Nach wie vor wenig Elektroautos – aber dafür wieder gute Stimmung

Was bringt der Pariser Autosalon?

Während Renault in Paris gleich drei serienmäßige Elektro­autos zeigt, provo­zieren zwei deutsche Hersteller mit Elektro­rollern. Ansonsten erweist sich der Autosalon als erstaunlich konventionell

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  • ggo
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Paris (Frankreich), 4. Oktober 2010 – Ob es daran liegt, dass die Geschäfte wieder prima laufen? Denn auf dem Pariser Autosalon 2010 sind Elektroautos nicht so dominant, wie man es vor ein oder zwei Jahren wohl erwartet hätte. Natürlich zeigen die Großserienhersteller Elektroautos, mit besonderer Hingabe Renault/Nissan sowie PSA, die sich zumindest in der öffentlichen Darstellung klar als Vorreiter positionieren, aber deren Modelle kannte man im Großen und Ganzen bereits vorher. Die deutschen Hersteller halt sich weiter zurück, beschränken sich größtenteils auf die Variation von bekannten Studien.

Wenig Elektrisches von Volkswagen

Beispiel Volkswagen: Am weitesten vorwärts weist ausgerechnet der Seat IBE. Dass nicht die Kernmarke VW etwas Vergleichbares zeigt, irritiert, denn warum sollte ausgerechnet die finanziell schwächste Konzerntochter zum Vorreiter bei Elektroautos werden? Geradezu wie ein ironischer Beitrag wirkt der Skoda Octavia Green E Line auf Basis der tschechischen Familienlimousine, die bekanntlich nicht gerade als Design-Revoluzzer vorfährt. Gut, er soll für Flottentests eingesetzt werden, um die Alltagstauglichkeit zu testen – aber sonderlich inspiriert wirkt das nicht.

Audi bringt den e-tron nicht einmal mehr als Elektroauto mit, sondern als Plugin-Dieselhybrid, leider inklusive der für diesen Hybridtypus üblichen, weltfremden Verbrauchsangabe. Wann wagt sich endlich ein Hersteller vor und dröselt den merkwürdigen Messzyklus für Plug-in-Hybride kundengerecht auf? Andererseits ist das Konzept des Hybrid-e-tron ehrlicher als das vieler reinen E-Autos: Es könnte schon jetzt gebaut werden, vielleicht mit geringerer Batteriekapazität, aber für die angepeilte Klientel sicherlich bezahlbar. Abgesehen vom politisch korrekten Plugin-Modus ist der e-tron vor allem ein sportlicher Dieselhybrid, an dem Sportwagen-Fans mit Sparwillen sicher ihre Freude hätten.

Daimler fährt weiter mehrgleisig

Daimler zeigt in Paris immerhin die A-Klasse E-Cell, der Elektro-Smart befindet sich schon in der zweiten Generation und das Unternehmen überlegt sogar, Batterien an den Kooperationspartner Renault zu liefern – die größeren Stückzahlen sollen die derzeit noch viel zu hohen Preise senken. Gegenüber der dpa sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche zum Thema Null-Emissions-Fahrzeuge: "Wir werden über einige Jahre als Hersteller noch keine Gewinne mit solchen Fahrzeugen erzielen können. Im Gegenteil, wir werden hohe Aufwendungen haben in der Entwicklung, in den Investitionen. Aber es ist wichtig, dass wir als Erfinder des Automobils in dieser neuen Phase der Neuerfindung wiederum die Nase vorne haben und die Richtung bestimmen, in die diese Entwicklung geht."

Ein Herz für zwei Räder

Zwar ist der Pariser Autosalon in Europa nur die Nummer 3 hinter Frankfurt und Genf, dennoch hätte man die Franzosen bei ihrem Heimspiel ruhig ein bisschen mehr kitzeln können – oder haben wir da etwas übersehen? Der erstaunlichste Beitrag zweier deutscher Hersteller – Mini und Smart – bestand eigentlich in deren Vorschlägen für einen elektrischen City-Roller, die vermutlich technisch noch nicht einmal besonders schwer zu realisieren sind. Gefährten dieser Art gibt es längst, bisher allerdings meist in Billigausführung. Die beiden Stromer wirken wie aufmüpfige kleine Spitzen an die Adresse der Franzosen: "Mehr als Roller braucht ihr in der Stadt doch gar nicht – und im Unterschied zu einem ausgewachsenen Elektroauto sind sie erschwinglich".

Renault stellte zwar in Paris endlich Grundzüge eines Preismodells für Elektroautos vor, das vernünftig klingt, zumindest im Rahmen der heutigen Möglichkeiten. Aber nach wie vor wird zum x-ten Mal nicht die Frage beantwortet, wie Elektroautos langstreckenfähig werden sollen. Aus angegebenen 150 Kilometern Reichweite werden in der Praxis leicht 100, ein völlig unzureichender Wert für ein Fahrzeug, das heutigen Vorstellungen der Individualmobilität gerecht werden soll. Ein Roller kommt mit rund einem Fünftel Batteriekapazität genauso weit und wird in der Praxis meist ohnehin für kurze Strecken eingesetzt. Man muss nicht einmal den Grünen folgen, die ab 2020 in Innenstädten nur noch Elektroroller zulassen wollen: E-Roller werden von ganz alleine kommen, weil sie schon bald erschwinglich sein werden. Und offenbar wollen einige Autohersteller etwas von diesem Kuchen abbekommen.

Die Industrie hat wieder Spaß

Dass sie es mit den Elektroautos weiter geruhsam angehen lassen, liegt wohl auch an den teils blendenden Absatzzahlen, die allerdings nichts mit dem europäischen Markt zu tun haben. Die Exporte stiegen um 5 Prozent auf mehr als 3,1 Millionen Fahrzeuge, berichtet der VDA. Der Autoforscher Stefan Bratzel von der FH Bergisch Gladbach rechnet sogar damit, dass die Automobilindustrie weltweit auf Rekordgewinne zusteuert. Am profitabelsten sei derzeit allerdings der koreanische Hyundai-Konzern mit einer Umsatzrendite von 8,7 Prozent. Doch auch die deutschen Hersteller stünden gut da, so etwa BMW mit 7,8 Prozent, Daimler mit 7,1 Prozent oder VW mit rund 5 Prozent. Und vor gut zwei Wochen meldete die dpa, dass deutsche Autos in China gefragt seien wie nie – ausgerechnet dort, wo Branchenbeobachter die schnellste Entwicklung in der Elektromobilität erwarten.

Und welche Erkenntnisse bringt Paris? Die wohl wichtigste Neuheit der Deutschen ist eine Durchschnittslimousine nach bewährtem Muster – der VW Passat. Er ist im neuen Stil des Hauses noch etwas sachlicher geworden und repräsentiert ganz nüchtern einen Höhepunkt konventioneller Automobiltechnik, der wird auch Chinesen und Amerikanern gefallen. Vorläufig bleibt fast alles beim Alten: Elektroautos sind zu teuer, Hybride etablieren sich nur langsam; in der Masse müssen vorläufig Spar-Hilfen wie Start-Stopp-System, Bordnetz-Rekuperation und Downsizing helfen. Das beste am Pariser Autosalon 2010 ist wohl, dass allenthalben wieder gute Laune in der Industrie eingekehrt ist. Die Angst vor neuerlich steigenden Spritpreisen ist vorläufig vertagt.