fahrer hat man die Wahl zwischen vier Fahrmodi und den beiden Rekuperationsstufen "normal" und "verstärkt". Die Einstellungen sind im Menü nicht auf Anhieb zu finden. Somit bemühte ich den Sprachassistenten, doch alle Versuche in Hinsicht auf Fahrzeugfunktionen scheitern.

BYD Sealion 7 Infotainment (5 Bilder)

Der BYD Sealion 7 ist mit zahlreichen Assistenten ausgestattet. Was sie taugen, muss ein ausführlicher Test zeigen. (Bild:

Dirk Kunde

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Am Ende meiner Tour zeigte eine Produktexpertin, wie man den Blinkerton ändert. Die Standardeinstellung erinnert an einen Warnton. Praktisch ist, dass beim Blinken zum Rechtsabbiegen der mittlere Bildschirm das Kamerabild des toten Winkels zeigt. So werden kein Fußgänger oder Radfahrer in der Stadt übersehen. Leider war es nicht möglich, die gleiche Funktion auch für Abbiege- und Überholvorgänge nach links zu aktivieren.

BYD hat den Sealion auf europäische Vorlieben ausgerichtet, heißt es, und entsprechend hoch sind die Absatzerwartungen. "Wir haben festgestellt, dass in Europa eine Nachfrage nach genau diesem Fahrzeugtyp besteht. Wir sind zuversichtlich, dass die Kombination aus SUV-Design und -Packaging, Blade-Batterietechnologie, Reichweite, hoher Leistung und großzügiger Ausstattung zahlreiche Kunden in Deutschland ansprechen wird", sagt Stella Li, Executive Vice President von BYD. Mit einer Batteriegarantie über acht Jahre oder 200.000 Kilometer mit einem minimalen Rest-Energiegehalt von 70 Prozent will der Hersteller bei den Kunden um Vertrauen werben. Weiter als andere Hersteller wagen sich die Chinesen damit allerdings nicht vor.

BYD zählt zwar in Deutschland auch wegen des Sponsorings der Fußball-Europameisterschaft zu den bekannteren chinesischen Automarken, doch in den Zulassungen zeigt sich das zumindest momentan noch nicht. Im vergangenen Jahr waren es laut Kraftfahrtbundesamt 4139 Fahrzeuge, in diesem Jahr bis Oktober 2137. Zum Vergleich verzeichnete MG aus dem SAIC-Konzern 21.232 und 18.166 Zulassungen in den gleichen Zeiträumen.

Das will BYD mit einem Ausbau des Händlernetzes ändern. Bis Ende 2025 sollen 120 Vertriebsstandorte die Marke in Deutschland anbieten. In Medienberichten heißt es, Stella Li habe das Absatzziel auf 50.000 Fahrzeuge für 2025 in Deutschland angehoben. Natürlich ist auch BYD von Importzöllen aus China betroffen. Allerdings greift hier der niedrigste Satz mit 17,4 Prozent. Erst Ende 2025 dürfte eine BYD-eigene Fertigung in Ungarn hochlaufen. Über weitere Standorte wie beispielsweise in der Türkei sei noch nicht entschieden, heißt es. Der Startpreis des Sealion Comfort liegt bei 47.990 Euro. Die Allrad-Versionen kosten 53.990 bzw. 58.990 Euro für die Excellence-Variante.

(mfz)