Offender: Test Land Rover Defender 90 P200

Land Rover hat den Defender von Starrachsen auf Einzelradaufhängung umgestellt. Die Fans sind empört, der Rest freut sich über enorm verbesserten Reisekomfort.

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Land Rover Defender 90 P200

(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Land Rover hat es getan: Der neue Defender fährt nicht mehr auf Starrachsen, sondern mit Einzelradaufhängung vorne und hinten. Das empört die Hardcore-Defenderianer, doch wir müssen hier alle einmal tief durchatmen und gestehen: Hätten die Leute die Starrachsen gekauft wie blöd, gäbe es sie noch. Das ist eben Marktwirtschaft. Stattdessen kauften die Leute liebend gern Land Rovers Angebote mit ausgezeichnet schlechtwegetauglichen Straßenfahrwerken.

Von diesen Angeboten gibt es jetzt eines mehr. Es heißt "Defender". Kommt damit klar. Namen sind nur Schall und Rauch und Marketing. Die Geschmacksrichtung Defender markiert das robustere Ende der Angebotsskala solcher Fahrzeuge, aber natürlich überschneidet sich der Defender nun größerflächig denn je zuvor mit seinen Geschwistern.

Am stärksten fällt das bei dem auf, was Defender aller Baujahre tendenziell häufig tun: dem Reisen. Defenderfahrer wissen, dass lange Autobahnetappen, wie sie eben nötig sind zur Ankunft in interessanten Zielgebieten, recht anstrengend werden können und (je nach Baujahr) daher gern mit gemütlichen 90 bis 110 km/h erledigt werden. Das liegt einerseits daran, dass alte Defender etwas rau reisen, andererseits am über diesem Geschwindigkeitsfenster steil steigenden Verbrauch. Wenig verwunderlich tat der neue Defender in dieser Disziplin den größten Schritt. Er ist eines der besten Reiseautos, die ich kenne, deshalb fuhr ich noch nie so viele Kilometer in einem Testwagen.

Heraus kommen sollen mehrere Geschichten, aber wenn die weiteren doch noch gecancelt werden: Ich bereue nichts. Auf bequemen Sitzen brummt die Welt unter dir weg. Huch! Schon wieder hat der Defender 100 km gefressen. Ob man Tacho 130 oder Tacho 180 fährt (die Endgeschwindigkeit der kleineren Motorisierung beträgt echte 175 km/h), ist bis auf je nach Verkehr ein bis zwei Liter Verbrauchsunterschied egal.

Der erstens robust und zweitens interessant-verspielt gestaltete Innenraum lässt die Insassen nie vergessen, dass sie in etwas Besonderem sitzen. Das breite Fach auf der Beifahrerseite über dem Handschuhfach ist sehr praktisch für alles mögliche Dahingeschmissene. Kleinere Ablagen links und rechts des Lenkrads sind für Funkgerät und Smartphone wie geschaffen. Der Beifahrer kann sich an einer stabilen Reling über der Ablage festhalten (Spielerei), die sich hervorragend zum Kabel einhängen eignet (Praxis), denn für die gibt es bergeweise Stromanschlüsse.

Land Rover Defender außen (17 Bilder)

Das neue Design folgt der Konzernlinie auf behutsame Art, um vielleicht doch noch den einen oder anderen Fan des alten Defenders abzuholen.
(Bild: Clemens Gleich)

Das Infotainmentsystem ist weniger fortschrittlich als die deutschen Pendants, hat aber einen für Touren sehr durchdachten Home-Screen und funktioniert gut – solange es funktioniert. Wie in allen Fahrzeugen von Jaguar Land Rover crashen immer wieder Module. Mal funktioniert die Smartphone-Einbindung nicht mehr, mal fallen die Onboard-Navi-Ansagen aus, einmal fiel sogar der Tempomat für 50 km ohne erkennbare Gründe aus, um dann ebenso ohne erkennbare Gründe seine Arbeit wieder aufzunehmen.

Auch der Abstandstempomat hält die Bahn vor sich gelegentlich irrtümlich für frei und prescht dann freudig nach vorn gen Vorfahrerstoßstange. Angesichts der vielen guten Ideen würde ich mir wünschen, JLR gäbe die Software-Entwicklung in die Hände von Leuten, die zuverlässigere Ergebnisse abliefern und steuerte selber nur die gut durchdachten Vorgaben bei.

Land Rover garniert dieses Angebot mit einem der besten Motoren der letzten Zeit, einem Reihensechszylinder-Diesel mit Turbolader und milder Elektro-Unterstützung. Er brummt sonor, liefert kultiviert Drehmoment und erinnert unsere Vierzylinderzeit an die Tugenden des Massenausgleichs mit sechs Pötten. Diesen Motor fuhr ich mit 147 kW (200 PS), was mir im kurzen Defender 90 völlig reichte. Mein Kollege Sebastian fuhr die mittlere Motorisierung mit 184 kW (250 PS) im Defender 110 und war dort ebenso angetan vom Motor. Obendrauf gibt es den Sechszylinder noch mit 300 PS für Eilige, und es gibt einen Vierzylinder mit großem E-Motor als PHEV (P400e), den ich anhand der Erfahrungen aus dem Jaguar F-Pace weniger empfehle als die drei Reihensechszylinder-Mildhybrid-Antriebe.

Land Rover Defender innen (14 Bilder)

Sehr gut integrierte Gummi-Wannenmatten. Es gibt auch Filz, aber mal ehrlich: warum?
(Bild: Clemens Gleich)

Wie vorher gibt es eine Geländeübersetzung, mit der auch der etwas schwächere Motor jede Steigung hochfährt, die das Auto ohne umkippen fahren kann. Man braucht sie jedoch selbst im Hochgebirge nur selten und eher aus Gründen der Kontrolle denn aus jenen der Leistung. Ich kann hier noch viel labern, Zweifler mögen einfach einmal diesen Motor unmittelbar nach ihrem Vierzylinder fahren und dann entweder nach unter einem Kilometer "Ja!" sagen oder es nie verstehen.