Elektroauto-Fahrbericht: mit dem VW ID.4 auf Roadtrip durch Kalifornien

Ein Trip durch den Westen der USA ist ein Traumurlaub, Mietwagen werden dort immer häufiger als Elektroauto angeboten. Wie funktioniert das mit einem VW ID.4?

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VW ID.4

Stefan Grundhoff

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  • Stefan Grundhoff
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Los Angeles, San Diego, Orange County, Palm Springs, Las Vegas und vielleicht noch ein Abstecher zum Lake Tahoe oder an die Bay Area mit der Metropole San Francisco – da kommen viele bereits bei der Urlaubsplanung ins Schwärmen. Bei einer solchen Tour kommt man um einen Mietwagen nicht herum und die sind in den USA zumeist deutlich günstiger als in Europa. Immer mehr Firmen bieten Elektroautos an und bringen Touristen ins Grübeln, ob sie damit einen solchen Roadtrip wagen wollen.

Wenn eine Region weltweit für seine ökologischen Bemühungen bekannt ist, dann ist das der US-Bundesstaat Kalifornien. Von hier kamen nach der katastrophal schlechten Luft in Los Angeles der 40er- und besonders 50er-Jahre seit den 60ern die ersten Abgasvorschriften für Autos. Hier fuhren längst alle verpflichtend mit Katalysatoren, als die deutsche Autoindustrie noch argumentierte, das könne gar nicht funktionieren. Jede kalifornische Abgasnorm wurde von den meisten industrialisierten Staaten kaum verändert umgesetzt, wenn auch häufig erst später. Inzwischen gehört der Staat aufgrund seiner strengen Emissionsregeln zu den Vorreitern der e-Mobilität.

Mit dem breiten Spektrum aus Meer, Bergen, Menschen und Metropolen ist Kalifornien eine Urlaubsregion, die man perfekt mit dem Auto erkunden kann. Dabei ist die Infrastruktur mittlerweile so, dass man sich um eine ausreichende Zahl von Ladesäulen keine Gedanken machen muss. Gerade das Ladenetz von Electrify America ist an Tankstellen, Shopping Malls und den großen Interstates breit aufgestellt und schnell zugleich. Am besten sieht es mit der Zahl der Ladesäulen im Großraum Los Angeles aus. Die Vier-Millionen-Metropole, die sich als Acht-Millionen-Agglomeration weit ins Landesinnere ausgebreitet hat, bietet eine Vielzahl von Ladesäulen. Die meisten davon an großen Supermärkten, Outlets und Shopping Centern.

VW ID.4 USA (8 Bilder)

FrĂĽhmorgens am Joshua Tree Nationalpark
(Bild: Stefan Grundhoff)

Viele davon betreibt Electrify America. An dessen Hyperchargern kostet die Kilowattstunde gegenwärtig 48 US-Cent. Vor der Abreise muss man sich dabei keine Gedanken um eine Ladekarte machen und kann die Chipkarte des heimischen Elektroautos getrost zu Hause lassen. Auch das Herunterladen spezieller Apps ist für einen Aufenthalt überflüssig. Anders als in Europa lässt sich an allen Ladesäulen ganz einfach per Kreditkarte bezahlen.

Bei der Probe aufs erste Exempel in Huntington Beach gelingt der Ladestopp problemlos. An einem kleinen Einkaufszentrum sind – deutlich besser als zumeist in Deutschland – vier Ladesäulen ausgeschildert. Zwei bieten 150 kW, die anderen beiden 350 kW – mehr als genug für den VW ID.4, der mit seinem 220 kW leistenden Allradantrieb gut motorisiert ist. Leider hapert es noch etwas mit der Ladegeschwindigkeit, denn während die europäischen ID-Versionen jüngst auf 170 Kilowatt Ladeleistung aufgestockt haben, steht das bei den Chattanooga produzierten Modellen noch aus.

Die Digitalanzeige auf dem Zentraldisplay zeigt ebenso 126 kW wie das Anzeigegerät an der Ladesäule. Nach zwei Nächten in Huntington Beach und einem kleinen Abstecher Richtung Süden geht es mit dem einzigen derzeit in den USA gefertigten Elektromodell von Volkswagen in die wärmere Wüste. Kurz vor Palm Springs gibt es direkt an der Interstate 10 auf dem Parkplatz des Desert Hills Outlet eine ganze Reihe von Lademöglichkeiten. Neben den Tesla Superchargern, die in den USA zumeist nicht für Fremdmarken geöffnet sind, gibt es weitere Ladestationen am benachbarten Morongo Casino und eben an dem Outlet.

Selbst am Freitagnachmittag ist die Ladesituation entspannt und der graue VW ID.4 saugt sich mit Energie voll, während man sich den Ladestopp mit einem kurzen Shopping-Abstecher verkürzen kann. Nach einer halben Stunde sollte man hier allerdings das Abstecken nicht vergessen, um keine Strafgebühren zu riskieren. Besser als die Europäer haben die Amerikaner es verstanden, Ladepunkte auf den Parkplätzen der Einkaufszentren zu errichten. Weil der Akku noch zu mehr als 60 Prozent gefüllt ist, zieht der ID.4 zunächst noch rund 100, bald 80 und etwas später nur noch 55 kW.

Das Nachladen für die günstigen 42 US-Cent pro kWh hätte man sich getrost sparen können, denn das Hotel in Palm Springs bietet seinen Gästen einen angenehmen Service. Im Übernachtungspreis ist das kostenlose Tanken an einem der beiden 10-kW-Lader kostenlos. "Immer mehr Gäste reisen mit einem Elektroauto an, daher überlegen wir, ob wir zwei weitere Ladepunkte installieren", erzählt Hotelbetreiberin Rita. Am übernächsten Tag geht es nach Las Vegas, jedoch nicht über die Interstate-Route via San Bernadino und Barstow, sondern vorbei am Joshua Tree National Park, Twenty Nine Palms und über die alte Route 66. Hier wird es dünn mit den Ladepunkten, doch in Goffs und in der Nähe von Needles zeigt das Navigationsgerät ebensolche nebst Belegung an.

Früh morgens geht es los und vor Sonnenaufgang setzen sich die LED-Scheinwerfer des ID.4 exzellent in Szene. Die komfortablen Sitze mit Massagefunktion sind auf den langen Touren eine Wohltat. Das gilt nur eingeschränkt für den Plastikcharme des Elektro-Crossovers im Innern, denn hier dominiert trotz schicker Ziernähte und des zentralen 12-Zoll-Bildschirms ein Ambiente, das man so auch von lieblosen US-Innenräumen kennt. Die Navigation nebst Bedienung ist exzellent, das einzige was fehlt, ist das Head-Up-Display, das der Fahrer allzu gerne statt der blauen LED-Balken bei Abbiegevorgängen genutzt hätte.

VW ID.4 USA (10 Bilder)

Auf den Ăśberlandstrecken gilt oft 75 mph, rund 120 km/h. Eine gute Reisegeschwindigkeit, der Verbrauch lag unter 18 kWh/100 km.
(Bild: Stefan Grundhoff)

Den Ladestopp an der Historic Route 66 in der Nähe von Goffs ist mehr ein Getränkestopp, denn anders als erwartet, setzen die Höhenzüge von Ostkalifornien und Nevada dem VW ID.4 mit seinem 82-kWh-Akkupaket trotz des flotten Fahrtempos kaum zu. Der Allradler aus Chattanooga hätte es auch ohne Ladestopp bis nach Las Vegas geschafft. Dabei zeigt die kurze Zwischenladung in der Wüste einen häufigen Kritikpunkt an dem landesweiten Ladenetzbetreiber Electrify America – eine Vielzahl der Ladesäulen ist defekt und so verhält es sich auch an der Tankstelle im kalifornischen Hinterland. Die beiden 350-kW-Lader wollen nicht und so erstarkt das Elektromobil an der benachbarten 150-kW-Säule. Mit zunehmender Uhrzeit wird es wärmer und wärmer – bis in der Nähe von Henderson die 100-Grad-Fahrenheit-Marke geknackt wird und man sich eine Sitzklimatisierung wünscht. Das überdimensionale Panoramadach wurde mit der elektrischen Jalousie längst verschattet und so bleibt es trotz der knapp 38 Grad Celsius angenehm kühl im Innern.

Als am nächsten Tag in Las Vegas nachgeladen werden soll, zeigt sich ein weiteres Problem vieler US-Ladepunkte. In der Woche laden die meisten Amerikaner in der heimischen Garage, doch am Wochenende geht es mit dem Auto zu Einkauf, Abendessen und Entertainment. Folglich bilden sich an den großen Einkaufszentren lange Schlangen vor den Ladestationen – und zwar nicht nur an den Tesla Superchargern. Ganz ähnlich sieht es an den großen Hotels aus, die sich in der Spielermetropole kaum auf Elektroautos eingestellt haben. Am Wochenende sollte man sich daher tagsüber auf Wartezeiten einstellen. Auch, weil viele Elektroautos in Kaufpreis oder der monatlichen Leasingpauschale zwei bis drei Jahre freies Laden für mindestens 30 Minuten pro Session inkludiert haben.

Auf dem Weg zurück Richtung Los Angeles und die Pazifikküste gibt es an der Interstate 15 mehrere Schnellladesäulen. Besonders schnell und zudem günstig lässt es sich in Baker, gleich neben dem größten Thermometer der Welt laden. Bei EV-Go ist es in den Morgenstunden günstiger und bei Bedarf füllt sich das Akkupaket für gerade einmal 31 US-Cent pro Kilowattstunde.

Das größte Thermometer der Welt steht in Baker. Dort kommt man hinter Barstow auf dem Weg von Los Angeles nach Las Vegas vorbei. Oder, wenn man die Mojave National Reserve besuchen möchte.

(Bild: Grundhoff)

Eine gute Stunde später bietet der Walmart in der ehemaligen Eisenbahnermetropole Barstow einen weiteren Schnellladestopp. Hier haken wieder zwei der nur vier Ladesäulen und so zieht sich der ID.4 zu 80 Prozent den Akku voll, ehe die Ladegeschwindigkeit auf unter 50 kW absackt und es weiter nach Los Angeles geht. Erst einmal im San Bernadino Valley angekommen, muss man sich um die Ladesituation keinerlei Gedanken machen – die langsamen Säulen bieten 50 kW, die meisten gleich nebenan in Malibu, Santa Monica oder dem Beverly Hills 350. Hier können auch Fahrer von Autos wie einem Audi Etron GT oder Porsche Taycan die hohe Ladeleistung nutzen.

Mit dem Elektroauto durch den Westen der USA – das geht problemlos und gerade auch in den abgelegenen Regionen besser als gedacht. Über die generelle Infrastruktur muss man sich nicht sorgen, auch wenn der Druck auf die Ladesäulen zu Spitzenzeiten größer wird. Das lässt sich zumeist nur am Wochenende und an den Einkaufszentren spüren. Das ganze Ladehandling in den USA mit dem kontaktlosen Bezahlen per Kreditkarte ist vorbildlich und ebenso wie beim flüssigen Kraftstoff ist auch der Ladestrom deutlich günstiger als in Europa. Wo lässt es sich schon ohne einen bestehenden Vertrag zwischen 31 und 48 US-Cent pro Kilowattstunde laden?

Der VW ID.4 AWD konnte als Reisemobil mehr als überzeugen. Er verbrauchte auf 100 Kilometern umgerechnet nicht einmal 18 kWh und erreicht mit einem vollen Akkupaket locker 270 Meilen (430 Kilometer) oder mehr – selbst bei Berg- und Talfahrten, heißen wie kühlen Temperaturen. Was nicht überzeugen kann, ist das automatisierte Fahren, denn bereits nach wenigen Sekunden zwingt einen der Crossover zu leichten Lenkkorrekturen, da das Berühren des Kunstlederlenkrades nicht ausreicht.

Wenn es für den nächsten Roadtrip kein alter US-Klassiker von Rent a Wreck wie ein Cadillac Eldorado oder ein Ford Thunderbird vergangener Tage sein soll, dann gerne einen elektrischen VW ID.4. Der kostet in den USA mit dem kleinen 62-kWh-Akkupaket und Hinterradantrieb mindestens knapp 39.000 US-Dollar. Die 195 kW leistende Allradversion in der Pro-S-Variante mit der großen Batterie kostet knapp 53.000 US-Dollar.

(fpi)