Gereifte Jahrgänge

Motorrad-Youngtimer

Ein interessantes Thema für alle, die ein gebrauchtes Motorrad suchen, das nicht an Wert verliert. Youngtimer haben nicht nur bei den Autos Konjunktur, auch unter den Zweirädern gibt es Modelle, die das Zeug zum künftig begehrten Objekt haben

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Zweirad, Klassiker 17 Bilder
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Inhaltsverzeichnis

Köln. 8. Juli 2016 – Motorräder als Spekulationsobjekt? Das gibt es, aber um damit wirklich Profit zu machen, muss man schon sehr viel Geld in die Hand nehmen, für die meisten Motorradfans bleiben die betreffenden Modelle unerschwinglich. Als beispielsweise Honda letztes Jahr die RC213V-S auf den Markt brachte, musste der Käufer dafür satte 188.000 Euro auf den Tisch legen. Der MotoGP-Ableger wurde mit edelsten Teilen von Hand aufgebaut, war nur direkt im Werk in Japan bestellbar und streng auf 250 Stück limitiert. Alleine deshalb schon wird die Honda RC213V-S zukünftig heiß begehrtes Spekulationsobjekt für gut Betuchte bleiben.

Ähnlich verfuhr Ducati schon 2007 bis 2008 mit der Desmosedici RR, die ebenfalls als Ableger des Werks-Bikes aus der MotoGP galt. 1500 Stück verließen die Hallen in Bologna für je 55.000 Euro, aber zur Enttäuschung vieler Besitzer blieb der erhoffte große Wertzuwachs aus. Immerhin blieb ihr Preis stabil, wer sich vor neun Jahren eine Desmosedici RR gekauft hat, wird heute noch etwa den Neupreis von damals bekommen. Allerdings ist der Besitzer im Laufe der Zeit auch sehr viel Geld für Inspektionen, Verschleißteile und Versicherungen losgeworden. Bis die Desmosedici RR ihren Wert deutlich steigert, werden noch einige Jahre ins Land gehen. Aber dass sich Warten auszahlt, beweist etwa die Honda VFR 750 R, besser bekannt als RC30. Das Sportmotorrad war bei ihrem Erscheinen 1988 mit 27.500 D-Mark gut doppelt so teuer wie die Konkurrenz, galt aber auf der Rennstrecke als unschlagbar. In den nächsten drei Jahren wurden nur 3000 Stück von ihr gebaut. Heute wird selbst für mäßig erhaltene Exemplare weit über 20.000 Euro bezahlt.

Günstig, mit Chancen auf Wertsteigerung

Gibt es trotzdem die Möglichkeit, ein Motorrad jetzt günstig zu kaufen und es in ein paar Jahren immer noch gut weiterverkaufen zu können, vielleicht sogar mit ein bisschen Gewinn? Ja, unter den sogenannten Youngtimern haben etliche Modelle das Potenzial dazu. Maschinen, die noch nicht die 30 überschritten haben, ab dem sie als Oldtimer gelten und mit einem H-Kennzeichen versehen werden dürfen, aber schon einige Jahre auf dem Buckel haben. Sie sind zurzeit noch erschwinglich, könnten aber bald zum Klassiker reifen und damit ihren Wert steigern.

Die Frage ist, welche Modelle das sein werden. Die Antwort ist knifflig, ein Blick auf ältere Maschinen hilft hier. Heute hoch dotierte Modelle sind seltene, aber damals schon teure Motorräder, respektive einst sehr weit verbreitete Modelle, die sich der Käufer als Jungspund nicht hat leisten können oder aus sentimentalen Gründen noch einmal zulegen will. Das erklärt zum Beispiel den Preisanstieg der Yamaha XT 500, die mittlerweile längst Kultstatus genießt und von 1976 bis 1989 in großen Stückzahlen gebaut wurde. Im gut erhaltenem Originalzustand wird heute das Doppelte des Neupreises gezahlt.

Interessanterweise sind viele Oldies mit vier Jahrzehnten und mehr auf den Zylindern immer noch relativ günstig zu haben, solange es sich nicht um top restaurierte Exemplare handelt. Der Grund liegt vor allem an der Wartungsintensität und oft schlechten Ersatzteilversorgung. Nur wenige trauen sich heute noch zu, sie selber zu reparieren und Instand zu halten und auf Oldtimer spezialisierte Werkstätten sind rar und teuer. Entsprechend schrumpft der Interessentenkreis stetig und die Preise sind – von Ausnahmen abgesehen – nicht wie bei den Autos ins Absurde abgedriftet.

Natürlich hängt der Wert eines Youngtimers stark vom Zustand und der Laufleistung ab. Gute Pflege, ein korrekt ausgefülltes Inspektionsheft, kein Wartungsstau, sauber laufender Motor, halbwegs niedriger Kilometerstand, das Fehlen von Rost, Dellen oder Bastelarbeiten sind Grundvoraussetzung für den Werterhalt. So kann der Preis für ein Modell von wenigen hundert Euro bis zu einem fünfstelligen Betrag reichen. Ganz wichtig ist dabei der gepflegte Originalzustand – verbastelte Objekte mit tropfendem Motor, zwölf Vorbesitzern und sechsstelliger Laufleistung werden natürlich nicht an Wert zulegen.

Zeitlose Naked Bikes

Da Retro-Modelle heute sehr angesagt sind, dürften sie auch in absehbarer Zukunft begehrt bleiben. Somit kämen luftgekühlte Naked Bikes aus den 1990er Jahren wie die Kawasaki Zephyr, die es als 550er, 750er und 1100er gab, als Youngtimer in die nähere Auswahl, aber auch die Nachfolgerin ZRX 1100 im Stil des Superbikes von Champion Eddie Lawson. Desweiteren sind die Suzuki GSX 750 und GSX 1400, ebenso wie die Honda CB 750 Seven-Fifty und CB 1000 zukünftig wertsteigerungsverdächtig.

Eine solide Anlage dürfte die Yamaha XJR 1200 bzw. XJR 1300 bleiben, die nach über zwanzig Jahren immer noch gebaut wird und sich eines riesigen Fankreises erfreut. Diese Naked Bikes verfügen alle über ein zeitlos schönes Design, angelehnt an den Look der späten 1970er und frühen 1980er Jahre. Mit einem breiten Lenker, rundlichen Tank und einer bequemen Sitzbank ausgestattet und von einem luftgekühlten Reihenvierzylinder-Motor angetrieben, werden sie auch noch in vielen Jahren sympathisch erscheinen. Auch wenn der Wert dieser ehrlichen Naked Bikes mit Erreichen des Oldtimer-Alters sicher nicht sprunghaft steigen wird, darf man darauf hoffen, dass sie – gepflegter Serienzustand vorausgesetzt – jährlich um ein paar Prozent im Durchschnittspreis zulegen werden.

Besonderes Augenmerk sollte man auf die früher weit verbreiteten Modelle wie die Suzuki GSF 1200 Bandit haben, egal ob mit oder ohne Verkleidung. Die „große” Bandit wurde ab 1995 elf Jahre lang gebaut und galt immer als durchzugsstark und solide. Suzuki verkaufte sie in gewaltigen Stückzahlen und es sind genau diese Bikes, die früher selbstverständlich im Straßenbild waren, die zwei oder drei Jahrzehnte nach Produktionsende gesucht sein werden. Dazu zählt sicher auch der Tourensportler Honda VFR 750 bzw. VFR 800, der seine Besitzer durch Problemlosigkeit und Zuverlässigkeit überzeugte, ebenso wie die Yamaha FJ 1200, ein Powertourer aus den späten 1980er und frühen 1990er Jahren, der bei Reisenden äußerst beliebt war. Alle drei Modelle sind zurzeit zum Schnäppchenpreis zu haben und werden in einigen Jahren, wenn viele Exemplare den letzten Weg zum Schrottplatz längst hinter sich haben, höchstwahrscheinlich begehrt sein. Das mit Abstand häufigste Auto mit H-Kennzeichen in Deutschland ist der VW Käfer. Einst das erschwingliche, zuverlässige Gefährt des kleinen Mannes, heute gesuchte Rarität.

Reiseenduros bleiben beliebt

Gute Chancen auf Wertzuwachs haben auch die einst beliebten Reiseenduros. Die BMW-Boxer-Enduros R 80 GS und R 100 GS, die bis 1996 gebaut wurden, erweisen sich dank simpler Technik und guter Ersatzteil-Versorgung als zuverlässig und erfüllen ihren Zweck als Reisebegleiter immer noch hervorragend. Sie gelten jetzt schon als Klassiker und werden im gepflegten Zustand wohl nicht mehr im Preis sinken. Ähnliches gilt für die legendäre Honda XRV Africa Twin als 650er und später als 750er, deren V2-Motoren als unkaputtbar galten. Laufleistungen von über 200.000 Kilometer waren keine Seltenheit. Die optisch an das damaligen Rallye-Werksmotorrad von Honda angelehnte Africa Twin wird seit geraumer Zeit wieder verstärkt nachgefragt, doch noch halten sich die Preise im Rahmen. Aber auch der zivilere Ableger der Reiseenduro, die von 1987 bis 1999 gebaute Honda XL 600 V Transalp, wurde damals in großen Stückzahlen verkauft und genießt einen guten Ruf, was die Preise in einigen Jahren anziehen lassen dürfte.

Die meisten anderen Youngtimer-Reiseenduros werden wohl nie in den Genuss nennenswerter Wertsteigerung kommen. Manche hatten darauf spekuliert, dass Exoten wie die Cagiva Elefant, Aprilia Pegaso oder Moto Guzzi Quota 1000 einmal heiß begehrt sein würden, warten aber bis heute vergeblich darauf. Selbst die früher recht bekannte Yamaha XTZ 750 Super Ténéré ist immer noch für deutlich unter 3000 Euro zu haben.

Fast alle einzylindrigen Sportenduros werden ihren Wert wohl nie mehr steigern, denn die deutlichen Gebrauchsspuren und der hohe Verschleiß durch den Offroad-Einsatz nagen zu sehr an ihnrer Substanz. Selbst die einst beliebten Geländehämmer wie die KTM 620 LC4 oder Yamaha XT 600 sind nach rund zwei Jahrzehnten nur noch zu niedrigen Kursen verkäuflich und daran wird sich wohl auch nichts ändern. Sehr speziell verhält es sich jedoch bei einer kleinen Enduro: Die Suzuki DR 350 hat sich in den 1990er Jahren blendend verkauft und erfreute durch Zuverlässigkeit und Geländetauglichkeit. Bis vor einigen Jahren bekam man sie billig hinterhergeschmissen, doch inzwischen kursieren gut erhaltene Exemplare in den einschlägigen Internet-Portalen für den damalige Neupreis – vorausgesetzt, sie besitzt einen E-Starter, der ab Baujahr 1995 wahlweise erhältlich war. Doch wer lange genug sucht, findet noch einige ordentliche DR 350 zum Schnäppchenpreis und darf auf steigenden Wert hoffen. Fast genauso verhält es sich mit ihrer Nachfolgerin Suzuki DR-Z 400, die besonders als Supermoto-Variante gesucht ist.

Sportmotorräder nur im Originalzustand

Im Bereich Straßensportlern werden nur wenige Youngtimer-Modelle ihren Wert halten oder gar steigern können, und das auch nur im absoluten Originalzustand – was aber gerade bei den Sportbikes, die früher gerne mit anderen Auspuffanlagen, Lenkern, Felgen, Federelementen und Leistungssteigerungen getunt wurden, relativ selten der Fall ist. Unter den möglichen Kandidaten tummelt sich die erste Yamaha YZF-R1, die von 1997 bis 1999 gebaut wurde. Sie war radikal für den Sporteinsatz konzipiert und beeindruckte mit 150 PS bei nur 177 Kilogramm Trockengewicht. Ihr Design war lange Zeit richtungsweisend und wird die R1 irgendwann zum Sammlerobjekt werden lassen. Auch die frühen Honda CBR 900 RR ab Baujahr 1992 könnten einmal zu den begehrten Sportbikes gehören, falls sie im Serienzustand belassen wurden.

Beachtliche Kurssprünge haben bereits die japanischen Zweitakt-Renner mit vier Zylindern gemacht, namentlich die Suzuki RG 500 Gamma und Yamaha RD 500 LC. Sie stehen haarscharf an der Grenze zum Oldtimer bzw. sind gerade drüber und wer sich noch vor fünf Jahren eine der seltenen Zweitaktfräsen zugelegt hat, kann heute den doppelten Preis dafür verlangen.

Kultbikes aus Italien

Einen bekanntlich hohen Kultstatus genießen Ducatis. Die sportlichen Modelle aus Bologna waren noch nie billig und Modelle wie die ab 1994 gebaute Stil-Ikone Ducati 916 und die Nachfolgerinnen 996 und 998 sind in den letzten Jahren zwar preislich bereits gestiegen, aber durchaus noch bezahlbar. Allerdings sollten man sich darüber im Klaren sein, dass die Diven aus Italien sehr wartungsintensiv und nicht immer zuverlässig sind. Dennoch wird ihr Wert mit allergrößter Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren noch deutlich wachsen.

Auch die luftgekühlten Ducati 900 SS der Baujahre 1991 bis 1997 sind trotz des hässlichen Kürzels eine Erwägung wert. Sie erfreuten mit einer hübschen Optik, rasselnder Trockenkupplung und sind momentan noch einigermaßen günstig zu haben. Bei kundiger Pflege bestehen gute Chancen auf eine Wertsteigerung.

Besitzer anderer italienischen Exoten wie Bimota, Moto Morini oder Gilera können sich leider nicht auf den Seltenheitsstatus verlassen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ihre Modelle im Wert zukünftig steigen werden, dafür hängt ihnen der Ruf der Unzuverlässigkeit – nicht ganz zu Unrecht – zu sehr nach. Einzig Moto Guzzi könnte hier eine Ausnahme machen, denn die Fans der Marke gelten als sehr treu und zahlen für Youngtimer wie die Mille GT jetzt schon ordentliche Preise. Hinter der Marke Aprilia steht ein großes Fragezeichen bezüglich Wertsteigerung, aber es ist nicht auszuschließen, dass zumindest die RSV Mille mit V2-Motor in Zukunft zum Sammlerobjekt mutiert.

Wenig Hoffnung auf Schnäppchen dürfen sich die Fans von Harley-Davidson machen. Günstig wird es die Kult-Bikes aus den USA nie geben, dafür sind sie zu begehrt. Wer jedoch eine besitzt, darf sich über einen hohen Werterhalt freuen.

Einst verschmäht, heute begehrt

Kurios ist die Entwicklung von Modellen, die früher kaum verkauft wurden, weil sie ihrer Zeit voraus waren oder über ungewöhnliche technische Lösungen verfügten, wie etwa die BMW K1. Das komplett in wulstiges Plastik gepackte Sportmotorrad sollte mit guter Aerodynamik bestechen, fiel aber wegen ihres aufgepumpten Aussehens beim Publikum durch. Von 1988 bis 1993 wurden keine 7000 Stück gebaut und sie waren lange Zeit als Gebrauchte kaum zu verkaufen. Inzwischen gilt sie aber wegen ihrer Seltenheit als Geheimtipp und zieht bereits in den Preisen an.

Einen Preissprung hat die Ducati Paul Smart 1000 LE, von der 2006 nur rund 2000 Stück produziert wurden, bereits vollzogen. Vor zehn Jahren verlief ihr Verlauf nur sehr schleppend, die Käufer konnten dem Retro-Style der 1970er Jahre nicht viel abgewinnen. Heute liegt sie voll im Trend und die seltenen Exemplare gehen nicht unter 15.000 Euro weg, was dem damaligen Neupreis entspricht – Tendenz steigend.

Ähnliches steht vermutlich der Marke Buell bevor. Die amerikanischen Sportmotorräder mit Harley-Davidson-Motor wurden während ihrer Bauzeit zwar allseits mit Wohlwollen betrachtet, doch nur wenige konnten sich zum Kauf des exotischen US-Sportlers mit den unkonventionellen Detaillösungen durchringen. Seit die Marke vom Mutterkonzern Harley-Davidson 2009 über Nacht dichtgemacht wurde, fristen die gebrauchten Buells ein relativ unauffälliges Dasein, aber das dürfte sich in nicht allzu ferner Zukunft ändern. Sie haben die besten Voraussetzungen zum Kultmotorrad. Beispielsweise gibt es die Buell XB 9 R oder XB 12 R mit gefälliger Optik, kleiner Halbschalenverkleidung und dem obligatorischen fetten Rahmen schon für rund 3500 Euro, in einigen Jahren werden sie zu Sammlerobjekten werden.

Aktuelle Motorräder werden wahrscheinlich kaum noch Oldtimer

Mit ziemlicher Sicherheit werden viele aktuelle High-Tech-Bikes den Oldtimer-Status nicht erreichen. Aus dem einfachen Grund, weil die heutige komplizierte Elektronik in dreißig Jahren nicht mehr reparabel, kein Software-Update mehr möglich und Elektronik-Teile nicht mehr vorhanden sein werden. Motorräder, die gegenwärtig als State-of-the-art gelten, werden frühzeitig auf dem Schrott landen, weil die Elektronik nicht mehr mitspielt.

Je simpler die Technik des Motorrads, desto größer die Chance, dass es in einigen Jahrzehnten noch auf der Straße fahren wird. Motoren, die mit normalem Standard-Werkzeug repariert werden können, werden auch entsprechend lange durchhalten. Blech lässt sich mit relativ geringem Aufwand nachbauen, bei Kunststoff ist das schon erheblich schwieriger und die Motorradhersteller horten ihre Ersatzteile nur über einen relativ kurzen Zeitraum. Sobald der Seitendeckel aus Kunststoff im Lager abverkauft ist, muss man sich auf die mühsame Suche auf dem Gebrauchtmarkt machen. Wenn aber in zwei Jahrzehnten die veraltete Elektronik streikt, ist der Weg für das Motorrad mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Ende.

Es gibt keine Garantie, dass die hier vorgestellten Youngtimer in Zukunft tatsächlich an Wert zulegen werden, da verhält es sich wie bei den Aktienkursen. Aber selbst, wenn die Preise für das auserwählte Motorrad in einigen Jahren sinken sollten, hat man immerhin viel Spaß beim Fahren gehabt – und das ist unbezahlbar.