Mercedes C 300 Mildhybrid im Test: Rückbesinnung auf alte Stärken
Die C-Klasse ist wieder ein komfortables Reiseauto, mit spürbaren Fortschritten beim Infotainment. Schwächen leistet sie sich, wo wir es nicht erwartet haben.
Über viele Jahre hinweg dominierten japanische Autohersteller, wenn es um die zufriedensten Kunden ging. Das lag nicht etwa daran, dass sie unumstritten die besten Autos der Welt bauten, sondern schlicht besser als andere die Erwartungen ihrer Käufer erfüllten. Mercedes gehört zu den Marken, an die in dieser Hinsicht besonders hohe Ansprüche gestellt werden. Der Konzern befeuert dies noch mit dem Slogan "das beste oder nichts". Keine Frage, an Selbstbewusstsein mangelt es Verantwortlichen nicht. Der C-Klasse fällt dabei eine besondere Rolle zu, und die inzwischen fünften Auflage startet in eine Zeit des Umbruchs mit klassischen Werten. Was Überraschungen nicht ausschließt, wie unser Test mit einem C 300 zeigt.
Nähert sich der E-Klasse
Zunächst einmal müssen wir festhalten, dass dort ein inzwischen ziemlich stattliches Auto steht. Mit einer Länge von 4,75 m legt er gegenüber dem Vorgänger nicht nur 6 cm zu. Statt 1615 wiegt der C 300 4Matic nun 1730 kg. Letzteres mag dazu beitragen, dass sich die C-Klasse beim Fahren der E-Klasse annähert. Im Fahrmodus "Comfort" vermittelt sie mit jeder Faser den Eindruck einer schweren Limousine. Vier Jahre lang begleitete mich der Vorgänger samt Komfortfahrwerk und einer 225/50 R17-Bereifung. Der Neue ist nochmals erheblich weicher als diese Kombination, so sehr, dass sogar dem Fotografen beim Einfangen der Außenaufnahmen auffiel, wie die C-Klasse über die Rollachse wippt.
Tipp: Sportfahrwerk testen
Hat Mercedes mit dieser Nachgiebigkeit übertrieben? Das ist sicher eine Geschmacksfrage, die ich als ausgesprochener Komfortfan wie folgt beantworten würde: Die Abstimmung in den Modi "Sport" und "Sport plus" liefert mehr Rückmeldung, ohne jemals in Unkomfortable zu kippen. Wer also nicht die maximale Entkopplung von der Straße sucht, kann vermutlich bedenkenlos zum Sportfahrwerk greifen. Damit einher geht auch eine direkter abgestimmte Lenkung, im Testwagen noch verbunden mit der Hinterachslenkung. Mercedes ist für meine Begriffe ein sehr guter Kompromiss zwischen Rückmeldung und Dämpfung gelungen, wobei letzteres auch bei der Lenkung im Vordergrund stand.
Mercedes C 300 außen (7 Bilder)
BMW und Mercedes
In der vorherigen Generation dieser Klasse näherten sich Mercedes und BMW hinsichtlich der Fahrwerksphilosophie an, mit den Neuauflagen der ewigen Kontrahenten wird die Markenbotschaft wieder klar ersichtlich. Ob einem die aktive Art des 3er oder die Entkopplung der C-Klasse eher liegt, klärt eine kurze Probefahrt unmissverständlich. Dabei ist der BMW nicht unkomfortabel, und der Mercedes keine Schaukel. Dennoch ist klar, wo die Entwickler jeweils hinwollten. Beides hat seine Berechtigung und lässt sich in gewissen Grenzen über die Konfigurationen verstärken (BMW M-Paket und Mercedes Komfortfahrwerk) oder eben abmildern. Nebenbei: Einen solchen Lenkradkranz, dick wie eine schwäbische Flachswickel, hätte sich vor ein paar Jahren nur die M GmbH getraut.
Immer mit E-Motor
Der Testwagen hatte die zum Testzeitpunkt maximale Ausbaustufe der Motoren eingebaut. Der grundsätzliche Aufbau gleicht sich: Es wird auch perspektivisch nur noch Vierzylinder geben, die ausnahmslos über einen 48-Volt-Startergenerator mildhybridisiert sind. Der Zweiliter-Benziner leistet 190 kW. Im unteren Drehzahlbereich schiebt bei Bedarf ein E-Motor mit an, der nun 15 statt, wie im Vorgänger, 10 kW beisteuert. Das soll nicht nur den Anschub aus niedrigen Drehzahlen verbessern, sondern vor allem den Verbrenner in dieser verbrauchsintensiven Phase entlasten.
Nicht besonders temperamentvoll
Letztlich ist der Gesamteindruck des aktuellen Topmodells zwiespältig. Positiv bleibt zu vermerken, dass die realen Fahrleistungen trotz minimal schlechterer Werte gegenüber dem Vorgänger ausgezeichnet sind. Auch das Zusammenspiel mit der Neungang-Wandlerautomatik ist sehr harmonisch. Wohlwollend formuliert behelligt die Maschine die Insassen auch nicht mit einer nachdrücklichen Leistungsentfaltung. Denn der subjektive Eindruck bleibt hinter dem zurück, was dieser Antrieb bei Bedarf abzuliefern imstande ist. Etwas weniger charmant ließe sich das auch so ausdrücken: Zu den besonders antrittsfreudigen Motoren gehört der Zweiliter-Benziner in seinem direkten Umfeld nicht.
Überraschend präsent
Im Vorgänger bot Mercedes keine Sechszylinder-Diesel mehr an, nun ist auch bei den Benzinern mit diesem Luxus Schluss. Dahinter steckt ein knallhartes Kalkül: Nur wenige Käufer griffen zum C 400, der mit seiner überragenden Laufkultur die C-Klasse stets etwas aus dem in diesem Umfeld Üblichen heraushob. Diesen Zopf der automobilen Extravaganz hat Mercedes abgeschnitten. Die bisherige Rechnung, mit der sich der Kunde für viel mehr Geld mehr Laufkultur erkaufen konnte, ist Geschichte. Der C 300 klingt nicht nur wie ein ordinärer Vierzylinder, er ist akustisch sogar überraschend präsent. Natürlich ist die C-Klasse kein lautes Auto, ein herausragend leises aber auch nicht. Das ist eine Überraschung, und es bleibt nicht die einzige.
Verbrauch
Der Verbrauch bewegte sich im Test zwischen 6,7 und 11 Litern. Beide Extreme muss der Fahrer bewusst provozieren. Im Alltag wird der Verbrauch vermutlich bei rund 8 Litern liegen, außerordentlich sparsam ist das nicht. Auf der anderen Seite greift wohl auch kaum jemand zum Topmodell, um besonders niedrige Verbräuche zu erzielen. Falls das im Vordergrund stehen sollte, sind praktisch alle anderen Motoren in der C-Klasse besser geeignet. Dass Mercedes eine C-Klasse ohne batterieelektrischen Antrieb geplant hat, könnte die Marke noch teuer zu stehen kommen. Rechnet man mit den üblichen Produktionszeiträumen, soll dieses Modell immerhin bis 2028 gebaut werden. Bis dahin wird sich in diesem Kapitel eine Menge verändern.
Mercedes C 300 Technik (3 Bilder)
Für diesen Test bekamen wir einen Account bei der Telematik-Versicherung "InScore" von Mercedes freigeschaltet. Dort lässt sich der eigene Fahrstil analysieren. Das Ganze ist mehr als nur eine Spielerei, denn dahinter steckt die Möglichkeit, sich einen Rabatt zu "erfahren". Wer also Fahrten zur Hauptverkehrszeit verhindert und einen gleichmäßigen Fahrstil pflegt, kann etwas Geld sparen. Klar ist allerdings, dass man dafür dem Versicherer sein Fahrprofil offenlegen muss. Ob das reicht, um einen überschaubaren Prämiennachlass zu bekommen, wird jeder anders beurteilen. Mein Fahrstil wäre dem Versicherer ein Nachlass von acht Prozent wert.