Die C-Rate: Mit welcher Ladeleistung in Elektroautos gerechnet werden darf

Die C-Rate ist ein Vergleichsmaßstab für die Ladeleistung von Batterien verschiedener Größe. Ihr aktueller Anstieg liegt am verbesserten Temperaturmanagement.

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Catl beliefert viele Elektroauto-Hersteller, darunter auch Mercedes. Das Bild zeigt ein komplettes Batteriesystem, blau dargestellt die einzelnen Zellen.

(Bild: Mercedes)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Wer bietet weniger? Es dauert 45 Minuten, um die Traktionsbatterie des Kia Niro auf einen Ladestand von 80 Prozent zu bringen. Im VW ID.3 sind es nach der Werksangabe 35 Minuten. Beim Hyundai Ioniq 5 reichen dafür 18 Minuten. Die Qilin-Batterie des Weltmarktführers CATL braucht nur zehn Minuten. Wir wissen nicht, in welchem Elektroauto die Qilin-Batterie zuerst eingebaut wird. Nur, dass es Anfang 2023 so weit sein soll.

Die Hersteller veröffentlichen diese Werte, um den Interessenten eine praxisnahe Einschätzung zu geben, wie lange der Stopp an der Ladesäule minimal dauert. Die Minutenzahl ist ein leicht verständlicher Maßstab. Der Fachbegriff für den Vergleich der Ladegeschwindigkeit aber ist die C-Rate. Zurzeit wächst sie scheinbar unaufhaltsam.

Eigentlich bezeichnet die C-Rate, manchmal auch C-Koeffizient genannt, die Stromstärke in Ampere, mit der eine Batterie be- oder entladen wird. Sie bezieht sich grundsätzlich auf den maximalen Energieinhalt. Das ist die Basis, um die Ladegeschwindigkeit von Batteriesystemen mit unterschiedlicher Kapazität vergleichen zu können. 1C bedeutet, dass das komplette Be- oder Entladen eine Stunde dauert. Die meisten modernen Elektroautos liegen über diesem Wert. Die gängige Definition der C-Rate in der Praxis bezieht sich auf 75 Prozent des Ladehubs und wird meistens auf den kompletten Vorgang übertragen bzw. von dort hochgerechnet.

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Beispiel VW ID.3 mit 58-kWh-Batterie: Volkswagen gibt wie oben erwähnt 35 Minuten bis 80 Prozent an. Es ist wichtig, bei allen Herstellern das Kleingedruckte zu lesen, nämlich den SOC (für State Of Charge oder Ladestand) zu Beginn. Volkswagen fängt bei fünf Prozent an – die 35 Minuten beziehen sich also auf einen Hub von 75 Prozent. Andere Hersteller starten bei 10 oder gar 15 Prozent, deren Ladehub ist also kleiner. Eine vollständige Ladung würde im ID.3 rechnerisch(!) also knapp 47 Minuten dauern. Die mittlere C-Rate liegt demnach bei etwa 1,3 - hochgerechnet von der durchschnittlichen Ladeleistung im Ladefenster von 5 bis 80 Prozent SOH.

CATL sagt, dass die neue Qilin-Batterie in zehn Minuten auf 80 Prozent laden soll. Das entspricht, wenn man von einem Ladestand beim Start von zehn Prozent ausgeht, abgerundet ungefähr 4C: In einer Stunde wäre das Batteriesystem rechnerisch vier Mal komplett geladen; es ist real also eine Viertelstunde. CATL setzt damit eine Rekordmarke für Seriensysteme.

(Bild: CATL)

In der Lebenspraxis muss beachtet werden, dass die Industrie die Zellen des Systems im Verlauf eines Ladevorgangs meistens nicht gleichmäßig belastet. Viele Elektroautofahrer kennen das Phänomen, wenn sie an der Autobahn auf das Display der Säule beim Schnellladen gucken: Die Spannung in Volt steigt langsam an und nähert sich dem Maximum im Batteriesystem. Die Stromstärke in Ampere wiederum wird im Regelfall schrittweise deutlich reduziert; folglich sinkt die erzielbare Ladeleistung – dem mathematischen Produkt aus Spannung und Stromstärke – in Kilowatt.

Über die Wartezeit ergibt sich eine Ladekurve in Kilowatt, die ihren Peak in vielen Elektroautos bei niedrigen SOC hat. Das ist eine Auslegungsfrage; Audi etwa reguliert den e-tron anders, nämlich so konstant, dass sich eher ein Plateau als eine Kurve ergibt. Wie aber schafft es CATL mit der Qilin-Batterie in zehn Minuten auf 80 Prozent zu kommen?

CATL gibt an, 4C erreichen zu können - unabhängig davon, ob Lithium-Eisenphosphat- (LFP) oder Nickel-Mangan-Kobalt- (NMC) Zellen im System eingebaut werden. Qilin ist für beides vorbereitet. 4C bedeutet, dass die Traktionsbatterie in einer Viertelstunde komplett be- oder entladen werden kann. Der Ladehub von zehn auf 80 Prozent SOC würde also 10,5 Minuten dauern, was CATL offenbar abgerundet hat – eine werbetypische Unschärfe.

Die technische Voraussetzung, um hohe C-Raten zu erreichen, ist ein perfektes Temperaturmanagement. CATL hat die Kühlfläche, die Teil einer Funktionsebene zwischen den Zellen ist, gegenüber dem Vorgänger vervierfacht. Heizen ist mindestens genauso wichtig, weil das Laden von kalten Zellen die zyklische Dauerhaltbarkeit ruiniert ("Lithium-Plating"). Die C-Rate ist durch das Anodenmaterial begrenzt, das heute Graphit ist. In Zukunft werden Siliziumbeimischungen, wie es sie heute in geringem Ausmaß zum Beispiel bei Porsche gibt, für einen Zuwachs sorgen.

(Bild: CATL)

Entscheidend für diese Fähigkeit ist nach heutigen Maßstäben vorwiegend das Temperaturmanagement. Anders gesagt: Die Zellen im Batteriesystem müssen die ideale Temperatur haben und beim Laden auch behalten. Der Schlüssel fürs schadensfreie Schnellladen ist eine leistungsstarke Heizung oder Kühlung – je nachdem, was gerade erforderlich ist.

Und nochmal die Qilin-Batterie von CATL: Das bessere Temperaturmanagement führt zu höheren C-Raten und folglich zu kürzeren Standzeiten. Über bessere Batteriesysteme könnte also unabhängig von der Gesamtkapazität der Traktionsbatterie das Queuing an Ladeparks minimiert werden.

(Bild: CATL)

CATL löst das vor allem über eine überarbeitete Kühlebene zwischen den Zellen. Deren Fläche hat sich gegenüber dem konventionellen Vorgängersystem von CATL vervierfacht. Diese Funktionsebene zwischen den Zellen ist auch für die Erwärmung zuständig.