Internationale Energieagentur: Chinesische E-Autos als Preisbremse für Europa

Elektroautos verkaufen sich schlecht, vor allem sind sie zu teuer. Autos aus China dürften jetzt die Preise drücken, meint die Internationale Energieagentur.

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BYD Seal U auf der IAA Mobility

BYD Seal U auf der IAA Mobility 2023 in München. Das Auto für deutlich über 50.000 Euro ist bislang noch nicht als Preisbrecher in Erscheinung getreten.

(Bild: Florian Pillau)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Marco Engemann
  • Jörn Petring
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Elektroautos chinesischer Hersteller sind noch selten in Deutschland. Sie haben 2023 gerade einmal knapp 34.000 Neuzulassungen erreicht. Doch ihre Zahl dürfte steigen. Bald kommen deutlich mehr von ihnen, unter anderem vom chinesischen Abräumer BYD, der in der Volksrepublik gerade mit aggressiven Rabatten den Markt auf den Kopf stellt.

Die deutschen Hersteller haben derzeit für den kleinen Geldbeutel kein Angebot, für mittelgroße ist es sehr überschaubar: Der ADAC stellte Anfang des Jahres eine Liste mit den 30 günstigsten Elektroautos zusammen. Dabei wurden die Kosten für Anschaffung und Betrieb einberechnet – ohne Rabatte. Der erste deutsche Vertreter fand sich mit dem Opel Astra Electric (Test) auf Rang 9 für 41.990 Euro. Nimmt man die ausländischen Volkswagen-Marken Cupra (Seat) und Skoda dazu, kamen nur 8 von 30 Autos aus deutschen Konzernen. Chinesische Autos waren in der ADAC-Auswertung noch nicht dabei. Auch der Opel Corsa Electric, den es aktuell als Sondermodell #Yes ab 29.990 Euro gibt, ist in dieser Aufstellung der Gesamtkosten nicht dabei.

"Die deutschen Autohersteller müssen sich im Heimatmarkt keine allzu großen Sorgen machen", glaubt Philipp Kupferschmidt, der bei der Unternehmensberatung Accenture im deutschsprachigen Raum für die Automobilindustrie verantwortlich ist. Denn so richtig billig seien die chinesischen Autos gar nicht. "Es ist der große Nachteil der chinesischen Autohersteller, dass sie sehr selbstbewusst mit hohen Preisen in den Markt gegangen sind. Da haben sie sich massiv verschätzt", sagt der Branchenkenner. "Daher gibt es bei BYD inzwischen auch erhebliche Preisnachlässe." BYD hat etwa als Konkurrenz zum VW ID.3 (Test) den Dolphin im Programm, als Gegenspieler zum VW ID.4 das Modell Atto.

Angesichts der schwierigen Lage auf dem Elektroautomarkt hätten die deutschen Anbieter eine Verschnaufpause bekommen, um Entwicklungsrückstände mit Blick auf E-Mobilität und Software sowie Infotainment aufzuholen, sagt Kupferschmidt. Neben dem Wegfall staatlicher Prämien sorgten auch die deutlichen Preissenkungen des Elektroauto-Platzhirschs Tesla dafür, dass am Markt Unsicherheit herrscht. Viele Käufer fragen sich: Wie viel ist mein teures Elektroauto in einigen Jahren überhaupt noch wert?

Andere Experten sehen dennoch eine offene Flanke bei den Deutschen. "Für viele Kunden ist es wichtig, dass man ein Auto für 15.000 bis 20.000 Euro kaufen kann", sagt Frank Schwope, der Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands in Köln und Hannover lehrt. "Das bezahlbare Elektroauto aus China ist ja so etwas wie die große Hoffnung des deutschen Bürgers." Es seien zwar Autos etwa von VW geplant, die 25.000 oder auch irgendwann 20.000 Euro kosten sollen. "Aber ob sie angesichts der Inflation jemals diese Marken knacken werden, ist fraglich".

Die Erschwinglichkeit sieht auch die Internationale Energieagentur (IEA) als einen Faktor bei der Verbreitung von Elektroautos. Wachsende Exporte chinesischer Hersteller, auf die 2023 mehr als die Hälfte aller Verkäufe weltweit entfielen, könnten den Druck auf die Autopreise weiter erhöhen, teilte die IEA heute in Paris mit. Chinesische Unternehmen mit Produktionsstätten im Ausland hätten in Überseemärkten einen starken Absatz erzielt, mit erschwinglicheren Modellen, die 2022 und 2023 auf den Markt gekommen seien.

In China waren 2023 nach IEA-Angaben über 60 Prozent der verkauften Elektroautos in der Anschaffung günstiger als ein entsprechendes Modell mit Verbrennungsmotor. In Europa und den USA blieben dagegen die Anschaffungspreise für Autos mit Verbrennungsmotoren im Durchschnitt billiger. Der zunehmende Wettbewerb und die besseren Batterietechnologien würden die Preise in den kommenden Jahren aber voraussichtlich senken. Schwopes Meinung nach könnte es sinnvoll sein, kompakte Fahrzeuge zu "vernünftigen Preisen" anzubieten. "Vor allem, da die chinesischen Hersteller hier angreifen werden und ihre Software und Batterietechnologie ausgereift ist." Nicht nur Start-up-, sondern auch Massenhersteller setzen zum Sprung an.

Der größte chinesische Autoexporteur Chery will dieses Jahr über niedergelassene Händler elektrisch und konventionell angetriebene Mittelklasse-SUVs anbieten. Dennoch: Ob Elektroautos viel erschwinglicher werden, steht auf einem anderen Blatt. Unter anderem könnte die Nachfrage nach günstigen Autos angesichts von Ladeproblemen insgesamt zu gering sein, um mit Massenproduktion über Größenvorteile zu günstigen Preisen zu kommen, gibt Accenture-Mitarbeiter Philipp Kupferschmidt zu bedenken.

"Chinesen werden in Westeuropa absehbar in den nächsten Jahren nicht der Retter für den kleinen Geldbeutel sein, sie wollen keine Billigheimer sein", sagt Kupferschmidt. Frachtkosten, Marketing und Zölle würden ohnehin viel vom Vorteil der niedrigeren Herstellungskosten aufzehren. "Das könnte sich mit eigener Produktion in Europa aber etwas ändern." Chery kündigte unlängst den Aufbau einer eigenen Produktion in Spanien an. Dafür ziehen die Chinesen mit einem Gemeinschaftsunternehmen in ein ehemaliges Nissan-Werk in Barcelona. BYD will derweil in einer eigenen Fabrik in Ungarn produzieren. Eigene Werke würden unterstreichen, dass man es ernst meine. "Von den Chinesen wird auch in Europa nicht jede Marke überleben, aber fünf bis zehn dürften es schon bleiben", sagt Schwope. "Mittel- bis langfristig könnten die 10 bis 15 Prozent der Marktanteile ergattern."

In China ist die Zuversicht groß, dass man mit den eigenen Elektroautos in Deutschland bestehen kann. Nicht nur wegen des Preises. "Ich glaube, dass chinesische Autos durchaus eine Chance haben, auf dem deutschen Markt erfolgreich zu sein", sagt Cui Dongshu, Generalsekretär des chinesischen Automobilverbands CPCA. Modelle aus anderen Ländern seien in Deutschland schließlich schon lange verbreitet. Deutsche Autokäufer müssten sich zudem bei chinesischen Fahrzeugen kaum umgewöhnen. Schließlich habe China die "automobilen Grundlagen" von Deutschland erlernt. Produkt- und Designkonzepte seien verwandt. Hinzu kämen Chinas Vorteile, was Innovationen angehe.

(fpi)