E-Fuel-Hersteller: "Wir wollten etwas tun, als nur geredet wurde."

Von allen synthetischen Treibstoffen erhielten E-Fuels aus Strom die meiste Presse und die meiste Lobbyarbeit. Was kommt aus Haru Oni und den Folgeanlagen?

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(Bild: HIF)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in English)

Kraftstoffe werden derzeit fast ausschließlich aus Rohöl gewonnen, doch alternativlos ist das nicht. Es gibt verschiedene Verfahren, mit denen sich Treibstoffe auch auf anderem Weg herstellen lassen. Sie alle haben allerdings eines gemeinsam: Sie sind Nischenlösungen, die absehbar kaum nennenswerte Anteile auf dem Markt erreichen werden. Das hat verschiedene Gründe, die wir in dieser Artikelreihe beleuchten wollen.

Die Dominanz der elektrisch erzeugten E-Fuels im öffentlichen Diskurs rührt aus einer Eigenheit der Stromerzeugung aus Erneuerbaren: Damit es bei schwierigem Wetter (vor allem im Winter) reicht, muss die Erzeugungskapazität so groß sein, dass man an den weitaus meisten Tagen zu viel Strom erzeugt. Dieser Zuvielstrom sollte bestmöglich genutzt werden, um die ohnehin schon hohen Kosten eines solchen Stromnetzes etwas zu mildern.

Zur Verwendung eignen sich alle Prozesse, die nicht zeitkritisch sind, also auf besseres Wetter oder allermindestens den nächsten Tag mit PV-Eintrag warten können. Meerwasserentsalzung ist ein Beispiel. Elektrische Treibstofferzeugung ist ein anderes. Dazu kommt, dass es viele Standorte mit sehr günstigen Einträgen von Sonnenschein oder Wind gibt, bei denen ein Netzanschluss unverhältnismäßig teuer wäre. Schon Desertec scheiterte an einem Problemkomplex, über den man ganz gut "Größenwahn" schreiben könnte, und das geplante Stromtrassennetzwerk war ein großer Teil davon. E-Fuels dagegen kann man sehr gut netzunabhängig herstellen.

Haru Oni circa zum Jahreswechsel. Die Pilotanlage zeigt einerseits die Machbarkeit, andererseits wird dort prozesstechnisch viel gelernt, bevor es an die größeren Anlagen geht.

(Bild: Porsche)

Als unter anderem die Projektpartner Siemens Energy und Porsche begannen, für diese Form der Energiespeicherung zu werben, stellten sie stets die zu erwartenden Laststunden der Anlagen und das weitere Umfeld heraus: Sowohl für PV als auch für Windkraft gibt es weltweit viele so deutlich günstigere Standorte, dass sie sich trotz des dann nötigen Treibstofftransports zu uns lohnen. Die Wahl für das Pilotprojekt fiel auf das windige Patagonien, wo ein Windrad 74 Prozent der Zeit von Wind ausgelastet wird, während es in Deutschland Onshore 19 bis 24 Prozent sind (je nach Höhe der Anlage). Ähnlich werden PV-Anlagen mit E-Fuels-Erzeugung gedacht, die eher in Richtung Äquator geplant werden. Der Preis für Endkunden hängt zu weiten Teilen also am Standort.

Die Kapitalgesellschaft des ersten großen E-Fuel-Projekts heißt "Highly Innovative Fuels" (HIF) Global LLC (limited liability company), an der sich Porsche mit 75 Millionen Dollar zu 12 Prozent beteiligt (74 Prozent der Anteile gehören Andes Mining and Energy, AME). Der vielleicht größere Anteil Porsches liegt jedoch in der Außenkommunikation, mit der Verwendung des Treibstoffs in Marken-Cups und den Veranstaltungszentren der Porsche Experience und dem demonstrativen Gesamtfahrplan des Sportwagenbauers: 2025 soll die Hälfte der verkauften Modellpalette aus BEV oder PHEV bestehen; 2030 sollen es 80 Prozent BEV sein.

Den Rest sollen hauptsächlich 911er ausmachen, die weiterhin von einem Sechszylinder-Boxer angetrieben werden. Einfache Brot-und-Butter-Autos gibt es bei Porsche ja nicht, sodass die Kunden-Kostenstrukturen ganz anders aussehen. Wer etwa ein Granturismo-Auto sucht, kann bei Porsche zwischen Panamera und Taycan wählen, von denen das batterieelektrische Modell sogar das etwas günstigere ist.

Porsches "Panamera eFuels Experience Patagonien" fuhr natürlich an den Produktionsanlagen vor.

(Bild: Porsche)

Die E-Fuels-Anlage in Patagonien haben wir nach Gesprächen mit Siemens Energy hier technisch betrachtet. Zusammenfassend: Sie besteht aus modularen Komponenten für Elektrolyse, eMethanol-Herstellung, dem Baustein "eMethanol zu eBenzin" und einer CO₂-Abscheideanlage (DAC). Die DAC-Anlage hat sich verschoben, sodass zwischenzeitlich CO₂ aus biogenen Gärprozessen verwendet wird (beachten Sie den Tankanhänger mit CO₂ hinter den Panameras im Bild). Wenn sich solche Anlagen rechnen, könnte eMethanol einer von mehreren Bausteinen sein, die Erdölprodukte ersetzen können – einerseits direkt in Antrieben von Schiffen oder Flugzeugen, andererseits als Vorprodukt für Treibstoffe oder die Petrochemie. "Wir müssen die Windenergie zur Nutzung irgendwie in eine Büchse packen", sagte Thorsten Herdan, CEO bei HIF EMEA (Europe, Middle East, Africa) im Interview. "Diese Büchse sind derzeit Kohlenwasserstoffe, also Methanol und Benzin."

Wie synthetische Treibstoffe aus anderen Methoden sind auch E-Fuels teurer als fossile Brennstoffe. Um daraus ein Geschäft zu machen, müssen Investoren also zuerst Nischen finden (z. B. Benzin für Porsches Experience Centers) und im nächsten Schritt darauf setzen, dass diese Treibstoffe nach ihrer tatsächlichen CO₂-Bilanz reguliert werden. Konkret heißt dies vor allem: Damit sie flächendeckend interessant werden, müsste zum Beispiel die CO₂-Bepreisung des Emissionshandels für E-Fuels wegfallen.

Die Produktionsmengen in der Demo-Anlage Haru Oni haben natürlich zunächst wenig mit großindustriellen Mengen zu tun, sondern sollen zeigen, dass der Prozess funktioniert. Der Windkraftgenerator leistet 3,4 MWp, die geplante DAC-Anlage soll 150 kg CO₂ pro Stunde aus der Umgebungsluft abscheiden. Die Elektrolyseanlage erzeugt 20,5 kg Wasserstoffgas pro Stunde. Am Ende sollen in der aktuellen Ausbaustufe 350 t eMethanol und rund 130.000 l eBenzin pro Jahr herauskommen. Die Anlage ist finanziell zunächst auf 25 Jahre geplant, es spricht bei vielen Anlagenteilen jedoch wenig gegen Laufzeitverlängerungen, wenn aus der Demoanlage über die Zeit eine wirtschaftliche Anlage geworden ist.

Die Mengen dieser einen Produktionsstätte haben natürlich keinen Einfluss auf den weltweiten Energiemarkt, genauso wenig wie ein einzelnes Windrad den hat. HIF plant aufgrund guter Marktaussichten deshalb bereits weitere Anlagen, die jeweils eine gute Schippe größer. "Wir waren beim Bau von Haru Oni schon möglichst schnell", so Thorsten Herdan. "Wir wollten zeigen, dass solche Projekte verwirklicht werden können, während überall nur darüber geredet wurde. Und so wollen wir weiter vorgehen bei den folgenden Projekten: Wir gehen weiter voran, wir akzeptieren die Risiken, wir wollen Vorreiter sein."

Der Lastfaktor für Onshore-Wind ist in Chile konkurrenzlos gut. Deshalb entsteht hier eine größere Anlage mit konzerneigenem Windpark.

(Bild: HIF)

Die erste wirkliche Produktionsanlage entsteht gar nicht so weit weg von Haru Oni ebenfalls in Chile. Sie soll 66 Millionen Liter Treibstoff pro Jahr aus einer dazugehörigen Windfarm mit 300 MWp Leistung erzeugen. Das Projekt ist noch in der Planungsphase und soll Treibstoffe für Europa produzieren. Eine weitere Anlage soll ab nächstes Jahr (2024) in Texas entstehen (County: Matagorda) und dort vielleicht schon ab 2026 Treibstoff für rund 1 Million Fahrzeuge herstellen, 700 Millionen Liter pro Jahr (hauptsächlich für Kalifornien). Die zuliefernden Windfarmen könnten zusätzlich 15 GWp zur texanischen Stromerzeugung beitragen.

Eine ähnliche Anlage mit 250 MW Elektrolyseleistung soll auf der australischen Insel Tasmanien nahe dem kleinen Ort Hampshire entstehen, die bis zu 100 Millionen Liter pro Jahr für den asiatischen Markt herstellen soll. Anders als in Chile gehören die Stromerzeugungsanlagen nicht zum Projekt, sondern Drittanbietern. Diese bauen hauptsächlich Windkraftanlagen auf, für die es in Texas und Tasmanien zwar günstige regulative und physikalische Bedingungen gibt, aber am Standort kein ausreichendes Stromnetz, um die volle Leistung zu den Verbrauchern zu bringen. Daher schließen die Betreiber langfristige Stromverträge mit HIF als Großabnehmer ab, was die Anlagen lohnenswert macht. Ja, das bedeutet, die Anlagen würden sonst mangels Möglichkeiten des Stromverkaufs nicht gebaut werden. Ähnliche Projekte sind in sonnenreichen, mit Leitungen schlecht erschlossenen Gebieten des Mittleren Ostens im Gespräch.

Anhand der schon recht weit fortgeschrittenen Pläne zeigt sich, dass HIF E-Fuels-Herstellung durchaus ernst meint. Das Unternehmen sieht einen Markt. Das Ziel für ab 2030 ist es, über 5 Millionen PKW im Bestand zu decarbonisieren im Sinne von: Der Kohlenstoffkreislauf dieses Treibstoffs wäre ein einigermaßen geschlossener. Der aktuelle Bestand an PKW liegt bei knapp 1,3 Milliarden Stück weltweit, mit Prognosen für 2030 bis über 2 Milliarden, hauptsächlich aufgrund des steigenden Wohlstands in China und Indien. Wir sprechen also bei den Plänen von HIF für 2030 von einigen Promille des Bestands, um E-Fuels noch einmal in ihren Bezugsrahmen zu setzen.

Sie sind ein Puzzlestück von vielen. Innerhalb dieses Bezugsrahmens haben sie jedoch gute Chancen, ein fester Bestandteil zukünftiger Energiewirtschaft zu werden. Wenn wie gefordert die CO₂-Bepreisung auf E-Fuels wegfiele, könnte sich je nach Verhalten des Zertifikatemarktes irgendwann ein Preis einstellen, der mit fossilen Brennstoffen konkurrieren kann. Aber das eher bis 2050 als bis 2030. Wenn Sie in 7 Jahren tanken, wird fossiler Treibstoff wahrscheinlich (Zertifikatehandel ab 2027!) noch günstiger sein als die raren E-Fuels.

(cgl)