LiveWire S2 Mulholland: E-Motorrad ohne Zielgruppe

LiveWire zeigt das dritte E-Motorrad. Die S2 Mulholland leistet immerhin knapp 60 kW, aber mit einer 10,5-kWh-Batterie bleibt die Reichweite überschaubar.

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LiveWire S2 Mulholland

(Bild: Harley-Davidson)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Harley-Davidsons Elektro-Label LiveWire hat sein drittes Motorrad mit batterieelektrischem Antrieb vorgestellt. Die LiveWire S2 Mulholland basiert ebenso wie die 2022 vorgestellte S2 Del Mar auf der Arrow-Plattform. Ein durchaus mutiger Schritt, denn bislang verkauft sich die LiveWire One – zuvor als Harley-Davidson LiveWire bekannt – nur in kaum nennenswerten Stückzahlen. Die LiveWire S2 Del Mar sollte eigentlich schon im vergangenen Jahr nach Deutschland kommen, ist aber immer noch nicht erhältlich, sondern lediglich reservierbar und kostet 18.490 Euro.

Das neue Modell S2 Mulholland, benannt nach einer kurvigen Strecke bei Los Angeles, wird von LiveWire als "Performance Cuiser" beworben und zeigt Proportionen, die an Harleys Sportster-Modelle erinnern. Die Linie verläuft von hinten ganz tief nach vorne weit oben. Ein langer Riser positionierter den Lenker hoch und soll ein bisschen Cruiser-Flair aufkommen lassen. Der kleine Rundscheinwerfer mit LED-Licht, das Heck und der Vorderradkotflügel sind knapp gehalten und das Kennzeichen samt Rücklicht ist an der Schwinge befestigt. Auffallend sind die zwar schmalen, aber langen LED-Blinker vorne, die ein wenige überproportioniert wirken, hinten stehen die Blinker hingegen senkrecht und flankieren das Nummernschild. Eine asymmetrische Schwinge und Gussfelgen mit filigranen Speichen versuchen noch ein paar Akzente zu setzen, ansonsten sind die Entfaltungsmöglichkeiten für die Designer ziemlich limitiert.

LiveWire S2 Mulholland (7 Bilder)

LiveWire, das Elektro-Label von Harley-Davidson, präsentiert mit der S2 Mulholland sein drittes Modell.
(Bild: LiveWire )

Erwähnenswert wäre noch das kleine TFT-Rundinstrument, das unterhalb der Lenkerklemmung sitzt. Es liefert nicht nur Infos zu den Fahrzuständen, sondern kann auch mit dem Smartphone gekoppelt werden und erhält drahtlos Updates. Zentraler Bezugspunkt im Design ist die mit Kühlrippen versehene Batterie, die als eckiger Klotz den Rahmen ersetzt. Darunter sitzt der Elektromotor, das Hinterrad wird über einen Zahnriemen angetrieben. Bei den Radgrößen setzt LiveWire auf bewährtes Cruiser-Format mit 19 Zoll vorne und 17 Zoll hinten. Den Hinterreifen wählt der Hersteller in 180er-Breite. In der Spitze leistet der Elektromotor 59 kW, dauerhaft sind es 30. Deutlich beeindruckender ist das Drehmoment von 263 Nm. So gerüstet, soll die Mulholland von null auf 60 Meilen pro Stunde (96 km/h) in 3,3 Sekunden sprinten und als Höchstgeschwindigkeit hat LiveWire 160 km/h angegeben.

Die Batterie hat einen Energiegehalt von 10,5 kWh. Im Stadtverkehr soll die Mulholland 195 km weit kommen und damit sogar etwas weiter als die Del Mar. Bei dauerhaft 88 km/h schrumpft die Reichweite auf 117 km zusammen. Der Ladevorgang von 20 auf 80 Prozent an einer 230-Volt-Steckdose soll knapp sechs Stunden in Anspruch nehmen. Der komplett leere Akku soll 8,4 Stunden brauchen, bis er wieder zu 100 Prozent gefüllt ist. An einer Level-2-Ladestation dauert es eine Stunde und 18 Minuten (20 auf 80 Prozent), was einer durchschnittlichen Ladeleistung von 4,84 kW zuzüglich Ladeverlusten entspricht. Einen leeren Akku wieder komplett aufzufüllen dauert zwei Stunden und 22 Minuten.

LiveWire S2 Mulholland (8 Bilder)

Die Mulholland ist von der Kraft her sicherlich für zwei Personen geeignet, ob die Sozia es bequem findet, ist eine andere Frage.
(Bild: LiveWire )

Bei den Federelementen greift LiveWire wie schon bei der Del Mar zu Produkten von Showa. Vorne arbeitet eine Upside-down-Gabel, das hintere Federbein zeigt die Mulholland auf der rechten Seite ziemlich offen, da auf eine Verkleidung unterhalb der Sitzbank verzichtet wird. Links sitzt dort die Ladesteckdose. Die Bremsen stammen von Brembo, vorne in Form einer radial montierten Doppelkolbenbremszange. Auch die elektronischen Assistenzsysteme können sich sehen lassen, eine Sechsachsen-IMU von Bosch sorgt für Sicherheit mit einem Kurven-ABS und einer kurvenoptimierte Schlupfregelung. Zudem verhindert eine Schleppmomentregelung das Blockieren des Hinterrads beim regenerativen Bremsen.

In den USA verlangt LiveWire 15.999 US-Dollar für die S2 Mulholland, das sind umgerechnet derzeit etwa 14.790 Euro, und damit ist sie 500 Dollar teurer als die Del Mar. Sollte die Mulholland nach Deutschland kommen, würde sie rund 19.000 Euro kosten. Bleibt die Frage, wer sie kaufen sollte. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt nur 445 Elektromotorräder in Deutschland neu zugelassen. Die ausgereifte Zero DS liegt preislich ungefähr auf Höhe der LiveWire und brachte es 2023 hierzulande auf gerade Mal 116 Stück, dabei hat sie immerhin eine 14,4-kWh-Batterie.

Der schwächelnde Harley-Davidson-Konzern hat bereits gewaltige Summen in die Entwicklung seiner Elektromotorräder gesteckt und ist auf Verkaufserfolg unbedingt angewiesen. Deshalb will niemand in der Führungsetage eingestehen, dass Elektromotorräder bei den Bikern auf keine Gegenliebe stoßen. Die Lösung könnten Elektroroller sein, die vor allem in Asien zu Millionen verkauft werden, doch zu deren Bau will sich Harley-Davidson offensichtlich nicht herablassen, nicht einmal, wenn dort LiveWire draufsteht.

(mfz)