Test: BMW 118d

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Eine kurze Rückblende in das Jahr 2004: Die ersten BMW-X-Modelle fuhren schon fleißig Rendite ein, doch frontangetriebene Vans mit Dreizylindern waren noch in weiter Entfernung. Der 3er war hochwertig ausgekleidet wie nie zuvor und mit einem freisaugenden Reihensechszylinder in einem finanziellen Bereich, der irgendwie noch erreichbar schien. Das waren die Begleitumstände zum Start des ersten 1ers.

Aus der Masse

Es war im September 2004, ein herrlicher Spätsommer-Samstag. BMW stellte den ersten 1er zu den Händlern und hatte sich eine durchaus mutige Aktion ausgedacht. So konnte man an diesem Tag beim BMW-Händler nicht nur den brandneuen 1er fahren, sondern auch Konkurrenten wie den VW Golf 5. Der erste 1er, den ich an diesem Tag in die Finger bekam, war ein 116i. Ich selbst fuhr zu dieser Zeit einen 3er aus den späten 1980er, und schon nach wenigen Kurven im 1er war mir trotz des schlappen Motors klar: Das Ding ist wieder ein echter BMW. Die nur schwer zu beschreibende Art, wie Fahrwerk, Lenkung, Schaltung und Sitzposition miteinander verzahnt waren, hob dieses Auto augenblicklich aus der Masse heraus. Der Klassiker: Verlassen Sie mal mit dem 1er flott einen Kreisverkehr. Eine sehr gute Ausbalancierung, jede Menge Traktion und eine präzise Lenkung machen das zu einem Genuss.

Die in diesem Jahr vorgestellte, dritte Generation ist, soviel sei schon an dieser Stelle verraten, ein gutes Auto mit zahlreichen Qualitäten geworden. Eines, das Freude machen kann. Eines, das verdammt gut fährt. Das aber, was den 1er bisher so besonders gemacht hat, ist verschwunden. Ich habe im Vorfeld einiges gelesen über den dritten 1er, wie gut die Traktion und wie wenig Antriebseinflüsse in der Lenkung seien. Als ich zügig bei der BMW-Testwagenausgabe in Garching vom Hof fuhr, hatte ich das erste Mal die Traktionskontrolle auf den Plan gerufen, ohne Rasanz angefordert zu haben.

Geschnitten

Ich fühlte mich ein wenig an eine Audi-A4-Probefahrt vor vielen Jahren erinnert, bei der ich als Linksabbieger mich etwas beeilen musste. Mein damaliger Dreier wäre einfach um die Ecke gefahren, im A4 erntete ich zahlreiche elektronische Eingriffe. Ganz so ist es im neuen 1er nicht. Er lässt sich durchaus zügig bewegen, doch es macht einfach weniger Freude als bisher, ihn zu scheuchen. „Die Normalität ist eine gepflasterte Straße; man kann gut darauf gehen, doch es wachsen keine Blumen darauf“, bemerkte van Gogh einst. BMW hat die Blumen sorgsam geschnitten, weg sind sie trotzdem.

Noch im Vorgänger konnte BMW sich eine herrlich präzise und direkte Lenkung erlauben, die Vorderräder waren ja von Antrieb befreit. Im neuen 1er ist sie fühlbar gedämpft, sie filtert viel mehr heraus. Für ein Auto mit Frontantrieb ist das fraglos sehr ordentlich gemacht, doch der in dieser Hinsicht sehr gelungene Mazda 3 ist keineswegs unterlegen.

Rappit-Mode

Im Testwagen war das adaptive Fahrwerk eingebaut – mit 500 Euro ist es angesichts der sonstigen Preise geradezu erstaunlich günstig. Der Unterschied zwischen Komfort und Sport ist hier ähnlich groß wie im BMW X1: Im Sportmodus ist das Fahrwerk derart unnachgiebig, dass es ein Kollege es spöttelnd als „rappit-Mode“ bezeichnete. Der 1er wirkte damit hoppelig, in sehr flott angegangenen Kurven neigte sich die Karosserie kaum, doch schon kleine Unebenheiten hinterließen das Gefühl, der 1er würde versetzen. Im Komfort-Modus erschien der ganze Aufbau viel ruhiger, die Traktion aus Kurven mit nicht absolut glattem Belag war ungleich besser. Das Fahrwerk liefert auch dann noch einiges an Rückmeldung, doch das Ansprechverhalten auf kleine Unebenheiten ist ausgezeichnet.

Viel Lob bekam der 118d für das gelungene Zusammenspiel von Motor und Getriebe. Selbst mein Kollege Daniel, privat unterwegs mit einem 140i, war überrascht, wie gut der Zweiliter-Diesel zog. 150 PS und 340 Nm genügen für reichlich Fahrspaß in dieser Klasse noch immer vollauf. Bei den absoluten Fahrleistungen setzt BMW keine neuen Maßstäbe, doch die Maschine tritt kräftig an. Nüchtern betrachtet hat man hier schon mehr Leistung, als es eigentlich braucht.

Großes Kino

Minimal kam ich über Land auf 4,7 Liter/100 km, mein Kollege Christian, stets um eine kurze Fahrzeit bemüht, auf knapp 7 Liter. Der Schnitt lag bei uns insgesamt bei 5,7 Litern. Ganz interessant: Im Bordcomputer gibt es einen Verbrauchszähler „ab Werk“. Der zeigte 6,3 Liter an, was für mich andeutet, dass viele den 118d zur Eile trieben. Der serienmäßige Tank fasst 42 Liter, eine Vergrößerung auf 50 Liter lässt sich BMW mit 50 Euro extra bezahlen.

Demnächst veraltet

Aktuell erfüllt der 118d die Abgasnorm Euro 6d-Temp. Wer jetzt einen kauft, hat binnen Jahresfrist kein Auto mehr auf dem neuesten Stand, denn spätestens nach den nächsten Sommerferien wird BMW auch diese Maschine auf die Euro 6d umstellen. Wer das heute schon haben will, muss auf den 116d ausweichen, der zumindest die Euro 6d-ISC einhält. Die in gut einem Jahr zur Mindestanforderung werdende Euro 6d-ISC-FCM erfüllt auch er noch nicht.

Angenehm ist, wie gut BMW den Diesel gekapselt hat. Das Geräuschniveau liegt spürbar unter dem des kürzlich gefahrenen Opel Astra (Test). Das betrifft nicht nur den Antrieb, sondern auch Fahrwerks- und Windgeräusche. Hier übertrifft der 1er auch seinen Vorgänger, was gerade in Bezug auf den Antrieb bemerkenswert ist. Denn ein quer eingebauter Motor strahlt tendenziell mehr Schall in Richtung Innenraum als ein längs eingebauter.

Der Rest im Schnelldurchlauf: Der dritte 1er bietet etwas mehr Platz als die Vorgänger, die etwas eng geschnittenen Sportsitze sollte sich jeder gönnen, der reinpasst. Bemerkenswert ist die hervorragende Verarbeitung. Ich habe in der Redaktion den Beinamen „Fugen-Franzel“, weil ich zu den Menschen gehöre, die meinen, für das viele Geld darf ein Auto gerade zusammengesteckt sein. Im Testwagen war nur die Tür hinten rechts nicht sauber eingepasst.

Großes Kino

Natürlich sind die Presseautos fast immer mit allem vollgestopft, was die Preisliste hergibt. Wie in der Mercedes A-Klasse rate ich auch hier zur großen Ausbaustufe des Infotainmentsystems, wenngleich das mit diesem seltsamen Kombiinstrument verbunden ist, in dem der Drehzahlmesser gegen den Uhrzeigersinn läuft. Tempo, Funktionsumfang und auch die Bedienung liegen an der Spitze dessen, was aktuell zu haben ist.

Man muss sich etwas einarbeiten, doch BMW hat sich eine schlaue Menüführung einfallen lassen. Die Wege zu oft genutzten Funktionen lassen sich über die nahezu frei belegbaren Favoritentasten abkürzen. Warum das nicht Schule macht, kann ich nicht sagen. Große Fortschritte gibt es bei der Sprachsteuerung, die hier so ausgezeichnet zuhört wie in der A-Klasse. Christian fühlte sich etwas arg überwacht: Die Sprachsteuerung reagierte bei ihm hin und wieder unaufgefordert. Uneingeschränkt gut fanden alle Fahrer das scharfe Head-up-Display.

Etwas fummliger als bisher ist die Bedienung der Klimaautomatik, wobei diese – dem Entwickler sei Dank – noch immer über eigene Tasten eingestellt werden kann. Laut/leise und kalt/warm lassen sich im 1er regulieren, ohne in irgendwelchen Untermenüs auf einem Bildschirm herumtappen zu müssen.

Ein teurer Spaß

Der Testwagen hatte nicht alle Assistenten, die für den 1er momentan lieferbar sind. Doch was eingebaut war, funktionierte fast alles hervorragend. Dazu zähle ich auch das Matrix-Licht, das viele andere im wahrsten Sinne des Wortes in den Schatten stellt. Ausleuchtung und Schattierung von anderen Verkehrsteilnehmern waren tadellos. Christian äußert sich kritisch zum Notbremsassistent: Beim Rückwärtsfahren nerve dieser mit Fehlfunktion, eine Notbremsung beim Einparken erfolge schon bei weiter Entfernung von einer Mauer.

Kosten

Der sehr umfangreich, aber nicht komplett ausgestattete Testwagen kam auf einen Listenpreis von mehr als 52.000 Euro. Sicher, sehr viel mehr kann man für einen 118d „Sport Line“mit Automatik nicht ausgeben, denn mal abgesehen von ein paar Kleinigkeiten fehlten diesem 118d nur noch eine Anhängerkupplung, Abstandstempomat und Panorama-Schiebedach. Eine derartige Ausstattungsfülle wird sich privat in einem 118d vermutlich auch kaum jemand gönnen. Allein in den in der Sport Line serienmäßigen Sportsitzen steckten im Testwagen weitere 2700 Euro Aufpreis: 950 für die elektrische Sitzverstellung inklusive Speicher und 1750 für Lederbezüge plus Sitzheizung.

Nur das einmal grob ins Verhältnis zu setzen: Für dieses Geld lässt sich auch ein Mercedes C 180 T-Modell inklusive Automatik, Leder, und den großen Ausbaustufen von Navi und Licht zusammenstellen. Und dieses Auto steht nun wahrlich nicht im Verdacht, von automobilen Grabbeltisch zu stammen. Hat BMW bei den Preisen überzogen? Das entscheidet der Markt.

Nüchtern betrachtet

Der 118d fährt zweifelsohne ausgezeichnet, wenngleich nicht mehr außergewöhnlich wie die Vorgänger. Wer nur durch die Gegend kullern mag – bei sicher gar nicht so wenigen 1er-Fahrern und Fahrerinnen der Fall – ist der Unterschied klein. Dafür braucht es dann nüchtern betrachtet aber keinen teuren BMW 1er. Ein Ford Focus (Test) oder Mazda 3 (Test) bieten weniger Optionen als im 1er möglich sind, dramatisch schlechter fahren sie jedoch keineswegs. Doch auch der dritte 1er wird Abnehmer finden, denen das Gefühl, einen BMW zu fahren, den gewaltigen Aufpreis wert ist. Dass dieses Gefühl einst einen wahren Kern hatte, verblasst in der Erinnerung und spielt für die Zielgruppe vermutlich auch nicht mehr die entscheidende Rolle.

Die Kosten für die Überführung und Kraftstoff hat der Verlag übernommen.