Bauer Power

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Im Cactus schaukelte es sich sehr bequem da hoch. Citroën hat sogar ein Reserverad in die Mulde gelegt, in die andere Hersteller Reifenreparaturschaum werfen, der einen NEFZ-Vorteil bringt – viel weniger Zittern um die Reifen war das Resultat. Auf der Strecke haben die Straßenbauer in regelmäigen Abständen Dämme quer aufgeschaufelt, an denen Wasser zur Hangseite hin ablaufen soll statt die Straße entlang. Um die zu queren, fährt man in Straßenautos in spitzem Winkel darüber, damit nicht der Aero-Überhang den Erstkontakt mit dem Dreck aufnimmt, sondern ein Vorderrad. Das hilft auch gegen Aufsetzen mit dem Wagenbauch. Mehr Fahrtechnik brauchte es nicht. Bis der Schnee kam.

Carving

Der Schnee kam früh, zuerst in den schattigen Waldabschnitten. Die Steigung war hier jedoch noch so gemäßigt, dass die Winterreifen ausreichten. Wir wechselten uns ab mit Spitze fahren, was beim Hinterherfahren eine Frage beantwortete, die ich mir oft gestellt habe: Warum fahren die Geländeautos hier selbst die ebensten Autobahnabschnitte im Schritttempo? "Philipp, in welchem Gang fährst du?", frage ich ins Funkgerät, weil ich gern in den zweiten schalten würde. "Im vierten", antwortet er. "Der sechste geht bis 30 km/h, glaub ich." Es liegt also daran, dass die in steilen Passagen eingelegte Geländeuntersetzung drin bleibt oder kurz: an reiner Bequemlichkeit.

Bald lag der Schnee neben der Straße geschlossen, die Fotostops nässten die Füße mit schmelzendem Wasser. Als die Vorderräder auf der immer steiler werdenden, schneebedeckten Strecke das erste Mal durchdrehten, startete ich daher keinen zweiten Versuch mit Schwung, sondern nutzte die Pause, um mir meine Alaska-Gummistiefel anzuziehen und der Kacktusse einen Satz Schneeketten. Kein Test eines französischen Bauernautos kann vollständig sein ohne Bedienung der Pedale in Gummistiefeln. Resultat: selbst mit gefütterten Gummistiefeln gut fahrbar.

Die Schneeketten machten die Fahrt durch den Schnee so einfach wie die vorher auf dem nassen Lehm. Ich hege sogar den Verdacht, dass der Schnee die Auffahrt deutlich komfortabler machte, als sie sonst gewesen wäre, weil es über die Geröllabschnitte sehr holprig wird ohne diese Dämpfung aus Luft mit Wasserkristallen, die so schön knirscht. Trotzdem ging es nicht so problemlos weiter. Irgendwann steckten wir das erste Mal fest. Aber es steckte nicht die Kacktusse im Schnee. Sondern der Defender.

Geländelampen

Als ich wegen der doch schon recht dünnen Luft schnaufend am Defender ankam, bot sich mir der tragische Anblick eines gestrandeten Wals: ein 2,5 Tonnen schweres Wohnmobil versuchte, mit Einradantrieb um ein winziges Eck durch den Schnee zu kommen. Das kann ja gar nicht gehen. "Die Differenzialsperre geht nicht rein", sagt Philipp. Diese Generation des Defenders schaltet eine Lampe ein, die bedeutet "alle Differenziale gesperrt", aber dieser konkrete Defender sperrte kein einziges Differenzial. Vielleicht ist das so wie beim "Terrain Response" des Range Rover Evoque: eine Lampe geht an, sonst passiert aber nix. Vorsichtig ließ Philipp das Wohnmobil rückwärts wieder herunterrollen. In der Ziehharmonika dieses Aufstiegs hinter dem Rifugio Scarfiotti musste der lange Defender in manchen Kehren einmal zurücksetzen wegen seiner Länge und seine schiere Masse zieht in in die Unebenheiten unter dem Schnee. Er ist einfach zu groß und zu schwer. Das kann die Kacktusse bestimmt besser, dachte ich. Alors!